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Die Hoffnung der Welt

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Die Österreichische Gesellschaft für Religionswissenschaft ist im vergangenen Frühjahr gegründet worden, um „Forschungen und Studien in allen Zweigen der Religionswissenschaft anzuregen, zu fördern und zu koordinieren mit dem Ziel, die theoretischen und praktischen Möglichkeiten dieser im akademischen Leben Österreichs noch nicht hinlänglich anerkannten und gepflegten Wissenschaft zu klären, sowie den Kontakt mit der religionswissenschaftlichen Forschung des Auslandes zu intensivieren, sowohl auf privater Basis als auch im Rahmen entsprechender Institutionen“ (aus den Satzungen).

Im Sinne dieser Ziele kann die Gesellschaft nach dem ersten Jahr ihres Bestehens bereits beachtliche Fortschritte verzeichnen. Es gehören ihr die meisten Gelehrten, welche die Religionswissenschaft berührende Einzeldisziplinen vertreten (insbesondere aus den ■ historisch ausgerichteten Fächern), an; sie ist als nationaler Verband in die „Internationale Vereinigung für Religionsgeschichte“ aufgenommen worden; sie bereitet die Herausgabe einer Schriftenreihe vor, die in der Form von Supplementen zu der bereits seit 1959 in Salzburg bei Otto Müller verlegten Quartalsschrift „KAIROS“ erscheinen soll. (Das Sekretariat der Gesellschaft befindet sich, zusammen mit der Schriftleitung von „KAIROS“ in Salzburg, Pfeifergasse 7.) Und sie hat soeben ihre erste wissenschaftliche Jahrestagung unter dem Ehrenschutz des Wiener Erz-bischofs, DDr. Franz Kardinal König, und des Bundesministers für Unterricht, Dr. Heinrich D r i m m e 1, halten können.

Im Blickfeld der religiösen Anthropologie

Die Tagung, die vom 24. bis 26. Mai in den Räumen des Katholischen Aka-demikerverbandes in Wien stattfand, war einem interessanten und, wie eS sich erwies, ergiebigen Thema gewidmet: „Der Auferstehungsgedanke im Blickfeld der religiösen Anthropologie“. Hier sollte also nach den die christliche Botschaft vorausschattenden Auferstehungshoffnungen gefragt werden und dies vor dem Hintergrund der Frage nach dem je verschiedenen anthropologischen Konzept, mit dem ja auch eine erhoffte Auferstehung des Menschen als ganzen irgendwie in Einklang stehen muß. Von dieser Voraussetzung her erklärt sich auch die Auswahl der geographischen beziehungsweise kulturellen Bereiche, die zur Behandlung kamen. Der fernere Orient, vor allem insoweit er vom indischen Geist beeinflußt ist, schien von vornherein so sehr auf eine spirituali-stische Anthropologie (auf die ihr entsprechende zyklische Kosmologie) eingeschworen zu sein, daß irgendetwas der Auferstehung des Fleisches auch nur analoges hier nicht erwartet werden durfte. Andererseits blieb auch der Bereich des Islam außer Betracht, weil dessen Anthropologie, zumindest insofern sie mit der Auferstehungshoffnung zusammenhängt, wesentlich von

der jüdischen Anthropologie bestimmt und dieser weitgehend ähnlich ist. Es handelt sich also nicht um eine Konfrontierung christlicher Auffassungen mit denen der anderen heute lebenden Religionen, sondern eher um eine Rückschau in religiöse Welten, die dem Christentum zeitlich vorausliegen.

Auch das Judentum würde unter diesem Aspekt betrachtet, denn der Auferstehungsglaube ist dort eben in vorchristlicher Zeit klar formuliert worden (Referent Prof. Kurt Schubert). Daneben traten jene beiden „heidnischen“ Kulturen, mit denen Israel stets sich konfrontiert wußte, Babylonien und Ägypten (Dr. Karlheinz D e 11 e r und Prof. Gertrud T h a u s i n g), andererseits jene beiden westlichen Kulturbereiche, in denen vor allem später die Kirche heimisch wurde: die Antike Welt und das nödliche Europa (Dr. Walter Pö t s c h e r und Professor Alois C 1 o s s). Über diese beiden spezifischen Bereiche — Europa und Vorderer Orient — hinaus schweift der Blick auf die in der Gesamtmenschheit unter den Naturvölkern verstreuten Bekundungen einer Auferstehungshoffnung (Prof. Josef Ha ekel); und schließlich stand ein — zeitlich das erste — Referat im Zeichen der Auseinandersetzung der traditionellen beziehungsweise zur Tradition gewordenen christlichen Verkündigung mit den Denkstrukturen der säkularisierten modernen Welt (Prof. Gottfried F i t z e r).

Struktur menschlicher Existenz

Vielleicht war es durchaus nicht zufällig, sondern höchst sinnvoll, daß an diesem Eröffnungsabend kaum von der Auferstehung, die wir erhoffen, gesprochen wurde, sondern vielmehr von der Auferstehung des Einen, welche die Evangelien als geschehen bezeugen. Ist doch für den Christen jene durchaus von dieser abhängig — „ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube vergeblich“ (1, Kor. XV, 16). Für den evangelischen Theologen, der sich — mehr noch als der katholische — mit jenen modernen Deutungen der neutesta-mentlichen Botschaft, deren bekannteste die Rudolf Bultmanns ist, auseinandersetzen muß, wird die Frage nach der Auferstehung vornehmlich zur Frage nach dem Wesen der Geschichte als solcher — weshalb auch gegenüber dem Schlagwort von der „Entmythologisierung“ die Bezeichnung „existentiale Interpretation“ zutreffender erscheint.

Hier wird, von der Auferstehungsbotschaft her, tief hineingeleuchtet

in die vielschichtige Struktur der menschlichen Existenz; vielleicht wäre solche Einsicht ohne jene Botschaft nicht zu erlangen gewesen. Dennoch, ja gerade deswegen, bleibt aber die Frage: wird auch die Auferstehung selber gesehen? Geschichlichkeit gehört zum Wesen des Menschen — wie paßt in jenes auf das Allgemein-Menschliche bezogene Konzept der doch eine Aussonderung bezeichnende Satz, daß der Auferstehungsglaube Gott als Herrn über den Tod, als Erlöser der Geschichte, bezeuge? Und wie paßt zu der modernen, reflektierenden Analytik des Denkens der Satz, daß jede Glaubensansage als solche liturgische Rede sei? „Liturgisch“ können wir hier nur verstehen als die Überwindung des Gegensatzes von Objektivität und Subjektivität bezeichnend: Aktualisierung des Vergangenen im erinnernden Nachvollzug. Eben damit wäre jener „Ort“ ausgesagt, wo die höchste Möglichkeit, die innerste Wirklichkeit geschichtlicher Existenz als solche zusammenfallen

mit deren wissenhaft-qualitativer Übersteigung. Gerade hier wäre also, so möchten wir meinen, dem gegenteiligen Anschein zum Trotz, das eigentliche Anliegen der „existentialen Interpretation“ eingeholt. Und hier wäre auch die mögliche Brücke (im Sinne einer näheren oder ferneren Analogie)

zu den Ahnungen und Hoffnungen der Völker, deren Mythen kaum als „prälogische“ Daseinsdeütung zu verstehen sind, sondern vielmehr als die bleibende und immer neue Voraussetzung der Möglichkeit, in erinnernder Begehung ein „heiliges“, ein „Heils“-Ge-schehen, davon sie künden, zu aktualisieren.

