"Der Vergleich ist unfair"

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Karl Steininger, Klimaökonom am Wegener Zentrum für Klima und Globalen Wandel, "schmerzt" Björn Lomborgs verzerrende Darstellung der internationalen Klimapolitik.

Die Furche: Herr Professor, wenn Sie ein Buch über den Klimawandel schrieben, würden Sie - wie Björn Lomborg - auch mit einem Kapitel über Eisbären beginnen?

Karl Steininger: Natürlich ist das bloß ein winziger Aspekt, aber offenbar lässt sich das Thema Erd-erwärmung so sehr gut transportieren. Das Aussterben von großen Tieren bewegt die Menschen. Dass Lomborg diese Mediengeschichte gleich zu Beginn attackiert, ist ein kluger Zug - und wohl auch richtig. Aber Ähnliches ließe sich über Gletscher-Bilder sagen …

Die Furche: Was ist mit denen?

Steininger: Oft werden Bilder aus dem 19. Jahrhundert herangezogen. Und wir wissen, dass um 1860 die Ausdehnung der Gletscher am größten war. Der Unterschied mit Heute ist deshalb besonders augenfällig. Teilweise ist der Rückzug natürlich. Doch gerade in den letzten Jahrzehnten haben die Gletscher sehr viel Eis verloren - und die Ursache ist der Mensch. Daran gibt es keinen Zweifel.

Die Furche: Auch Lomborg akzeptiert mittlerweile den vom Menschen gemachten Klimawandel. Doch er entdeckt positive Seiten: Etwa rechnet er vor, dass in Zukunft in Europa zwar die Zahl der Hitzetoten steigen wird, gleichzeitig aber sehr viel weniger Menschen erfrieren werden.

Steininger: Dass er sich hier auf Europa beschränkt, ist bezeichnend. Auch darf man nicht nur die Hitze- und Kältetoten berücksichtigen, sondern muss etwa auch die Opfer von Dürren einbeziehen. Insgesamt und global gesehen, wird die Zahl der Menschen, die durch den Klimawandel umkommen, jedenfalls zunehmen.

Die Furche: Doch was kann man tun? Das Kyoto-Protokoll bringt - so Lomborg - fast nichts und ist sehr teuer. Mit dem gleichen Geld könnte hingegen der Welthunger, Malaria oder HIV erfolgreich bekämpft werden …

Steininger: Tatsächlich ließe sich mit einem relativ geringen Aufwand sehr viel erreichen - zum Beispiel bei Malaria. Da hat Lomborg Recht. Und: Wir wissen das schon lange. De facto passiert aber nichts. Wir müssen uns fragen, warum. Den Vergleich mit dem Klimawandel halte ich jedoch für unfair.

Die Furche: Wieso?

Steininger: Weil Lomborg ein sehr spezielles Szenario des Klimaschutzes entwickelt, das völlig ineffizient ist und das sonst niemand vertritt. Konkret berücksichtigt er die Entwicklungen in den Entwicklungsländern nicht. Diese können von Anfang an viel einsparen, wenn sie jetzt keine Kohlekraftwerke bauen, sondern auf erneuerbare Energien setzen, wenn sie anstatt in Autos in andere Transportmittel investieren etc. Dann schreibt er die fünfprozentige CO2-Reduktion, die das Kyoto-Protokoll vorsieht, einfach bis 2100 fort. Natürlich müssen wir sehr viel mehr einsparen. Kalifornien etwa will bis 2050 eine Reduktion von acht Prozent erreichen. Erst damit vermeiden wir die großen Klimafolgeschäden.

Die Furche: Und England will bis 2050 sechzig Prozent einsparen. Darüber macht sich Lomborg lustig. Denn für das Image eines Politikers ist eine solche Ansage toll, an den Resultaten gemessen wird er aber sicher nicht mehr.

Steininger: Wenn man nur von einer Wahl bis zur nächsten denkt, ist das ein ernsthaftes Problem. Die Klimapolitik braucht einen langfristigen Pfad. Dabei lassen sich heute schon Akzente setzen: Wenn man etwa der Industrie in Sachen Umweltschutz klare Vorgaben macht und ihr genügend Zeit gibt, sich darauf einzustellen, lässt sich viel gewinnen. Auch entsprechende Forschungsprojekte müssen gefördert werden. Was auch Lomborg fordert - durchaus zu Recht.

Das Gespräch führte Thomas Mündle.

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