6594244-1952_46_15.jpg
Digital In Arbeit

Die Bedeutung der Ennskraftwerke in der Energiewirtschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Für Österreich, dem energiewirtschaftligh wohl wichtigsten unter den am Alpenhauptkamm gelegenen Ländern, wird das mögliche Aufkommen der verwertbaren Energie aus Wasserkraft auf rund 40 Müliarden kWh Jahr geschätzt, von denen laut Statistik des Bundes- lastverteilers im Jahre 1951 erst rund 5700 Millionen kWh ausgenützt waren. Die allein in Österreich noch vorhandenen natürlichen Energiereserven sind also leicht ausreichend, um nicht nur den Bedarf an elektrisdier Arbeit und Leistung des Inlandes, sohdern auch weiter Gebiete des Auslandes zu decken.

Der Ausbau nur einzelner, besonders günstig gelegener Gefällstulen, wie dies früher geschah, müßte als Raubbau an dem Naturschutz Wasser angesehen werden. Diese Er- kenntnis führt dazu, daß heute nicht nur einzelne Gefällstufen für sich untersucht und geplant werden, sondern daß diese im Zusammenhang mit allen sich bietenden Möglichkeiten eines ganzen Flußsystems betrachtet werden müssen. Es gibt somit heute keine

Einzellösungen mehr, sondern nur Lösungen im Rahmen einer Gesamtplammg.

Es erübrigt sich wohl zu erwähnen, daß eine Gesamtplanung eine Unsumme an Überlegungen meteorologischer, hydrologischer, geologischer und bautechnischer Natur erfordert, die einen beachtlichen Aufwand von Geld und vor allem Zeit benötigt.

Ein schweres Hindernis, das unter Umständen bedeutende Kosten verursacht, stellen bereits ältere wasserwirtschaftliche Nutzungsrechte dar, die sich gar nicht oder nur schwer einer modernen Gesamtplanung ein- fügen lassen.

ln dieser Beziehung nimmt die Enns eine Sonderstellung unter allen österreichischen Flüssen ein. Abgesehen davon, daß ihr ganzer Lauf als einziger zur Gänze auf österreichischem Bundesgebiet liegt, somit bei ihrem Ausbau internationale Abmachungen nicht erforderlich sind, wurde der Fluß bis zum Zeitpunkt des Baubeginnes der heute bereits voll in Betrieb stehenden Kraftwerke Groß raming, Ternberg, Staning und Mühlrading an keiner Stelle der energiewirtschaftlich interessanten 143 Kilometer langen Flußstrecke vom Gesäuseeingang bis zur Mündung in die Donau selbst energiewirtschaftlich genutzt. Diese Möglichkeiten wurden schon um die Jahrhundertwende erkannt, aber keines aus der Unzahl der seither entstandenen Kraftwerksprojekte kam zur Ausführung.

Von den eingangs genannten Erzeugungsmöglichkeiten von Energie aus Wasserkraft von 40 Milliarden kWh entfallen nach vorsichtiger Berechnung auf den erwähnten Flußabschnitt der Enns zirka 2.2 Milliarden. Bezieht man jedoch die Erzeugungsmöglichkeiten des gesamten Einzugsgebietes mit ein, so erhöht sich diese Zahl auf zirka 4 Milliarden kWh, also zehn Prozent des gesamten in Österreich zur Verfügung stehenden Energievorkommens. Dadurch wird die Enns zu einem nicht mehr übersehbaren Faktor in der zukünftigen Entwicklung der österreichischen und darüber hinaus auch der europäischen Energiewirtschaf ti

Einer der Gründe, die schon so früh das Interesse der Energiewirtschaften an der Enns wachrief, ist ihre geographische Lage. Östlich einer gedachten Linie Linz—Leoben ist die Enns der einzige große Energieträger des Alpenhauptkamms überhaupt. Die Enns als verlockende Energiequelle lag damals schon ungefähr gleich weit entfernt von dem Zentrum des industriellen Großenergieverbrauches Wiens, Niederösterreichs, Obersteiermarks. Durch die fortschreitende industrielle Entwicklung besonders in Oberösterreich haben sich diese Gegebenheiten wesentlich zugunsten der Kraftwerke an der Enns verbessert. Sie liegen hgute praktisch im Schwerpunkt der großen Zentren des industriellen Großverbrauches.

Ein großer Teil der Grundlagen, die zur Planung des Flußsystems erforderlich sind, wurde bereits erarbeitet. Die Verteilung der künftigen Anlagen auf den ganzen eingangs genannten Flußabschnitt ist in großen Zügen bekannt. Der Kapitalaufwand für die ausgebaute Leistung eines Slaukraftwerkes kann mit 8500 S kW, die Bauzeit einer Anlage mit höchstens drei Jahren angenommen werden. Die Enns bietet somit die günstigsten Voraussetzungen, um mit relativ geringem Kapitalaufwand in kürzester Zeit bedeutende Energiequellenvzu erschließen.

