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Dialog mit der Wissenschaft

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EINFACHE UND KLARE FORMGESTALTUNG, Zweckmäßigkeit gepaart mit Formschönheit und eine lautlose, von Wissenschaft und Forschung nahezu gesättigte Atmosphäre — das ist der äußere Eindruck, den der Besucher im „Institut für höhere Studien und wissenschaftliche Forschung“ (Ford-Institut) gewinnt.

Dahinter jedoch verbirgt sich Wesentlicheres. Eine seltene und auf österreichischem Boden einmalige Kombination der drei Hauptfächer Ökonomie, Politikwissenschaften und Soziologie nebst beigeordneten For-

maiwissenschaften (wissenschaftliche Methodik, Statistik, angewandte Mathematik); letztere sind jedoch vor allem als Forschungsmittel für die Hauptdisziplinen gedacht,

Gegenstand der Forschungen im großen betrachtet ist das allgemeine gesellschaftliche Geschehen. Es soll in seinen Auswirkungen erkannt und entsprechend beeinflußt werden. Wobei der Schwerpunkt bei sämtlichen Forschungsprojekten auf empirischer Forschung unter Zuhilfenahme quantitativer Verfahren liegt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die umfangreiche Rechenanlage, welche den Hörern für ihre Studien zur Verfügung steht und auf die noch näher eingegangen werden wird.

Das Institut wurde 1963 unter einem Kuratorium, welchem neben Prof. Dr. Reinhard Karnitz, Doktor Bruno Kreisky, Prof. Dr. Frederick Burkhardt, Dr. Heinrich Drimmel und DDr. Franz Josef Mayer Gunt-hof auch noch Dr. Wilhelm Rosenzweig und Bürgermeister Jonas angehörten, gegründet. Subventionen bezieht es zu zwei Dritteln von der Ford-Stiftung (USA) und zu einem Drittel von der österreichischen Bundesregierung (Unterrichtsministerium). Die Bestrebungen gehen alerdings dahin, für den Gesamtbetrag von österreichischer Seite aufzukommen. Ursprünglich im Neuen Instiitutsgebäude, Nähe Universität untergebracht, bezog es 1964 sein neues Domizil im 6. Wiener Gemeindebezirk in der Stumpergasse.

HÖRER UND HÖRERINNEN sind ausschließlich bereits Träger

eines akademischen Grades. Denn Aufgabe und Zweck des Instituts besteht in der Möglichkeit einer Fortbildung nach abgeschlossenem Hochschulstudium. Die etwa dreißig ordentlichen Hörer und 15 bis 20 Gasthörer setzen sich vor allem aus Absolventen der Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Volkswirtschaftslehre, Geschichte, Staatswissenschaft und Jus zusammen. Junge Doktoren anderer Fächer werden nur in Ausnahmefällen zugelassen. Zwölf bis 15 Assistenten und acht wissenschaftliche Mitarbeiter gehen ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit

nach. Wobei mit Lehrtätigkeit die Grundvorlesungen zwecks besserer Verständlichmachung der folgenden und in komprimierter Form abgehaltenen Vorlesungen der Gastprofessoren gemeint sind, während sich . die Forschungstätigkeit vor allem auf das in Teamarbeit und unter Mitwirkung der höherseme-strigen Hörer der einzelnen Abteilungen ausgearbeitete Forschungsprogramm bezieht. Die Professoren, die hier für die Dauer von einem Monat bis zu einem Semester ihre Vorlesungen abhalten, stammen allerdings nicht aus Österreich, sondern alle aus dem Ausland.

So hat das Sommersemester 1967 mit seinen insgesamt 13 Gastprofessoren unter anderem folgende

Namen und Themen zu bieten: R. Selten (Frankfurt) „Ausgewählte Probleme der Preistheorie“ und „Spieltheorie“; G. Botnbach (Basel) „Empirische Wirtschaftsforschung“; C. C. v. Weiszäcker (Heidelberg) „Neue Beiträge zur Theorie des optimalen Wachstums“; A. Ranney (Wisconsin) „Western Democratic

Political Parties“ und „Leadership ||| Recruatment“; J. Coleman (Baltimore) „Datenanalyse“; E. Foxley (Nottingham) „Numerische Mathematik“.

DIE DAUER DER AUSBILDUNG beträgt zwei Jahre. Um aufgenommen zu werden, müssen die Bewerber eine Prüfung ablegen, welche die Beherrschung des für Realgymnasien vorgeschriebenen Mathematikstoffes, Kenntnisse in Statistik, Soziologie, Methodenlehre und den jeweiligen Anwendungsgebieten, darüber hinaus Grundkenntnisse in Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und eine weitgehende Beherrschung einer Fremdsprache, und zwar der englischen verlangt.

Hat der Bewerber diesen Anforderungen entsprochen und wurde er somit in den Stab wissenschaftlicher Arbeiter aufgenommen, erwartet ihn ein weiteres umfangreiches und persönlichen Einsatz erforderndes Programm. 16 Wochenstunden sind allein der Vorlesungs- und Übungstätigkeit vorbehalten. Dazu kommt noch die Vorbereitungszeit für die jeweiligen Übungsaufgaben. Im 2. Semester beginnt der Hörer dann entweder in Einzelarbeiten oder in Seminargemeinschaften ein kleines Forschungsprojekt der Assistenten auszuarbeiten. In den höheren Semestern wird er bereits mit einem eigenen Detailgebiet betraut. Rechnet man dies alles zusammen, ergeben sich insgesamt etwa 40 Wochenstunden.

Am intensivsten befaßt sich die ökonomische Abteilung mit der Ausarbeitung von Projekten. Wobei in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „Ökonometrie“ vielleicht passender erscheint, weil sie vor allem zahlenmäßig faßbare Fakten und Geschehnisse behandelt und es ihr somit um genau präzisierte, in ihren Zusammenhängen genau erkennbare Feststellungen geht. Augenblicklich wird hier unter anderem ein Voraussagemodell für die österreichische Wirtschaft ausgearbeitet und ein Experimentierprojekt über Spieltheorie. Letztere meint eine Untersuchung des Verhaltens der jeweiligen Verhandlungspartner.

In Soziologie wird das Krankenschwesternnachwuchs-Problem behandelt, die Altenfürsorge und die Laiengerichtsbarkeit.

Und in Politikwissenschaft beschäftigt man sich mit der Herausgabe des „WaMhandtouches“, 4. Band, welches von Prof. Elau begonnen worden war. Eine Untersuchung über die Zusammensetzung von Gemeinderäten wurde in Angriff genommen.

SÄMTLICHE PROJEKTE WERDEN mit Hilfe der Rechenanlage

ausgearbeitet. Sie ist die erste in Österreich, die speziell der sozial-vvissenschafüichen Forschung gewidmet ist und sich außerdem den „Luxus“ leistet, im Lehrbetrieb eingebaut zu sein. Hier können komplizierte Rechnungen, zu deren Ausführung das menschliche Gehirn Tausende von Stunden benötigen

würde, in wenigen Minuten durchgeführt werden.

Wenn man sich beispielsweise vorstellt, daß ein Schnelldrucker dieser Anlage bei einer Zeilenlänge von 120 Buchstaben- (oder Ziffern) 150 Zeilen in der Minute druckt oder in einer Sekunde 5000 Additionen zehnstelfliger Zahlen durchführt, bekommt man ein ungefähres Bild der Leistungsfähigkeit dieses Elektronenrechners.

