Die Chatbots des Mittelalters
Die Basis moderner Sprachmodelle wie ChatGPT ist deutlich älter als der Computer. Schon im 13. Jahrhundert gab es logische Maschinen, die Fragen und Antworten generierten.
Die Basis moderner Sprachmodelle wie ChatGPT ist deutlich älter als der Computer. Schon im 13. Jahrhundert gab es logische Maschinen, die Fragen und Antworten generierten.
Das Sprachmodell ChatGPT sorgt für Furore. Das automatisierte Dialogsystem, das von der US-Softwareschmiede Open AI entwickelt wurde, beantwortet in Sekundenschnelle Fragen und spuckt auf Knopfdruck Texte aus. Der Nutzer gibt eine Frage oder Handlungsanweisung in das Chatfenster ein, Sekunden später rattert das Sprachmodell einen druckreifen Text herunter. Essays, Gedichte, Songtexte – ChatGPT beherrscht nahezu alle Textgattungen.
Die KI, die mit riesigen Textmengen unter anderem aus der englischen Wikipedia trainiert wurde, errechnet auf Basis eines statistischen Modells eine Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des nächsten Wortes. Buchstabe für Buchstabe spinnt das Sprachmodell anhand von vorgegebenen syntaktischen Regeln logisch kohärente Sätze. Die Technik der Rekombinatorik, die dabei zur Anwendung kommt, ist jedoch sehr viel älter als der Computer.
Metaphysische Aussagen
Schon im 13. Jahrhundert konstruierte der mallorquinische Mönch, Philosoph und Missionar Ramon Llull (um 1232– 1316) eine logische Maschine, die Fragen und Antworten generierte. Die Apparatur bestand aus drei unterschiedlich großen Drehscheiben, auf die verschiedene Symbole und Buchstaben geschrieben waren.
Durch Drehen der Kreisscheiben konnten die Zeichen – ähnlich wie bei einem Rechenschieber – miteinander kombiniert und nach einem tabellarischen Regelwerk interpretiert werden. Jedes Zeichen symbolisierte bestimmte Attribute, Prädikate und Tugenden. Der Buchstabe C stand beispielsweise für Größe und Klugheit, der Buchstabe I für Wahrheit und Geduld. Je nachdem, wie die Buchstaben angeordnet waren, ließen sich daraus metaphysische Aussagen treffen.
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