Das 6000 km2 große Einzugsgebiet der Enns, eines der am stärksten überregneten Gebiete entlang dem Alpenhauptkamme, 1580 mm pro Jahr, besitzt keine vergletscherten Flächen, die den Abfluß der Wasser gün stig beeinflussen, auch die Speichermöglichkeiten sind nicht in der Größenordnung vorhanden, die einen über das Jahr ausgeglichenen Abfluß auf dem ganzen angeführten Flußabschnitt ermöglichen könnten. Durch kleinere Speicherräume in den Tälern der Zubringer wird aber im Verlaufe des weiteren Ausbaues eine wesentlich gleichmäßigere Abflußcharakteristik erzielt werden können. Außerdem wird die Anlage eines Pumpspeicherwerkes studiert, das für das Kraftwerk Losenstein und die flußwärts liegenden Werke den Jahresausgleich ermöglichen wird. Die Erwartung, das Verhältnis der Sommererzeugung zur Wintererzeugung, heute 3:2, im Verlaufe des weiteren Ausbaues und der damit verbundenen Maßnahmen nicht unbedeutend zugunsten der Win- terenergieerzeugung zu verschieben, sind durchaus berechtigt.

Einen nicht zu übersehenden Vorteil bieten weiter die Kraftwerke an der Enns durch ihren Typus als Flußstauwerke. Mit ihnen entstanden den Kraftwerken vorgelagerte Seen in einer Ausdehnung von 6 bis 12 km Länge, die einen begrenzten Wasserrückhalt ermöglichen

In der Erkenntnis der Bedeutung des beschleunigten und vollständigen Ausbaues der Enns hat das zweite Verstaatlichungsgesetz im Jahre 1947 auch die von den oberösterreichischen Kraftwerken und der Hütte Linz begonnenen Kraftwerksanlagen in der §on- dergesellschaft Ennskraftwerke A. G. zusammengeschlossen und ihr die Aufgabe übertragen, die vier eingangs namentlich genannten Kraftwerke zu vollenden. Mit der Indienststellung des letzten Maschinensatzes des Kraftwerkes Mühlrading im Juni 1952 war diese Aufgabe erfüllt. Die weitere Aufgabe, den Vollausbau des ganzen Flusses durchzuführen, wird mit der gleichen Tatkraft und dem gleichen Zielbewußtsein, der auch die Vollendungsarbeiten der übernom-, menen Anlagen kennzeichnete, vorangetrieben. Heute liegt das nach den Entwürfen der Ennskraftwerke baureife Projekt des Kraftwerkes St. Pantaleon als unterstes Glied zukünftiger geschlossener Kraftwerksketten vor. Die Arbeiten an der Planung des Kraftwerkes Losenstein schreiten der Vollendung entgegen und an der Kraftwerksbaustelle

Rosenau, für die schon im Dezember 1950 der erste Spatenstich getan wurde, wuchten die mächtigen Wehrpfeiler bereits empor, die stählernen Wehrverschlüsse werden bereits montiert, das neue Krafthaus und die Schaltwarte stehen vor der Dachgleiche, die mächtigen Einlaufspiralen für die Turbinen sind vollendet und auf einer künstlich geebneten weiträumigen Fläche wachsen die Fundamente der 110-kV-Freiluftanlage aus dem Boden, von der aus schon im September 1953 die Energien des fünften Ennskraftwerkes Rosenau in das Verbundnetz strömen werden.

Mit einer Jahreserzeugung von rund 810 Millionen kWh im Regeljahr bei einer ausgebauten Kraftwerksleistung von 166.000 kW ist dann die Ennskraftwerke A. G. eines der größten Energieerzeugungsunternehmen Österreichs geworden.

Uber die 110-kW-Ennstalleitung speisen die Kraftwerke in die Bundessammelschiene im Unfspannwerk Ernsthofen ein. Dieses größte Umspannwerk Österreichs liegt im Schnittpunkt aller nördlich der Alpen verlaufenden Hochspannungsleitungen und ist außerdem der Ausgangspunkt der 220-kW-Leitung, die über St. Peter in das Gebiet des westdeutschen Bundesstaates führt. Der Weg für den Export großer Energiemengen steht somit offen und wird heute auch schon benützt.

Die Erzeugung der Ennskraftwerke wird in absehbarer Zeit nicht nur einen wertvollen

Posten des österreichischen Exportvolumens bilden, sondern sie ist heute schon bestimmt, auch ein wichtiger Faktor in der europäischen Energiewirtschaft zu werden.

In der Erfüllung ihrer energiewirtschaftlichen Aufgaben sind die Ennskraftwerke auch bestrebt, die Ansprüche jener, deren Häuser und Besitztum eingestaut wurden, voll zu befriedigen. Geräumige, modern ausgestattete Häuser, ja ganz neu entstandene Siedlungen, wie die in der Aschau, zeugen von dem Bestreben des Unternehmens, alle gerechtfertigten Forderungen großzügig zu erfüllen. Die Siedlungen, die den Werksangehörigen geräumige und zweckmäßige Wohnungen unentgeltlich bieten, sind wahre Schmuckkästchen, die den sozialen Verhältnissen des Unternehmens das schönste Zeugnis ausstellen.

Ersatzbauten, Siedlungen, ja selbst die Kraftwerksanlagen fügen sich der Landschaft wohltuend ein Besonders letztere liefern den schlagenden Beweis, daß der moderne Planer auch technischen, rein zweckbedingten Industrieanlagen eine äußere Gestalt geben kann, die nicht nur das Gesicht der Landschaft nicht beeinträchtigen, sondern die zeigen, daß Natur und Technik sich nicht feindlich gegenüberstehen müssen, sondern daß sie trotz ihrer im gewissen Sinne bestehenden Gegensätzlichkeit einander ergänzen und den Gesamteindruck der wohl veränderten Landschaft auch verschönen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung