Die Globalisierung des WAHLKAMPFS

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Wahlen steuern Demokratie. Aber was, wenn Diktatoren oder mächtige Staaten Wahlkämpfe in Demokratien bezahlen? Eine alarmierende Bilanz.

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Wahlen steuern Demokratie. Aber was, wenn Diktatoren oder mächtige Staaten Wahlkämpfe in Demokratien bezahlen? Eine alarmierende Bilanz.

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Der US-Wahlkampf läuft auf Hochtouren. 4,4 Milliarden Dollar werden die Kandidaten allein für TV-Werbespots ausgeben. Der Multimilliardär Donald Trump (geschätztes Vermögen: 4,1 Milliarden Dollar) finanziert den Wahlkampf aus eigener Tasche, die restlichen Bewerber sind auf Spenden angewiesen. Während der Demokrat Bernie Sanders hauptsächlich kleinere Spenden (durchschnittlich 30 Dollar) erhält, kann seine Konkurrentin Hillary Clinton auf die Unterstützung des Großkapitals zählen. Zu den größten Spendern gehören laut der Plattform Open Secrets der Fonds des Investmentgurus George Soros, die Saban Capital Group des ägyptischen Investors Haim Saban sowie die Pritzker Group. Allein Soros pumpte über sieben Millionen Dollar in Hillarys Kampagne. So mancher an der Basis rümpft über die Nähe Clintons zur Finanzwelt die Nase, ihr Rivale Sanders denunziert sie als Advokatin einer Wall-Streethörigen Millionärsklasse. Die Geldgeber betrachten ihre Spende als Investment und verlangen unmittelbare politische payoffs, eine Auszahlung oder Dividende für ihr Engagement. "Sie verfolgen die Umfrageergebnisse ihres Kandidaten, so wie sie den Kurs einer Aktie verfolgen", sagte ein Spender gegenüber der New York Times.

Schmutzige Geschäfte

Das Problem ist, dass die Wahlkampffinanzierung in den USA, wo seit 2010 Super-PACS, also nicht gedeckelte Zuwendungen, erlaubt sind, Abhängigkeiten schafft. Die Geldströme sind nicht immer transparent, die Transaktionen schwer zurückzuverfolgen. Hillary Clinton geriet vergangenes Jahr in die Kritik, als bekannt wurde, dass die Clinton Foundation mehrere Spenden in Millionenhöhe von der kanadischen Bergbaugesellschaft Uranium One erhielt, die unter anderen Gold und Uran produziert.

Im Juni 2009 übernahm die Holding ARMZ, eine Tochter des russischen Atomkonzerns Rosatom, 17 Prozent der Anteile von Uranium One. Um die Mehrheit an dem Konzern zu übernehmen, brauchte Rosatom die Zustimmung des Committee on Foreign Investment, ein ressortübergreifender Ausschuss der US-Regierung zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen in den USA.

Dem Gremium gehörte Hillary Clinton zu dieser Zeit als amtierende Außenministerin an. Im Juni 2010 bekam ihr Ehemann Bill für eine Rede in Moskau 500 000 Dollar Honorar von einer russischen Investmentbank, die enge Beziehungen zum Kreml pflegt und eine Kaufempfehlung für Uranium One abgab. Im Oktober 2010 erteilte das Committee on Foreign Investment schließlich grünes Licht für die Übernahme. Gab es da einen Zusammenhang? Als der Deal ruchbar wurde, blieb es im Hause Clinton seltsam still. Ein Schelm, wer Böses denkt.

Finanzielle Grüße aus Moskau

Während in den USA die meisten Spendengelder aus dem Inland stammen, zeichnet sich ein neuer Trend ab: die Wahlkampffinanzierung aus dem Ausland. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion werden in immer mehr Ländern Wahlen abgehalten, und immer mehr Groß-und Mittelmächte wie China, Russland oder Katar versuchen mittels "Direktinvestitionen" auf Wahlkämpfe Einfluss zu nehmen -oder Wahlen gleich zu kaufen.

Der rechtsextreme Front National hat einen Kredit in Höhe von 40 Millionen Euro von der Kreml-nahen "First Czech Russian Bank" erhalten. Die Vorstellung, dass der Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich mit finanzieller Unterstützung Russlands bestritten wird, ist für Republikaner wie Sozialisten ein Albtraum.

