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Der Wolf ist des Wolfes Mensch

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In Europas größtem Wolfsgehege kann das komplexe Sozialverhalten jener wenig geliebten Tiere beobachtet werden.

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In Europas größtem Wolfsgehege kann das komplexe Sozialverhalten jener wenig geliebten Tiere beobachtet werden.

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Wölfe wurden sowohl in Europa als auch in Nordamerika seit jeher gnadenlos verfolgt, und auch heute macht ihnen ihr zu Unrecht erworbener Buf als blutrünstige Monster das Überleben schwer”, erklärt die Zoologin Julia Lüning-Krizan. Trotz aller „Horrormärchen wie das so bekannte Bot-käppchen” (Lüning-Krizan) und aller Ausrottungsversuche haben einzelne Wolfspopulationen auch in Europa überlebt. In der Slowakei und der Ukraine leben zurückgezogen Budel des Timberwolfes; in der polnischen Woiwodschaft Krosno haben sich seit Jahresbeginn Wölfe 230 Schafe und zwei Kühe geholt. Nur die in den unwirtlichen Polarregionen beheimateten Polarwölfe blieben weitestgehend von der Nachstellung durch den Menschen verschont.

Der Tierpark Herberstein in der Steiermark hat in diesem Jahr Europas größtes Wolfsgehege eröffnet, wo die scheuen Tiere - die laut Experten den Menschen, ihren einzigen Feind, meiden so gut es geht - beobachtet werden können. Unterirdische Gänge in das 2,3 Hektar große Areal erlauben ein hautnahes Erleben. Einseitig beschichtetes Glas verhindert, daß man selbst von den Tieren entdeckt wird. Da es fast unmöglich sei, in freier Wildbahn lebende Wölfe und deren Verhalten zu erforschen, sei es sehr hilfreich, sie in Gefangenschaft zu studieren, meint Lüning-Krizan.

Ein Wolf kann bis zu 85 Kilogramm auf die Waage bringen und etwa eine Tonne Fleisch pro Jahr verzehren. Wölfe leben in Budein, einem mehr oder weniger stabilen Sozial-verband. In jedem Budel gibt es zwei Bangordnungen: eine für die Weibchen und eine für die Buden. Normalerweise pflanzen sich nur die beiden jeweils ranghöchsten Tiere fort. An der Aufzucht des Nachwuchses -ebenso wie an der Nahrungsbeschaffung beteiligen sich alle Mitglieder des Budels. Im Alter von einem Jahr gliedern sich die Jungen in die Rudelhierarchie ein, die durch Dominanz- sowie Unterwerfungsrituale und auch durch oft ernsthafte Kämpfe festgelegt wird.

Vor allem im Herbst verlassen einzelne Wölfe ihr Budel und machen sich auf die Suche nach einer anderen Gruppe von Wölfen oder einem Paarungspartner. Diese Einzelgänger legen oft enorme Strecken zurück, nicht selten sterben sie an Unterernährung oder bei Kämpfen mit anderen Wölfen, deren Gebiete sie durchwandern.

Wölfe verfügen über ein hochkomplexes Kommunikationssystem. Bei direktem Kontakt läuft die Verständigung visuell, über Körperhaltung und Mimik, ab. Auch die olfaktorische Verständigung spielt eine große Bolle: Ein einzeln umherziehender Wolf erkennt allein am Geruch von Kot und Urin das ■ Herrscherpaar über jenes Bevier, das er gerade durchwandert. Im Tierpark Herberstein läuft derzeit ein Forschungsprojekt, das sich mit dem Geruchssinn jener Tiere auseinandersetzt, die einst neben dem Menschen die am weitesten verbreiteten Säugetiere waren.

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