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Der bestrafte Mäzen

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Der wirtschaftliche und produktionstechnische Aufstieg unseres Vaterlandes seit 1945 ist bemerkenswert und liegt weit über dem europäischen Durchschnitt. Nun ist es aber nicht allein das Quantum an Rohstoffen und Serienerzeugnissen, durch das Oesterreich seinen Rang auf den internationalen Märkten sichern kann. Was unser Land auszeichnet, das sind seine wissenschaftlichen und kulturellen Institutionen und die von ihnen bestimmte Qualität der Arbeitskräfte, das ist der „Rohstoff“ Mensch, der bei uns stets in einer besonderen Weise gepflegt und zur erstbestimmenden Grundlage des Wirtschaftens gemacht wurde.

Der Staat vermag aber auch heute noch nicht die immensen Aufgaben, die etwa der Grundlagenforschung gestellt sind, aus dem Budget zur Gänze zu finanzieren. Dem Staat zuzumuten, alles, was an geistigem Leben da ist, alle geistige und auch die technisch-kommerzielle, zweckgebundene Forschung der Finanzierungsapparatur des Staates allein zu überantworten, heißt den Etatismus im heikelsten Bereich des gesellschaftlichen Lebens fördern helfen. Es darf nicht sefn, daß die Forschung in das Korsett von Budgetmitteln und Budgetkapital hineingezwängt und in die sachlich durchaus verständlichen •Normen der Kameralistik eingeordnet wird. Die Förderung von Kunst, Wissenschaft und Bildung soll nicht allein eine Sache der Bürokratie sein, sondern ebenso eine Angelegenheit jener Faktoren und Institutionen, die vermöge der Höhe ihrer Einkünfte bzw. Reingewinne so viele Mittel verfügbar haben, daß sie das geistige Leben durch ihre Zuwendungen vor einer bedrohlichen Verstaatlichung, wenn nicht Verparteipolitisie-rung, bewahren können. Es muß doch im Interesse der Freiheit des geistigen Lebens alles unternommen werden, um dieses zu verpersönlichen und wieder übersichtlich zu machen.

Nun ist sicher in Oesterreich wieder so etwas wie ein Mäzenatentum vorhanden, d. h. eine Bereitschaft in Personen und Körperschaften, Teile ihres Einkommens (früher hätte man gesagt, ihres „Reichtums“) betriebsfremden Zwecken und ohne Hoffnung auf Gegenleistung zu widmen, das heißt zu spenden.

Wenn sich nun trotzdem ein Mäzenatentum kaum entwickeln kann, so deswegen, weil die Widmungen an Kunst und Wissenschaft, weil „Spenden“ steuerlich nicht absetzbar sind und daher als Privatentnahmen oder als Gewinnzurechnungsposten angesehen werden. Gleiches gilt ja übrigens auch für die Kosten der Grundlagenforschung im eigenen Betrieb, die zum Teil allgemein-wissenschaftlichen Charakter haben und trotzdem aktiviert und der Besteuerung unterzogen werden müssen. Die technische Entwicklung ist daher in Oesterreich eine teure Sache. Man läßt sie lieber dem Ausland, das dann österreichische Ideen mit in Oesterreich ausgebildeten Fachleuten praxisreif macht und sie uns in Lizenzform wieder teuer, verkauft. Die Folge der Behinderung der betriebseigenen Grundlagenforschung zeigt sich in der Tatsache, daß in Oesterreich nur ein Vierzigstel der Ingenieure, in den USA aber nicht weniger als 23 Prozent in der Grundlagenforschung tätig sind. Auch die Entwicklung der Patentanmeldungen ist irgendwie ein Index für ein nur-fis-kalisches Denken bei der Auslegung der an sich gar nicht immer so harten Steuergesetze: Die Anmeldung österreichischer Patente beim Oesterreichischen Patentamt aus dem Inland

sinkt, die Zahl der Anmeldungen aus dem Ausland ist im Steigen. Man ist scheinbar bemüht, jetzt endlich den Forderungen eines altösterreichischen Abgeordneten Rechnung zu tragen und bei Sichtbarwerden eines „Büachls“ bereits „g'fressen“ zu haben.

Nun zu den Spenden, soweit sie der Förderung unserer Bildungs- und Forschungsinstitutionen dienen sollen.