Ideologisch stehen sich der Front National von Marine Le Pen und Präsident Putin nahe. "Der Kreml arbeitet hart daran, politische Kräfte zu kaufen und zu kooptieren, indem er sowohl rechte als auch linke antisystemische Parteien in ganz Europa sponsert", sagte US-Vizepräsident Joe Biden letztes Jahr. Russische Banken, obgleich durch den Verfall des Rubels angeschlagen, haben nach Berichten der britischen Tageszeitung The Times die neofaschistische Partei Goldene Morgenröte in Griechenland, den rechtsextremen Vlaams Belang in Belgien sowie die ungarische Jobbik-Partei mit Krediten versorgt. Die Parteien befürworten unisono die völkerrechtswidrige Annexion der Krim. Auch die linkspopulistische Syriza wurde von Russland unterstützt. Ob links oder rechts scheint im Koordinatensystem des Kreml keine Rolle zu spielen, solange es der aggressiven Außenpolitik dienlich ist.

Geldwäsche durch Wahlkampffinanzierung?

Autoritäre Regime erkennen Wahlen im Ausland zunehmend als Vehikel, um ihre Interessen durchzusetzen. So soll die spanische Protestpartei Podemos, die bei der Parlamentswahl im Dezember 20,6 Prozent der Stimmen erhielt, mit illegalen Spenden aus dem Iran unterstützt worden sein. Laut der Nachrichtenseite El Confidencial erhielt die Partei fünf Millionen Euro über den iranischen Auslandssender Hispan TV, der direkt von Teheran finanziert wird.

Irans Erzrivale Saudi-Arabien spendete 2013 über ein geheimes Bankkonto 681 Millionen US-Dollar an den malaysischen Premierminister Najib Razak, um dessen Wiederwahl zu sichern. Das Königreich Saudi-Arabien fürchtet den Aufstieg der Muslimbruderschaft in Malaysia. In dem südostasiatischen Land leben 18 Millionen Muslime. Razak steht im Zentrum eines Korruptionsskandals um den ominösen Staatsfonds 1MDB.

Über einen malaysischen Mittelsmann sollen auch Gelder an Claude Guéant, einen engen Mitarbeiter und Vertrauten des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, für den Verkauf zweier Gemälde geflossen sein. Der Betrag von 500.000 Euro, den Kunstexperten als viel zu hoch einschätzen, wurde nicht an den Fiskus deklariert. Die Ermittler vermuten, dass die Zahlung ein viel weiter gesponnenes Finanznetz verschleiern soll, das im Zusammenhang mit weiteren illegalen Parteispenden (Bygmalion, Gaddafi) steht.

Umgehungstaktik Offshore

In ihrem Bericht "Financing Democracy" warnt die OECD, dass über Wahlkampfinanzierung im Ausland häufig Geldwäsche betrieben wird. Darin heißt es: "Zwar existieren Verbote von ausländischer Spendenfinanzierung in vielen OECD-Staaten, doch Geldwäschesysteme und eine Reihe anderer Techniken werden oft genutzt, um diese zu umgehen." Zu diesen Methoden zählen unter anderem die "Gründung eines Arms der politischen Partei, der sich als Think Tank oder Stiftung tarnt und oft als Offshore-Insel politischer Parteien bezeichnet wird". Über solche Stiftungen könnten relativ leicht Gelder ins Land geschleust werden.

Auch US-Spender sind immer mehr im Ausland engagiert. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bekommt üblicherweise 90 Prozent seines Wahlkampfbudgets aus den USA. Der Las-Vegas-Milliardär und Kasinobetreiber Sheldon Adelson finanziert sogar die Netanjahufreundliche Tageszeitung Israel Hayom, die die größte Auflage in dem Land hat. Adelson, Sohn jüdischer Einwanderer, will so eine härtere Nahostpolitik durchsetzen.

In Großbritannien gehören US-Banken zu den größten Unterstützern der Kampagne "Britain Stronger in Europe", die für den Verbleib des Landes in der EU plädiert. Die Investmentbank Goldman Sachs, deren Europazentrale in London liegt, spendete 500.000 Pfund. Auch JPMorgan, Morgan Stanley und die Bank of America stellten sechsstellige Summen bereit. Die Kreditinstitute fürchten bei einem drohenden "Brexit" um den Finanzplatz London. Von einem "nationalen" Referendum kann keine Rede mehr sein. "Es stellt sich heraus", schrieb Simon Kuper in der Financial Times, "dass nationale Wahlen wie nationale Steuersysteme und Verteidigung nicht mehr gut in einer unregulierten globalisierten Welt funktionieren."

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