Der Sonnenkönig aus Linz

Werbung
Werbung
Werbung

Beobachter der Forschungslandschaft hatten ihn schon lange auf dem Radar. Seit Jahren wird Niyazi Serdar Sariciftci als herausragendes Beispiel heimischer Weltklassewissenschaft genannt. Mit der Verleihung des diesjährigen Wittgensteinpreises erhält der 51-jährige Materialwissenschaftler der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) nun auch über die Grenzen seiner Disziplin hinaus die gebührende Anerkennung. Der vom Wissenschaftsfonds FWF verliehene Wittgensteinpreis wird manchmal liebevoll als "österreichischer Nobelpreis“ bezeichnet. Im Unterschied zu diesem ist das Preisgeld allerdings zweckgebunden an ein sechsjähriges Forschungsprojekt. Außerdem ist der Wittgensteinpreis mit 1,5 Millionen Euro um etwa 600.000 Euro besser dotiert. Wie auch 2011 gibt es heuer zwei Wittgensteinpreisträger. Die zweite Auszeichnung geht an den Informatiker Thomas Henzinger, der das Institute of Science an Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg leitet.

Von Kalifornien zurück nach Österreich

Niyazi Serdar Sariciftci wurde 1961 in der Türkei geboren. Eigentlich wollte er Musik studieren, fiel aber am Musikkonservatorium durch. Er besuchte stattdessen das österreichische St.-Georgs-Kolleg in Istanbul, wo er Deutsch lernte. 1980 kam Sariciftci nach Wien und studierte Physik. In den frühen 1990er-Jahren führte ihn sein Weg ans Institut für Polymere und organische Festkörper im kalifornischen Santa Barbara. Hier arbeitete er mit dem späteren Nobelpreisträger Alan Heeger an der Entwicklung von Halbleitern auf Polymerbasis - im Volksmund gerne "Plastikelektronik“ genannt. Zurück in Österreich gründete Sariciftci an der JKU das Institut für organische Solarzellen (LIOS). Es zählt heute zu den führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der organischen Halbleiter. Zu den Vorteilen von organischen Solarzellen gehört, dass sie günstig mittels herkömmlicher Drucktechniken hergestellt werden können. Zudem sind sie flexibel, was Anwendungen wie biegbare Fotovoltaikmodule ermöglicht. In den vergangenen Jahren hat sich Sariciftcis Forschungsschwerpunkt auf die Speicherung von Sonnenenergie verlagert. Aus Sonnenlicht und CO2 will er chemische Brennstoffe herstellen, etwa künstliches Benzin oder Erdgas. "Die grünen Pflanzen betreiben seit 3,4 Milliarden Jahren Energieumwandlung“, sagt der Preisträger. "Wenn es gelingt, dieses perfekte biologische Prinzip nachzubilden, brauchen wir uns nicht wegen Erdöl die Köpfe einzuschlagen.“

Schon mehrfach musste die Linzer Universität um den Verbleib ihres Aushängeschildes Sariciftci zittern. Zuletzt Ende 2011, als sich gleich fünf internationale Universitäten um den Top-Forscher rissen. Doch schließlich gelang es, die nötigen Mittel aufzustellen, um Sariciftci auch in Zukunft das dem Niveau seiner Forschung angemessene Umfeld zu bieten. "Die Ökonomisierung der Forschung ist allgegenwärtig, aber nicht immer gut“, sagt der Grundlagenforscher. "Man sollte dem freien Geist und der menschlichen Kreativität mehr vertrauen als den Märkten.“ Zugleich verschließt sich Sariciftci nicht möglichen Anwendungen seiner Arbeit. Ganz im Gegenteil. So gehen auf seine Initiative bereits sieben Firmengründungen von ehemaligen Mitarbeitern zurück. Trotz seiner wissenschaftlichen Reputation ist Sariciftci ein bescheidener Mensch geblieben: "Ich möchte mit meiner Forschung der Menschheit einen Beitrag zurückgeben.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung