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Der Ultraschall in der Medizin

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Der Ultraschall fand in den letzten Jahren in der Physik, Technik, Biologie und Medizin steigende Beachtung. Der Grund dafür ist vor allem in der Tatsache zu suchen, daß man mit ihm physikalische und biologische und andere bedeutende Effekte erzielen konnte, die sonst mit keinen anderen Mitteln zu erreichen waren.

Was ist Ultraschall? Betrachten wir eine Gegenüberstellung des elektromagnetischen Spektrums mit dem Spektrum der Schallschwingungen. Beide Spektren sind nach der Frequenz beziehungsweise Wellenlänge geordnet. Vom Bereich des Infrarot ausgehend, gelangen wir über das sichtbare Spektrum zum Ultraviolett, vom Bereich des Infraschalls ausgehend über das Hörbereich zum Ultraschall. Man erkennt sofort, daß dem für das Auge nicht mehr sichtbaren Gebiet des Ultravioletts das dem Ohr nicht mehr hörbare Gebiet des Ultraschalls entspricht. Im ersten Fall sind die Lichtwellenlängen zu klein (Lichtfrequenz zu hoch), um vom Auge als Licht gesehen zu werden, im zweiten Falle sind die Schallwellen zu klein (Schallfrequenz zu hoch), um vom Ohr als Schall gehört zu werden. Diese Grenzen, die nicht scharf zu ziehen sind, stellen demnach keine physikalische, sondern nur eine physiologische Grenze dar. Weitergehende Verschiebungen dieser Grenzen zeigen sich bei den Sinnesorganen mancher Tiere. So ist zum Beispiel das für die Bienen sichtbare Spektrum nach dem Ultravioletten verschoben — sie sehen kein Rot, dafür aber Ultraviolett — und bei den Fledermäusen nach dem Ultraschall hin verschoben — sie hören auch Ultraschall. Die Grenze im Schallspektrum, oberhalb derer man vom Ultraschall spricht, kann man, der oberen Grenze des menschlichen Hörvermögens entsprechend, bei einer Schallwellenlänge in Luft von etwa 1,6 cm (20.000 Schwingungen pro Se-kende) festsetzen. Die Gebiete des Spektrums gehen natürlich ineinander über und der ganzen Einteilung ist eine gewisse Willkür nicht abzusprechen.

Wegen seiner geringen Absorption in Flüssigkeiten und festen Körpern und seiner hohen Absorption in Gasen sind für die Ultraschallforschung hauptsächlich die beiden ersten Medien von Bedeutung. Die Ausbreitung des Ultraschalls findet in diesen Medien mit nur geringen Verlusten an Schallenergie über größere Strecken statt. Allerdings gilt dies nur für die niederen Ultraschallfrequenzen, denn mit immer höher werdenden Frequenzen beziehungsweise kleiner werdenden Wellenlängen wird die Ausbreitung des Ultraschalls immer ungünstiger.

Wie erzeugt man nun Ultraschall? Die Erzeugung des Hörschalls ist hinreichend bekannt. Die Membrame der Radiolautsprecher schwingen hei allen möglichen Frequenzen des Hörbereiches, für immer höher werdende Frequenzen sind diese jedoch bald nicht mehr geeignet, denn sie sind zu träge, um den schnellsten Schwingungen folgen zu können. Es gilt also, bei der Erzeugung von Ultraschall, Körper in Schwingungen zu versetzen, die auch den schnellsten Schwingungen -noch folgen können, um dadurch ihre Schwingungen an das sie umgebende Medium abzugeben. Am besten dafür eigneten sich nun unter anderen Quarzkristallplatten, die man auf Grund eines von den Gebrüdern Curie 1880 entdeckten elektrischen Effekts, dem Piezoeffekt, zu hochfrequenten Schwingungen anregen konnte. Es hatte sich herausgestellt, daß, wenn man eine Quarzplatte bestimmten Schnittes mechanisch zusammendrückte, sich ihre Oberfläche elektrisch auflud, und zwar wechselten bei Kompression und Dilatation die Ladungen ihr Vorzeichen. Es zeigte sich auch der umgekehrte Effekt. Wenn man wechselnd Ladungen verschiedenen Vorzeichens auf die gegenüberliegenden Plattenoberflächen brachte, dehnte sich die Quarzplatte in der einen Phase aus und zog sich in der anderen zusammen. Brachte man eine solche Platte in ein elektrisches Wechselfeld, so wurde die Platte in Schwingungen von der Wechselfrequenz versetzt und diese wurden besonders stark, wenn Resonanz zwischen der elektrischen Wechselfrequenz und der durch die Plattendicke vorgegebenen mechanischen Eigenfrequenz eintrat. In dieser Weise konnte man verschieden dicke Quarzplatten bei höchsten Frequenzen zu Schwingungen anregen und die schwingende Oberfläche gab diese an das umgebende Medium weiter und erzeugte so in diesem Ultraschall. Die Wellenlänge dieser Ultraschallwellen war um so kleiner, je höher die Frequenz war, die Schallstärke um so größer, je höher die elektrische Wechsel-Spannung am Quarz gehalten wurde. Man konnte auf diese Weise Schallfrequenzen bis zu etwa 500 Millionen Schwingungen pro Sekunde erzeugen.