Wer spendet, muß es sich gefallen lassen, daß die Spenden gem. 12, Ziffer 2 des EStG. nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden können. Wofür gespendet wird, ist dabei gleichgültig, ob für den Erwerb eines Fußballspielers durch die Sportgemeinschaft des Unternehmens oder für den Ankauf wissenschaftlicher Bücher. Das Finanzministerium hat seinerzeit in einem Schreiben an die Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft darauf hingewiesen, daß Zuwendungen für gemeinnützige und sonstige Zwecke hinter den Steuern zurückstehen messen. Dabei hat sich das Bundesministerium für Finanzen auf den Motivbericht zum seinerzeitigen Personalsteuergesetz berufen, der aus dem Jahre 1896 (!) stammt. Nun muß man sich fragen, ob der Staat allein das Recht hat, die allgemeinen Belange zu wahren. Es mag sein, daß es vor einem halben Jahrhundert nach den Auffassungen der damaligen Finanzbehörden eine Art von Mäzenatentum gegeben hat, das sich insbesondere in der Finanzierung von Liebhabereien ge? zeigt hat, als Zuwendungen an Modekünstler und als eine Form von Spielerei mit dem Reichtum. Heute ist das anders.

Die Taktik und Auslegung, Spenden, wofür immer sie gegeben werden, einander gleichzusetzen, mag zwar dem Fiskus, wie er glaubt, unmittelbar mehr Geld bringen; auf lange Sicht gesehen, führt die amtlicherseits deklarierte Abneigung, die Institutionen des geistigen Lebens auch von privater Seite finanzieren zu lassen, zu einer Verarmung der Institutionen und zur Bildung von Sowchosen auf dem Gebiet des geistigen Lebens. Auf der anderen Seite wird geduldet, daß bei entsprechender Deklarierung der Ausgaben betriebsfremde Aufwendungen gewinnmindernd abgesetzt werden dürfen. Man denke nur, was sich alles unter dem Aufwandstitel „Repräsentationen“ zu verbergen vermag.

Dabei soll nichts gegen die Bedenken der Finanzverwaltung gesagt werden, den Spenden in jeder Höhe und für jeden Zweck den Charakter von Betriebsausgaben zuzuerkennen.

Worum es geht, ist nicht eine Begünstigung der Spendenfreudigkeit an sich, die ja in guten Wirtschaftsjahren den Charakter von bewußter steuermindernder Verschwendung annehmen könnte. Lediglich bestimmte Spenden in einer festzulegenden relativen Höhe sollten abzugsfähig sein, schon um den Staat zu entlasten und dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung zu tragen, das doch auch ein finanzwirtschaftliches Prinzip ist. Dabei wollen wir gar nicht untersuchen, ob sich der Staat nicht dadurch, daß er bestimmte Ausgaben von öffentlichen Bildungsinstitutionen durch Private teilweise decken läßt, selbst Aufwendungen erspart.

Es ist nun interessant, daß vielfach die gleichen Kreise, die an einer „freiheitlichen“ Gesellschaftsordnung mit Recht ein Positives sehen, dann, wenn sie die Gesetze für eben diese Gesellschaft machen, von ihrer freiheitlichen Auffassung nicht allzu viel sehen lassen. Die „Freiheit“ hat auf diese Weise den Charakter

eines für Festreden und Proklamationen wohl brauchbaren Gedankenmodells. Mehr nicht.

Der Hinweis auf den Mißbrauch, der mit den Spenden getrieben werden könnte, verfängt nicht, da auch mit den absetzbaren Aufwandskategorien Mißbrauch getrieben werden kann. Dazu kommt die offensichtlich nicht gerechtfertigte Begünstigung der Repräsentationsaufwendungen und damit der Justamentsausgaben. Ueberdies kann ein Mißbrauch einfach dadurch verhindert werden, daß ein Katalog von Widmungszwecken und Instituten aufgestellt wird, denen absetzbare Zuwendungen gewidmet werden können. Wenn man eine Gruppe „anerkannter“ Spendenempfänger schafft, wird auch verhindert, daß sich Institutionen aufmachen, deren einziger Zweck es ist, ihren Funktionären aus Spenden ein gutes Leben zu ermöglichen, wie dies bei den unterschiedlichen „Internationalen Institutionen zur Erforschung der...“ bisweilen der Fall ist. Sicher ist die Aufstellung eines

Katalogs bevorzugter Spendenempfänger mit etwas Bürokratie verbunden. Ist es aber nicht besser, mehr Bürokratie und dadurch mehr an Förderungsmitteln für unser Geistesleben zu haben als ohne Bürokratie die Verarmung fortschreiten zu lassen?

