„Die DNA lügt niemals“
Genetische Analysen werfen neues Licht auf die Menschheitsgeschichte. Ein EU-Großprojekt unter österreichischer Leitung wird damit nun die Zeit der Völkerwanderung beleuchten.
Genetische Analysen werfen neues Licht auf die Menschheitsgeschichte. Ein EU-Großprojekt unter österreichischer Leitung wird damit nun die Zeit der Völkerwanderung beleuchten.
Nicht nur schriftliche Zeugnisse erzählen heute über historische Ereignisse. Seit rund zehn Jahren ist eine neue Quelle hinzugekommen: Diese stammt unmittelbar aus der Natur – und versetzt Historiker und Archäologen zuweilen in helle Aufregung. „DNA-Analysen erlauben es, Geschichte zu rekonstruieren, auch wenn gar keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr vorhanden sind“, sagt Johannes Krause, Gründungsdirektor am Max Planck Institut für Menschheitsgeschichte der Universität Jena. Er zählt zu den Pionieren der Wissenschaft von der alten DNA („ancient DNA“). Und diese neue Quelle kann viele Fragen beantworten: Woher kamen (prä)historische Menschen, wohin bewegten sie sich, und wie waren sie miteinander verwandt? „Historische Texte wurden stets aus bestimmten Interessen heraus verfasst; sie müssen vor dem jeweiligen politischen und kulturellen Hintergrund gedeutet werden“, so Krause. „Die DNA hingegen lügt nie. Das macht man sich zum Beispiel auch bei der Vaterschaftsanalyse zunutze.“
6000 Genproben aus Grabfunden
Im Endeffekt sind es nur vier organische Basen, die den Bauplan des menschlichen Körpers bestimmen: Sie verbinden die sogenannte Doppelhelix der DNA – zwei ineinander gewundene Spiralen eines riesigen Moleküls, in dem das Erbgut gespeichert ist. Es befindet sich im Kern fast jeder Zelle und enthält die ganze Information für den Bau des menschlichen Körpers. Die individuelle Abfolge dieser Basen entlang der DNA-Spiralen bildet den genetischen Code: gleichsam ein biologisches Schriftstück, das immer rascher und kostengünstiger entziffert werden kann. DNA-Analysen werden heute nicht nur durchgeführt, um Krankheitsrisiken festzustellen, eine Vaterschaft zu bestätigen oder Ahnenforschung zu betreiben. Auch die Geschichtsforschung hat davon profitiert: Um weniger als 1000 Euro kann man heute das gesamte Erbgut von Menschen rekonstruieren, die vor Hunderttausenden Jahren gelebt haben. So ist ein DNA-Archiv längst verstorbener Personen entstanden, das nun fortlaufend ausgebaut wird.
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