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Der Wald zwischen zwei Feuern

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Die alte Monarchie besaß in Böhmen und in den Karpaten, in der Bukowina und in Bosnien einen Waldreichtum, der ein Wirtschaften aus dem vollen und in der Gesetzgebung eine Beschränkung auf Richtlinien ermöglichte. Ein einheitliches und für das ganze Reich gültiges Gesetzeswerk, das Reichsforstgesetz, gab diese Richtlinien, durch Landesforstgesetze ergänzt, die den Besonderheiten der Kronländer Rechnung trugen. Den Vollzug des Forstrechtes und die Forstaufsicht besorgten Forstbeamte des Gesamtstaates, was wiederum die Einheitlichkeit auch bei der Anwendung der Landesforstgesetze stärkte.

Nach 1918…

1918 gingen dem heutigen Österreich, das bisher auf seine Wälder wegen des Waldreichtums der Monarchie nicht so angewiesen war, die waldreichen Kronländer verloren. Gleichzeitig setzte ein Run auf das Holz ein, und die Abstockangsver- träge ausländischer Firmen in Österreich waren zahllos. Die Sanierung des Reststaates Österreich erfolgte zu einem erheblichen Teil zu Lasten des Waldes, wofür die Verpfändung der Wälder der österreichischen Bundesforste für die Völkerbundanleihe ein Beweis ist. Die rechtspolitische Folgerung utis der Verknappung dei gleich-- zditig wertvoller werdenden Rohstoffes r Holz wär. daß der Gesamtstaat das Forstwesen sich in der Gesetzgebung ausschließlich vorbehielt. Diese Maßnahme mußte um so notwendiger erscheinen, als die gleichzeitige Änderung in der Organisation der allgemeinen Verwaltung die Ausübung der Forstaufsicht nicht mehr durch Bundes-, sondern durch Landesbeamte besorgen ließ. Damit entfiel die Diensthoheit für den Bund, und hätte er sich nicht als Ausgleich das Forstwesen zur Gänze Vorbehalten, er wäre ohne jeden Einfluß auf die Forstwirtschaft geblieben, die sich für das kleine Österreich eben so wertvoll gezeigt hatte.

Diese wohlbegründete Entwicklung der Forstrechtskompetenz soll nun heute geändert werden.

In die Kompetenz der Länder?

Der Wunsch, das Forstrecht in die Gesetzgebung der Bundesländer zu übertragen und dem Bund nur eine Grundsatzgesetzgebung zuzubilligen, wird mehrfach begründet. Einmal solle es ein Ersatz für andere verlorengegangene Kompetenzen der Länder sein, weiter wird darin eine Verwaltungsvereinfachung gesehen, weil die Landesgesetzgebung sich besser der geographischen und klimatischen Eigenart der Bundesländer anpassen könne, die auch der Bundesgesetzgeber berücksichtigen müsse, und außerdem Sei der Bund auf dem Gebiete des Forstrechtes jahrzehntelang untätig geblieben und wolle im Forstrechtsbereinigungsgesetz nur Teilgebiete regeln. Ein ernster Wille zu einem modernen Forstrecht sei daher nicht festzustellen.

Ersatz für verlorene Rechte?

Daß die Bundesländer einen Ersatz für Verlorengegangene Kompetenzen suchen, ist aii sich verständlich. Dies allein kann aber kein Grund für die Kompetenzänderung sein, wenn nicht sachliche Argumente ebenfalls dafür sprechen, denn dafür ist die Bedeutung der Forstwirtschaft für den Gesamtstaat zu groß.

