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Den Erbfeind besiegen

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Ein Meldung, die im Herbst vergangenen Jahres rund um die Welt ging, kam von Jerry Hall aus der George-Washington-Univer- sität. Dort war es gelungen, zu Klonen. Was ist nun Klonen eigentlich? Zunächst einmal ist Klonen nichts anderes als das Teilen von Embryonen. Ein Achtzeller wird in zwei Vierzeiler geteilt. Etwas, das auch die Natur macht, zum Beispiel bei eineiigen Zwillingen. Etwa 24-36 Stunden nach der Befruchtung verschmelzen Ei- und Samenzelle und diese teilt sich in zwei identische Embryo-Zwillinge.

Macht dies der Mensch, ergeben sich natürlich Probleme, aber auch Möglichkeiten. Das eigentliche Problem ist, was mit den zwei Vierzeilern geschieht. Wie Peter Husslein von der 1. Frauenklinik der Universität Wien meint, ist dem Achtzeller damit etwas passiert, er hat seine Individualität verloren. Wird nur aus einem Vierzeiler ein Mensch, ist ihm nicht sehr viel passiert. Die Probleme sind zugleich auch die Chancen, die sich daraus ergeben: so könnte man mit einem der beiden Vierzeiler genetische Diagnostik betreiben und nach Feststellen einer Krankheit den anderen Vierzeiler dagegen behandeln oder sich entscheiden, ihn nicht zu implantieren. Ob das gut oder schlecht ist, darüber wird man zweifellos reden müssen, sagt Husslein.

Noch heikler wird es, wenn man die Möglichkeit, einen Vierzeiler einzufrieren und eine Generation später austragen zu lassen, in Betracht zieht. Denkbar ist auch, einen der beiden Vierzeiler dazu zu verwenden, Organe zu entwickeln, um dem anderen, mittlerweile ein Erwachsener, Organersatz geben zu können.

PRÄNATALE DIAGNOSTIK

Auf der anderen Seite, so sagt der Mediziner und Theologe Johannes Huber von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der vor zwei Jahren die Forschergruppe um Jerry Hall besucht hat und von ihrer moralischen Integrität überzeugt ist, wird man aus Humanitätsgründen schwerlich auf eine Disziplin verzichten können, die „uns ein Instrumentarium in die Hand gibt, Hilfsmittel, mit denen es uns besser gelingt, dem Erbfeind der Medizin, dem vorzeitigen Tod, der unheilbaren oder chronischen

Krankheit, zu widerstehen“. Es gibt verschiedene Erkrankungen — fast wöchentlich werden es mehr —, die man mit pränataler Diagnostik erkennen kann. Es ist, so Huber, sicher sinnvoller, diese Diagnostik bei einem zwei Tage alten als bei einem 17 Monate alten Embryo zu machen.

In das Gen-Technik-Gesetz wurde das Klonen nicht hineingenommen, und zwar aus Gründen der Homogenität der Rechtsordnung. Denn die Gesellschaft kann nicht einerseits den Schwangerschaftsabbruch bis in die zwölfte Woche gestatten und auf der anderen Seite die Heilung eines Vierzeilers verbieten. Husslein formulierte diese Inadäquatheit so: „Sie können nicht die Teilung eines Achtzellers verbieten und die Interuterinspirale, die letztlich nichts anderes ist, als daß ich einem Achtzeller die Möglichkeit nehme, sich zu einem Menschen zu entwicklen, erlauben.“

Johannes Huber meint, daß man solange nicht in die Keimbahn des Menschen eingreifen sollte, solange man nicht sicher sein kann, keine Schäden anzurichten. Doch vor 50 Jahren wußte man auch nicht über die DNA Bescheid, und heute sind wir in der Lage, sie nachzubauen und in ihre Bestandteile zu zerlegen.

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