Wie kommt es zur Anwendung des Ultraschalls in der Medizin? Um zu begründen, warum man gerade Ultraschall in der Medizin anwendet, seien einige physikalische Wirkungen dieser hochfrequenten Schallwellen angeführt. Was geht in einer Ultraschallwelle vor sich, wenn sie durch ein Medium läuft? Einige Daten bei der in der Therapie meist verwendeten Frequenz von 800 kHz (800.000 Schwingungen in der Sekunde) seien für den Schalldurchgang durch menschliches Gewebe gegeben. Bei einer Schallstärke von 4 Watt pro Quadratzentimeter (medizinische Höchstdosis) beträgt die Schwingungsweite (Amplitude) der Mediumteilchen im Schallfeld nur 0,4 tausendstel Millimeter, also nur 10 bis 100 Moleküldurchmesser. Dieser kleine Weg wird von einem Teilchen in der Zeit von 0,3 millionstel Sekunde zurückgelegt, bei einer maximalen Geschwindigkeit von 22,4 cm pro Sekunde. Der in einer Sekunde 800.000mal wechselnde über- und Unterdruck (Schallwechseldruck) beträgt das Drei- bis Vierfache des atmosphärischen Luftdruckes. Die Beschleunigung, das ist die Geschwindigkeitsänderung, welche die einzelnen Mediumteilchen erfahren, beträgt das Hunderttausendfache der Erdbeschleunigung. Man kann sich auf Grund dieser Daten leicht vorstellen, daß diese bedeutenden Effekte die mannigfaltigsten Wirkungen im menschlichen Gewebe hervorrufen müssen, Wirkungen, die sonst auf keine andere Weise zu erzielen sind. Die primäre Wirkung von Ultraschall spaltet sich wesentlich in eine rein mechanische und in eine thermische auf. Es kommen aber noch sekundäre, meist chemische Wirkungen hinzu. Die mechanische Wirkung, die eine Art Mikromassage darstellt, kann äußerst komplexe Effekte im Gewebe zur Folge haben, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden kann. Die thermischen Effekte kommen durch die Absorption der Schallenergie und ihrer Verwandlung in Wärme zustande. Die entstandene Wärme hat wiederum eine Temperaturerhöhung zur Folge, die lokale Fieber darstellt.

Es ist ersichtlich, wie wichtig die Kenntnis der physikalischen Vorgänge für den mit Ultraschall arbeitenden Arzt ist, damit er sich ein Urteil bilden könne, bei welchen Behandlungen Ultraschall wohl mit Erfolg angewendet werden kann. Freilich steht die Erforschung der biologischen Wirkungen des Ultraschalls noch im Entwicklungsstadium. Die meisten Erfahrungen mußten ohne genauere Kenntnis der Einzelvorgänge experimentell bei Tierversuchen gewonnen werden. Es kann gesagt werden, daß da schon sehr viel geschehen ist und sich aus den Forschungsergebnissen eine moderne Therapie entwickelt hat, die allen anderen physikalischen Behandlungen sich an die Seite stellen kann.

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