Interessante Aspekte ergeben sich durch die in letzter Zeit in Angriff genommenen Inhaltsanalysen. Diese in den USA bereits voll entwickelten Methoden haben auf dem Kontinent noch wenig oder gar keine Nachahmung gefunden. Der Vorgang dabei ist ungefähr folgender: Es werden bestimmten Wörtern bestimmte Werte zugerechnet, diese aus einem Text von bestimmter Länge ausgesucht, zahlenmäßig geordnet und je nach Vorhaindensein Rückschlüsse auf das Niveau des Textes gezogen. Der Vorteil, der sich aus dieser Methode ergibt besteht in einer objektiven Wertschätzung, welche die rein subjektive Beurteilung ablöst. Da die Anlage in ihrem Bestehen möglichst gerechtfertigt werden soll, wurde auch anderen Instituten die Möglichkeit gegeben, hier Berechnungen durchzuführen.

UM DEN INTERNATIONALEN AUSTAUSCH, der schon durch die Einladung der Gastprofessoren eingeleitet wurde, weiter zu intensivieren, werden außerdem von Zeit zu Zeit internationale Konferenzen abgehalten, auf denen im streng wissenschaftlichen Rahmen die jeweiligen Probleme zur Sprache gelangen.

Die Betonung hat deshalb auf „wissenschaftlich“ zu liegen, weil ideologischen Ansichten dabei keinerlei Bedeutung zukommt. Dieses stillschweigende Ubereinkommen wird vor allem bei den Ost-West-Zusammenkünften beachtet, welche in letzter Zeit angestrebt wurden.

So wurde bereits Ende Jänner dieses Jahres eine Konferenz abgehalten, welcher neben Vertretern aus den USA und Deutschland auch noch solche der Tschechoslowakei, Ungarns und Jugoslawiens beiwohnten und wobei Fragen über die Verwendung von Rechenanlagen in den Sozialwissenschaften und über die Behandlung technischer Probleme aus Makro- und MikroÖkonomie behandelt wurden. Eine weitere Arbeitskonferenz über „ökonomische Modelle“, vor allem über die Spieltheorie fand Ende Juni unter Beteiligung von Ökonomen und Soziologen aus den USA, England, Israel, Belgien, DeutsicMand und den Ostblockstaaten statt.

Auch innerhalb Österreichs Grenzen wird der Kontakt zwischen den einzelnen Institutionen aufrechterhalten. Wie etwa auf der vor einem Jahr stattgefundenen Konferenz für angewandte Soziologie, bei der sich auch Teilnehmer des Rundfunks, der Sozialfürsorge, Ärzte und Wirt-schafitsuntemehmer über Probleme und allfällige Verbesserungsvorschläge unterhielten.

SCHLICHT UND MODERN GEGLIEDERT schließt sich das dreistöckige Gebäude um einen weiträumigen Autoparkplatz. Jeder Gastprofessor besitzt seinen eigenen Arbeitsraum, während die Assistenten meist zu zweit, die Hörer jedoch bis zu dritt in einem Zimmer untergebracht sind.

Drei Hörsäle und ein Seminarraum dienen mit ihren besonders konstruierten Stühlen (die rechte, verbreiterte Sessellenne ist als Unterlage für eventuelle Aufzeichnungen gedacht) den Vorlesungen und Übungen, Dazu kommen noch ein Konferenzzimmer, ein Sitzungsraum und ein Sprechzimmer. Die sogenannte „Stube“ lädt jeden Angehörigen des Institutes — ob Professor, Assistent, Hörer oder Gast — täglich um 10.30 Uhr zu einer Kaffeepause mit Bäckereien ein.

Die Bibliothek mit StaWrehrrega-len umfaßt an die 15.000 Bände. Im anschließenden Leseraum liegt neben Zeitschriften und Büchern, die für die im Augenblick abgehaltenen Seminare benötigt werden, einschlägige Fachliteratur auf. Abschließend sei noch die bereits besprochene Rechenanlage erwähnt, welche eine zentrale Recheneinheit umfaßt, den Kemspeicber, eine Eingabeeinheit, zwei externe Speicheranlagen und eine Ausgabeeinheit.

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