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Der Kostenaspekt

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Das Problem der Gewinnung von Kernenergie Ist aber nicht allein unter Bedaehtnahme auf den wachsenden Industriebedarf zu untersuchen, sondern auch unter dem Aspekt der Kosten. Der Anteil der Energiekosten an der Summe der Herstellungskosten liegt, nach einer Mitteilung der EWG, in manchen Wirtschaftszweigen bereits in der Quotenordnung bis zu 25 Prozent, weshalb eine Beeinflussung der Kostenposition „Energie“ in einzelnen Erzeugungssparten geeignet ist, die gesamte Kostenstruktur wesentlich zu ändern.

Bisher war Atomstrom für zivile Zwecke wohl bereits produzierbar, aber noch zu teuer. Daher blieb die Atomkraft eine Angelegenheit der Forschung, war aber noch nicht konkurrenzfähig, weshalb es auch keinen Markt für Atomkraft gab. Diese war vom kaufmännischen Standpunkt ein Abstraktum, eine Art Hoffnungsbereich. Nunmehr aber wird, wie uns die Ziffern aus den USA beweisen, die Atomkraft kommerziell durchaus wettbewerbsfähig und scheint darüber hinaus für das Wachstum der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung zu werden.

Die Primärenergde konventioneller Art wird gegenwärtig mit Kosten hergestellt, die kaum mehr unterschritten werden können. Bei Atomkraft wird es dagegen (nach Ansicht von Experten) möglich sein, den wissenschaftlichen Fortschritt in beachtliche (weitere) Kostenreduktionen zu übersetzen. Dies hat freilich zui Voraussetzung, daß die installierter Atomkraftwerke eine bestimmt Mindestkapazität haben (man spricht von 300 bis 500 MW), da sonst di festen Kosten (Wertverminderuni der Anlagen u. ä.) je Einheit relativ zu hoch sind. In den USA ist dabei

die Größe der Atomkraftwerke, die in der letzten Zeit in Auftrag gegeben worden sind, mit etwa 800 MW festgelegt worden.

Die Entscheidung über die Installierung von Atomkraftwerken ist aus diesem Grund wesentlich mit der

Bedarfes an Primärenergie läßt erkennen, daß man in Bälde mit den bisherigen Ausgangsbasen bei der Gewinnung von Kraftstoff nicht mehr das Auslangen finden wird. Anderseits scheinen jedoch Behauptungen, daß sich der Energiebedarf in jedem Jahrzehnt verdoppeln wird, etwas übertrieben zu sein und zudem geeignet, Investitionen zu provozieren, die zeitlich nicht mit dem Anfall der künftigen Nachfrage abgestimmt sind. Eine Verdoppelung der Nachfrage im Zeitraum von zehn Jahren ist nur dann zu erwarten, wenn die jährliche Zuwachsrate zirka sieben Prozent beträgt. Tatsächlich beträgt der Zuwachs in Österreich derzeit ;ungefähr drei Prozent. In der EWG betrug der Bedarfszuwachs von 1965 auf 1966 3,3 Prozent und wurde fast zur Gänze durch Importe gedeckt. Im Zeitraum 1953/1964 stieg der Je-Kopf-Verbrauch an Energie in der EWG um 56 Prozenit und wird in den nächsten 15 Jahren um ungefähr 90 Prozent größer werden.

Die Installierung von Anlagen zur Erzeugung von Kernkraft wird nicht zu einer Substitution der bisherigen Formen der Primärenergien führen, sondern ist in vielen Ländern geeignet, einen so gut wie sicheren Mehrbedarf zu decken, da die bisherigen Formen der Energieerzeugung auf lange Frist nicht ausreichen, die Nachfrage zu befriedigen. Daher die in einzelnen Staaten außerordentlich hohen Aufwendungen für Grundlagenforschung mit dem Ziel, das Phänomen der Kernenergie auf seine technisch-zivile Verwertbarkedt zu untersuchen.

Wahl der Kapazitätsgröße verbunden, das heißt mit der relativen Höhe der Investitionskosten.

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Die Erkenntnis, daß in absehbarer Zeit die Gewinnung von Atomstrom wahrscheinlich weniger (und erheblich weniger) kosten wird als eine

Energieeinheiit auf der bisherigen Gewinnungsbasis, sollte auch in Österreich Anlaß zu neuen Überlegungen, wenn nicht zur Revision einzelner Pläne im Zusammenhang mit dem beabsichtigten weiteren Ausbau unserer Wasserkräfte sein, welche in Österreich derzeit ungefähr mit 40 Prozent genutzt sind.