Wie es einer Begrenzung der Zahl der spende n e m pfangswürdigen Personen bedarf, so auch einer Begrenzung der Höhe der Spenden, sowohl nach oben wie nach unten.

Nach unten: Wir haben doch auch im 33 EStG. bei den gewöhnlichen Belastungen eine „zumutbare Aufwandsgrenze“, das heißt: Bestimmte Mehrbelastungen muß der Steuerpflichtige selbst tragen. Erst Beträge, die über eine bestimmte, nach verschiedenen Gesichtspunkten gerechnete Grenze hinausgehen, werden als einkommensteuermindernde Aufwendungen anerkannt. Aehnliches wäre doch auch bei Spenden möglich, um zu verhindern, daß

BagRiv'r.cjpenden abgesetzt werden und es zu einer kleinlichen Spendenkasuistik kommt.

Nach oben: Im derzeit geltenden bundesdeutschen EStG. sind für Spenden Höchstbeträge vorgesehen, so daß die Gebefreudigkeit nicht entarten und etwa sogar zur Gewinnregulierung werden kann. Gleiche Bestimmungen enthält das bundesdeutsche Körperschaftssteuergesetz. Jedenfalls dürfen in der Deutschen Bundesrepublik bis fünf Prozent des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 20 Prozent der Summe der Umsätze und der im Wirtschaftsjahr gezahlten Löhne für besonders förderungswürdig erkannte gemeinnützige Zwecke aufgewendet werden. Handelt es sich um wissenschaftliche Zwecke, erhöht sich der Satz von fünf Prozent um weitere fünf Prozent. Was gemeinnützig ist, mildtätig usw., bestimmen 33 EStDV 1951 bzw. die dort angeführten Gesetzesstellen (s. 10 b EStG. 1951 und 11, Ziffer 5 des Körperschaftssteuergesetzes 1951.)

Was den durch eine Begünstigung von Spen-

dengruppen zu erwartenden Ausfall an Steuererträgnissen betrifft, muß gesagt werden, .daß dank der guten Finanzpolitik und der steigenden Einkünfte und Umsätze das Steueraufkommen in einem anhaltenden Steigen ist, ein Umstand, dem durch eine sehr erhebliche Reduktion der Steuersätze und Vergrößerung der Steuerbegünstigungen ab 1958 wieder einmal Rechnung getragen wurde. Es müßte aber endlich einmal auch ein Weg gefunden werden, nicht nur, um die Ausgabenchancen für den persönlichen Konsum zu vergrößern, sondern um die Grundlage dessen, daß wir überhaupt wirtschaftliche Erfolge haben, besser zu fundieren. Ich wiederhole: Oesterreichs größtes Kapital, seine kapitalisierbare Ertragshoffnung ersten Ranges ist das Arbeitswissen der Oesterreicher, das auch wesentlich von dem hohen Grad an Allgemeinbildung abhängt, das die Oesterreicher als Aussteuer für ihre Arbeitsleistung mitbringen. Es ist daher sicher nicht unfiskalisch gedacht, wenn in einer Art Long-term-Programm Investitionen

gemacht werden, die sich als „Umwegsrentabilität“ in gesteigerten Wirtschaftseffekten und Steuereinkünften morgen niederschlagen. Dazu sei nochmals auf das eingangs angeführte Argument verwiesen: Viele der Forschungs- und Bildungsaufgaben, die schließlich doch der Staat aus den Haushaltmitteln finanzieren muß, könnten leicht auch von Privaten mitfinanziert werden, gäbe es nicht die geradezu provokative Behandlung auch jener Spenden, deren Verwendung im allgemeinen Interesse gelegen ist.

Die augenscheinliche Begünstigung von oft sinnlosen Betriebsausgaben auf der einen Seite und die engherzige Einstellung der Gesetzgeber zu den Versuchen, die Kosten des geistigen Lebens in Oesterreich privat mittragen zu helfen, läßt zuweilen die Vermutung aufkommen, daß man nicht allerorts in Oesterreich dem Geist jene Reverenz erweist, die notwendig ist, damit wir nicht im Konzert der Wirtschaftsvölker auf die Position von „Hilfswilligen“ und „Unterentwickelten“ herabsinken.

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