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Die Entdeckung der Mesonen

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Der Nobelpreis für Physik ist in diesem Jahre dem japanischen theoretischen Physiker Hideki Yukawa für die Entdeckung des Mesons verliehen worden.

Yukawa hatte bereits im Jahre 1935 auf die Möglichkeit der Existenz eines Teilchens hingewiesen, dessen Masse größer als die Masse des Elektrons und kleiner als die Masse des Protons ist. Vor ihm kannte die Physik nur vier kleinste Teilchen: das Elektron, das die kleinste negative elektrische Ladung trägt, das Positron mit einer gleich großen, aber positiven Ladung — beide Teilchen haben gleiche, und zwar sehr kleine Massen —, ferner das ebenso stark positiv geladene Proton mit einer Mässe, die etwa 1800mal größer ist als die des Elektrons, und schließlich das elektrisch neutrale Neutron, dessen Masse nur ganz wenig größer ist als die des Protons. Man kannte also zwei leichte und zwei schwere Teilchen als die Grundbausteine der ganzen Atomphysik.

Yukawa befaßte sich wie viele andere theoretische Physiker mit der Frage: Wie hält ein Atom überhaupt zusammen, welcher Art sind die Kräfte, die die Auflösung der Atome verhindern. Derjenige Teil des Atoms, auf dessen Stabilität es in der Hauptsache ankommt, besteht nämlich iiür aus dicht aneinander gedrängten Protonen und Neutronen. Die Protonen sind alle gleich positiv elektrisch geladen und sollten dahef die Neigung haben, sich möglichst weit voneinander zu entfernen, sich abzustößen. Die Neutronen tragen überhaupt keine elektrische Ladung und sollten sich daher in jeder Lage zueinander gleich wohl fühlen. Diese Erwartungen stimmen aber gar nidit mit den Beobachtungstatsachen. Die Protonen und Neutronen haften vielmehr ungemein fest aneinander, und Yukawa zeigte, daß dafür ein Teilchen — das man dattn häufig auch däs „Yukawa-Teilcheh“ nannte — verantwortlich 1st, dessen Mässe etwa drei- hündertrfial größer ist als die Masse des Elektrons. Er „entdeckte“ also dieses Teilchen nur theoretisch, indem er zeigte, daß man eih Teilchen dieser Masse gewissermaßen als Kitt zwischen den Neutronen Und Protonen des Atoms annehmen kann, wenn auch dieser

„Kitt“ in einer etwas absonderlichen und wenig anschaulichen Weise funktioniert.

Etwa vier Jahre später gelang die Entdeckung eines ähnlichen Teilchens auch der experimentellen Physik, und zwar beim Studium der aus dem Weltraum zu uns kommenden kosmischen Strahlung. Es wurden Teilchen beobachtet, die teils positive, teils negative Ladung tragen, aber eine rund zwei- hundertma! größere Masse haben als das Elektron. Sie erhielten den Namen Meso- tronen oder auch Mesonen. Die Übereinstimmung mit dem von Yukawa vorausgesagten Teilchen war allerdings keine vollkommene, denn die Masse des in der kosmischen Strahlung vorkommenden Mesons wurde durchschnittlich mit zweihundert Elektronenmassen bestimmt, während die

Masse des Yukawa-Teilchens eher bei der dreihundertfachen Elektronenmasse lag. Erst viel später wurde sowohl in der kosmischen Strahlung als auch in Laboratoriumsver- suehen mit dem Riesenzyklotron in Kalifornien ein anderes Meson gefunden, das wahrscheinlich mit dem Yukawa-Teilchen einigen innigeren Zusammenhang hat, weil es nämlich eine Masse von rund dem Dreihundertfachen der Elektronenmasse hat und auch aus anderen Gründen besser geeignet erscheint, den Zusammenhalt der Protonen und Neutronen in den Atomen zu bewerkstelligen.

Diese theoretische und experimentelle Entdeckung des Mesons sind Marksteine in der theoretischen Physik und in der Erforschung der kosmischen Strahlung. In der theoretischen Physik haben die Arbeiten Yukawas die Theoretiker aller Nationen zum weiteren Vordringen in der Erforschung der im Atom wirksamen Kräfte angespornt, ohne daß freilich ihre Anstrengungen bisher zu einem voll befriedigenden Ergebnis geführt hätten. In der kosmischen Strahlung sind es im wesentlichen die Mesonen, die die ganze Dicke der Erdatmosphäre durchdringen können und so von der Existenz einer aus dem Weltraum Zur Erde gelangenden Strahlung überhaupt erst Kunde bringen. Sie bringen diese Kunde freilich nicht immer persönlich, weil sie sich schon nach sehr kurzer Zeit in andere Teilchen verwandeln. Das leichtere Meson verwandelt sich in ein Elektron oder Positron und ein neutrales Teilchen oder elektromagnetische Strahlung. Darum findet man auch in Meeresniveau Elektronen und Positronen, die letzten Endes der kosmischen Strahlung ihre Existenz verdanken. Die schwereren Mesonen verwandeln sich oft in die leichteren Mesonen und neutrale Teilchen. Das leichte Meson kann sich dann in der eben geschilderten Weise weiterverwandeln. Die Mesonen können aber auch in Atome eindringen und die Neutronen und Protonen, die im Zentrum des Atoms den sogenannten Atomkern aufbauen, auseinanderjagen — mit anderen Worten, das Atom mehr oder weniger vollständig zertrümmern. Auch solche Prozesse wurden häufig in der kosmischen Strahlung beobachtet.

Man sieht, daß das Meson je nach der Art seines Auftretens sowohl für den Zusammen-1 halt der Atome sorgen dis auch Atöme auflösen kann. Die erstere Funktion schreiben ihm die Theoretiker zu, ohne daß es dafür eine direkte experimentelle Bestätigung gibt oder geben könnte, die zweite Auswirkung seines Auftretens hingegen wurde wiederholt beobachtet. In der letzten Zeit hat man sogar Hinweise gefunden, daß es außer den beiden schon angeführten Mesonen von der zweihundertfachen und der dreihündertfachen Elektronenmasse auch noch viel schwerere Mesonen mit einer rund tausendfachen Elefctronehmässd und dann vielleicht auch noch ganz leichte mit einer nur drei- bis zehnfachen Elektrönenmasse gibt. Russische Forscher berichten sogar über noch weit mehr Massen und entsprechend weit mehr Teilchen, die sie als Varitronen bezeichnen. Damit tritt die Frage der kleinsten Teilchen in der Physik in ein neues Stadium, dessen Beginn eben durch die Voraussage Yukawas von der Existenz mittelschwerer Teilchen zwischen dem Elektron und dem Proton gekennzeichnet ist.

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