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Die Experten schütteln den Kopf

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Eine Studie zerpflückt Pläne für ein internationales Forschungszentrum auf österreichischem Boden. Die Initiatoren üben sich in Verdrängung.

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Eine Studie zerpflückt Pläne für ein internationales Forschungszentrum auf österreichischem Boden. Die Initiatoren üben sich in Verdrängung.

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Es ist ein Mekka der modernen Wissenschaft: CERN, das europäische Laboratorium für Teilchenphysik in der Nähe von Genf. Auf dem Gelände der Forschungseinrichtung herrscht ständig buntes Treiben: Bund 6.500 Wissenschaftler von 500 Universitäten und aus über 80 Nationen - die Hälfte aller Teilchenphysiker der Welt - benutzen CEBNs Anlagen. Wer dort mitarbeitet, hat die Möglichkeit, sich tagtäglich mit Fachkollegen auszutauschen und hält sich auf diese Weise fast automatisch auf dem neuesten Stand seiner Disziplin.

In etwa eine Milliarde Schilling, wie Wissenschaftsminister Caspar Einem grob über den Daumen peilt, gibt die Bepublik aus, damit heimische Forscher an internationalen Forschungszentren mitarbeiten dürfen. Eine Notwendigkeit - ansonsten würden die österreichischen Wissenschaftler binnen kürzester Zeit den Anschluß an die internationale Forschung verlieren. Für kleinere Länder gibt es keine andere Möglichkeit, hei großen, teuren Forschungsprojekten mitzumischen - außer vielleicht, eine entsprechende Forschungseinrichtung hat ihren Sitz im Lande.

Genau diesen Weg möchte Österreich beschreiten: Vertreter der Wissenschaft und das Wissenschaftsministerium haben zwei mögliche internationale Großforschungsprojekte mit Sitz in Österreich ersonnen - Projekte der Art, „daß Wissenschaftler aus dem Ausland kommen müssen, weil etwas Bestimmtes nur hier möglich ist”, wie Minister Einem das ehrgeizige Vorhaben bei einer Pressekonferenz umschrieb:

■ EUBO-CBYST, ein Forschungszentrum, das sich mit der Erforschung und Zucht künstlicher Kristalle beschäftigt und

■ AUSTRON, eine Einrichtung, in der mit Neutronenstrahlen experimentiert wird. Neutronenstrahlen sind für Medizin, Materialwissenschaft und physikalische Grundlagenforschung von großer Bedeutung.

AUSTRON zum Beispiel ist auf 300 fest angestellte und 1.000 ständig wechselnde Gastwissenschaftler angelegt. Die Kosten von rund drei Milliarden Schilling sollen zu einem Drittel von Österreich, zu zwei Drittel mit ausländischem Geld finanziert werden. „Die Wissenschaftler wohnen, essen und kaufen dann hier in Österreich”, wirft Peter Skalicky, Vorsitzender der Bektorenkonferenz, ein volkswirtschaftliches Argument in die Waagschale. Noch unter Ei-nem-Vorgänger Rudolf Schölten wurden die Konzepte ausformuliert und die renommierte European Science Foundation (ESF) beauftragt, die Projekte zu beurteilen. Die vorige Woche präsentierte Studie ist niederschmetternd:

EURO-CRYST sei kein für internationale Großforschung geeignetes Projekt, befanden die ESF-Experten. Nichts spreche dafür, die schon vorhandenen einschlägigen Laboratorien in einer Art Zentralbehörde zusammenzufassen. Eine Chance für österreichisches Engagement auf diesem Forschungsterrain sieht die Studie in kleineren Einrichtungen, die in einem Netzwerk mit den schon bestehenden zusammenarbeiten. '

Obwohl die Studie festhält, daß durchaus Bedarf an Neutronenquellen besteht, läßt sie auch an AUSTBON kaum ein gutes Haar:

■ Das „wissenschaftlich-strategische Ziel” sei „nicht mit der notwendigen Tiefe” ausgearbeitet worden. In welcher wissenschaftlichen Nische angesichts der (mindestens sieben) konkurrierenden europäischen Einrichtungen AUSTBON Unterschlupf finden solle, ist demnach ungeklärt.

■ Die vorgeschlagenen wissenschaftlichen Apparaturen und Instrumente seien „konventionell und nicht aufregend”. In den Augen der Experten müsse das geplante Großforschungsprojekt mit fortgeschrittenster Technik und einem einzigartigen Angebot einsteigen, um sich behaupten zu können.

Die Initiatoren wollen das nicht so recht wahrhaben: Minister Einem murmelt etwas von „fehlender Bestbegründung” und gibt sich ebenso unbesorgt wie Bektor Skalicky. Die Studie endet jedoch mit einer eindringlichen Warnung: „Diese Aufgabe bedarf höchster Priorität, sonst könnte es für alle weiteren Anstrengungen zu spät sein.”

Die ESF ist ein Verband, dem 62 hochkarätige Universitäten Forschungseinrichtungen aus 21 Ländern angehören.

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