Die für den Ausbau der Wasserkräfte aufgestellten Investitionskalküle, bei denen man zum Beispiel im Rahmen der sogenannten Kapi-

talwertrechnung Kosten und Erlöse (Kapitaleinsatz und Kapitalerträge), miteinander vergleicht, werden in absehbarer Zukunft einen spürbaren Preisdruck vorwegzunehmen haben. Dabei sollten wir nicht übersehen, daß wir schon jetzt aus besonderen Gründen, die nichts mit kommerziellen Kalkülen zu tun haben, aus unserem Land Strom zu einem Preis exportieren, der erheblich unter den Selbstkosten liegt.

Derzeit wird jedoch ohne Bedachtnahme auf die drohende und vor allem im Kostenbereich wirksame Konkurrenzierung der Wasserkraft darangegangen, weitere Wasserkraftwerke zu errichten. Die Frage, ob die Kosten des Stromes aus den neuen Werken nicht bereits unmittelbar nach ihrer Fertigstellung über den Kosten des Atomstromes liegen werden, wird offenkundig nicht ausreichend erwogen. Wohl bei den Technikern, nicht aber bei ein-

zelnen Zuständligen Politikern, wobei der in diesem Fall unselige, weil die Wohlfahrt der Bürger belastende Föderalismus auch eine gewisse Rolle zu spielen scheint.

Anderseits glaubt man in Österreich immer einen Ausweg zu haben: Schutzzölle und administrative Behinderung des Importes von relativ billiger Ware. Ob diese Instrumente auch im Fall des Atomstromes wirksam sein werden, muß freilich bezweifelt werden. Auf jeden Fall

werden bei Verhinderung des Imports von billigem (Atom-)Strom nach Österreich jene Produkte im internationalen Vergleich teurer produziert werden, in deren Kosten die Energie eine hohe Quote umfaßt. *

Die angesichts der Kommerzia-lisierungsreife des Atomstromes neuerlich zu erwägende sogenannte Kapazitätsaufgabe bei Kohle ist nicht nur ein ökonomisches Problem, sondern führt stets zu lokalen sozialen Spannungen. Der Umstand, daß in den EWG-Staaten zwischen 1957 und 1965 die Zahl der Bergarbeiter allein bei Kohle von 659.000 auf 402.000 gesunken ist, zeigt an, daß eine Berufsgruppe, die bisher unter anderen mit den Metallarbeitern eine Lohnführerschaft innegehabt hatte und zudem außerordentlich immobil ist, um mehr als ein Drittel ihres Standes reduziert wurde, und dies in wenigen Jahren. In Österreich ist das Problem der Kapazitätsaufgabe bei Kohle nicht von der gleichen gesamtstaatlichen Bedeutung wie in der Bundesrepublik Deutschland, aber zum Beispiel in der Steiermark doch von wesentlichem lokalem Gewicht. Da es sich bei den Bergarbeitern zu einem großen Teil um Arbeiter handelt, die nicht leicht in einer ihrer bisherigen beruflichen Stellung entsprechenden Weise eingesetzt werden können, entstehen bedenkliche soziale Dis-krtaimerungen.

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In Österreich hat man Grund zu vermuten, daß manche Projekte im Bereich des Ausbaues der Wasserkraft auf lange Sicht gesehen zu Fehlinvestitionen führen können. Vorläufig steigt das hydraulische Arbeitsvermögen in unserem Land je Jahr um ungefähr fünf Prozent, eine Quote, die bei Bedachtnahme auf die Verringerung der Zuwachsrate des Bedarfes und Konkurrenzierung durch in Bälde billigeren Atomstrom nicht unbedenklich hoch ist.

Die meisten Projekte, die mit dem Ausbau der Kapazität der Stromgewinnung aus Wasserkraft befaßt sind, befinden sich in einem Stadium, das eine Aufgabe der Pläne kaum mehr möglich macht. Dieser Sachverhalt sollte aber nicht Anlaß sein, di Maßnahmen der meisten Industriestaaten auf dem Sektor der Installierung von Atomkraftwerken zu übersehen oder nur im Rahmen von Studienreisen zu beachten, die für viele der Beteiligten lediglich den Charakter einer Urlaubsverlängerung haben. Jedenfalls sind unser Konkurrenten dabei, sich dem Ausbau der Atomkraftwerke in einem Tempo zu widmen, das vor einiger Zeit noch nicht vorausgesehen werden konnte. Die nunmehr hergestellte Kooperation der österreichischen Industrie mit einem bundesdeutschen Werk der Reaktorproduktion (Siemens) könnte Ursache sein, manche Kalküle zu revidieren und ebenfalls an die Installierung von Atomkraftwerken zu gehen, ganz abgesehen davon, daß man sich auch um die Sicherung der erforderlichen Uranmengen kümmern müßt.

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