Die Qujibee-Indianer verehren einen Heilbringer, der unter der Gestalt eines Hasen vorgestellt wird. Durch eine Ungeschicklichkeit verlor er für die Menschen die ihnen ursprünglich eigene Unsterblichkeit. Das höchste Wesen wollte oder konnte den ins Dasein gekommenen Tod nicht rückgängig machen, doch es setzte ein

Ritual ein, welches die Auferstehung bewirkt. Das Geheimnis dieses Rituals wird in der „Muschel-Gesellschaft“ gehütet. Deren Mitglieder bewerfen einander mit Muscheln, der Getroffene läßt sich niederfallen und stellt mimisch Tod und Auferstehung dar.

Seltener als die mit individueller Auferstehungshoffnung verbunden Einweihungen sind die Erwartungen einer endzeitlichen, gesamtkosmischen Wiederherstellung und Verwandlung. Auch sie sind auf die zentrale

Gestalt eines Gesandten des Hochgottes, Heilbringers oder Kulturheros bezogen. Die Altaier erzählen von Yul-gen (oder Tengri), dem Schöpfer des Alls, von seinem ersten Geschöpf, Erlik, dem Bösen; von den einander folgenden Gesandten des Höchsten, deren letzter von Erlik getötet wird — doch aus seinem Blut schlägt Feuer empor, das Gott in die Welt zurückruft und den dramatischen Kampf zur endgültigen Überwindung des Bösen einleitet. Als Prototyp und gewissermaßen „Norm“ außerbiblischer Auf-

erstehüftpföffnuhg und eschatologisch bezogener „Geschichtstheoiogie* erscheint die Verkündigung Zarathustras beziehungsweise das mardaistische religiöse System. (Hier fehlte leider ein eigenes Referat, da Kardinal König, der ein solches zugesagt hatte, zur Teilnahme an der Sitzung der Konzilskommission in Rom weilte.)

Glaube an die leibliche Auferstehung

Germanen und Kelten, Ägypter und Babylonier, Griechen und Römer haben die Hoffnung auf die Unsterblichkeit des ganzen Menschen im Herzen getragen. Das irdische-unsterbliche Leben pflanzt sich in der Sippe fort (griechisch g e n o s), vor allem vom Großvatr auf den Enkel (ahn-kel =* kleiner Ahn) und ist eben darin mehr als nur biologisches Leben der Art — verwandte Vorstellungen finden sich im patriarchalischen Alt-China. Motive wie die Wiedel zusammenfügung der zerstückelten Teile des Leibes (Osiris) oder der Wiederbelebung der gesammelten Knochen (Thors Böcke) sind uralt — letzteres weist auf die ältesten Jägervölker. Die ägyptischen Mumien suchen die Leiblichkeit zu bewahren — nicht anders diejenigen der Peruaner —, doch haben gerade die Ägypter auch sehr differenzierte Lehren von den transzendenten Wesensgliedern des Menschen entwickelt. Alkestis darf für kurze Zeit aus dem Hades zurückkehren, Herakles wird unter die Olympier erhoben — und doch vermögen sie nicht das Grauen vor dem Vergehen der Leiblichkeit zu überwinden; ebensowenig Gilgamesch, der angesichts der Verwesung Enkidus, seines Freundes, das Kraut der Unsterblichkeit gewinnt und dem eine Schlange es heimtückisch stiehlt.

In Israel ist, wohl als einzigem der alten Völker, der Glaube an die leibliche Auferstehung klar bezeugt. Israel hat sich nicht mit mythischen Bildern und Gestalten getröstet, noch hat es philosophiert wie die Hellenen. Wenn es zwei Möglichkeiten gibt, die Verzweiflung an der Weltsituation zu überwinden, den Weg der Großartigkeit des menschlichen Geistes, der am Ewigen Anteil hat, und den des Glaubens über den Tod hinaus, so hat Israel den zweiten gewählt. Und in eben diesem wurzelt unmittelbar und unabänderlich auch unsere eigene Hoffnung auf Auferstehung.

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