Ein solches sachliches Argument könnte nun eine Verwaltungsvereinfachung sein. Die Bundesländer haben einen Entwurf für ein Grundsatzgesetz ausgearbeitet, auf dem nunmehr neun Landesgesetze mit mehr oder weniger Änderungen aufbauen sollen. Es sind also zehn Gesetze mit den unvermeidbaren Beratungen hierzu, dem Begutachtungsverfahren und der Gesetzwer- dung in der gesetzgebenden Körperschaft notwendig. Aber auch diese Landesgesetze werden der Verschiedenheit des Landschaftscharakters Rechnung tragen müssen, wenn zum Beispiel in der Steiermark die Waldbewirtschaftung der Südsteiermark oder des Gesäuses zu regeln ist. Diese erwähnten Verschiedenheiten sind wohl nicht wesentlich kleiner als ‘ene zwischen dem Burgenland und den westliehen Alpenländern. Einzelheiten aus diesem Entwurf sind bereits bekannt geworden. So soll, wie bisher, für Wälder bestimmter Größe Fachpersonal bestellt werden. Die fachliche Eignung dieses Personals ist durch eine Prüfung — ebenfalls wie bisher — festzustellen, doch soll diese Prüfung künftig nur für das jeweilige Bundesland gelten. Geht ein Waldbesitz über ein Bundesland hinaus, so hat daher das dortige Forstpersonal zwei Prüfungen, für jedes Bundesland gesondert, abzulegen. In einer Zeit, da die Unterrichtsminister der europäischen Länder eine gemeinsame schulische Ausbildung der Akademiker anstreben, um ihre Austauschbarkeit zu erhöhen, mutet dieser Weg wohl merkwürdig an. Daß in einem anderen Paragraphen die Bewaffnung der für die Überwachung der Wälder bestellten Amtsorgane vorgesehen ist und ihnen so wie öffentlichen Wachen ein Waffengebrauchsrecht zusteht, ist ebenfalls schwer verständlich. Gutgeheißen kann aber diese Entwicklung keinesfalls werden, denn sie gibt — mit neun verschiedenen Fachprüfungen — weder eine Verwaltungsvereinfachung noch bringt sie jenes lebendige Recht, das unserer Zeit vielfach mangelt.

Der „nachlässige” Bund

Das letzte Argument für die Verlängerung des Forstrechtes war, daß der Bund bisher das Forstrecht vernachlässigt habe und auch jetzt nur Teile desselben regle. Die Verhandlungen zu forstgesetzlichen Regelungen sind — anscheinend dem langsamen Wachstum der Wälder angepaßt — immer langwierig. Das Reichsforstgesetz 1852 brauchte etwa zehn Jahre zur Gesetzwerdung, und gleich nach dieser begannen die Reformierungswünsche, die mit geringen Pausen bis heute andauern und eben zum umstrittenen Forstrechtsbereinigungsgesetz geführt haben. Vor diesem war etwa vor Jahresfrist ein Forstsaatgutgesetz beschlossen worden, und wieder vorher, 1956, war ein umfassendes Forstgesetz an der Auflösung des National- räte’s,’gescheitert. Die Benfühüngen um eine Neufassung des Forstrechtes sind also Vorhänden, Sie sind ‘Schwierig und langwierig, weil kaum ein anderes Wirtschaftsgebiet seinem Wirtschaftszweig so viele Beschränkungen auferlegt, und sie scheiterten eben mitunter an der Kurzfristigkeit unseres parlamentarischen Lebens. Nunmehr die Kompetenz zu ändern, um rasch zu überstürzten Gesetzen zu kommen, mag unserer Zeit der Gesetzesnovellen entsprechen. Es trägt aber nicht dem langen Produktiouszeitraum der Forstwirtschaft und ihrer Bedeutung für den Gesamtstaat in landeskultureller und volkswirtschaftlicher Beziehung Rechnung. und keinesfalls kann diese Absicht der Länder nun als berechtigt angesehen werden, wo der erste Teil der Forstrechtserneuerung mit dem Forstrechtsbereinigungsgesetz im Parlament vorliegt und die Beratungen zum abschließenden Teil desselben bereits an- laufen. Die Walderhaltung und Waldbewirtschaftung ist in mancher Beziehung die Sache aller Staatsbürger, weil Fehler in der Waldwirtschaft in einem Bundesland Wasserhaushalt, Witterung und finanzielle Leistungskraft der anderen mitbeeinflußt. Die Waldbewirtschaftung wird in diesem Entwurf zu einem Forstgrundsatzgesetz der Bundesländer ebenfalls bereits geregelt, während es der Bundesgesetzgeber dem abschließenden Teil der Forstrechtserneuerung überlassen hat, diese schwierige Materie zu regeln. Die Beschränkung der Waldnutzung, der entscheidende Punkt für die Waldbewirtschaftung, ist aber im Entwurf der Länder, wie manches andere, eine Kannbestimmung, die die Bundesländer demnach nicht verpflichtend festlegt. Der Gesamtstaat hat jedenfalls nach diesem Grundsatzgesetzentwurf keine Möglichkeit mehr, Vorschriften zu erlassen, er kann allenfalls nach Hochwasser- oder Lawinenschäden die Schadensgutmachung aus Steuermitteln übernehmen oder bezuschussen.

Auf diese Konsequenz muß die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht werden. Es wird der Nationalrat, wenn die Bundesländer auf ihrem Verlangen nach Verlängerung des Forstrechtes beharren, zu entscheiden haben, ob das Forstwesen, in vielfacher Beziehung ein Anliegen aller Staatsbürger, nicht mehr seiner Obsorge bedarf.

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