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Digital In Arbeit

Die mittlere Datentechnik

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Wenn je eine Lücke bestanden hat zwischen konventionellen Buchungsmaschinen und großen Datenverarbeitungsanlagen, dann scheint die Zeit für ihre Schließung heute endgültig gekommen zu sein. Wer die letzten Messen und die damit verbundenen Bürofachschauen besucht hat und mit Aufmerksamkeit durch die Ausstellungsstände ging, kann sich dieses Eindrucks nicht erwehren. Tatsächlich wurden die ersten Angriffe auf die Unwirtschaftlichkeit in der Verwaltung nicht konzentrisch geführt, sondern sie gelangten auf den höchsten Flügeln zum Vortrag: einmal mit kleinsten Mitteln in Form der manuellen Durchschreibebuchführung, anderseits mit aufwendigen Anlagen in Gestalt der ersten Lochkartenmaschinen, die bereits um die Jahrhundertwende ihre Arbeit aufnahmen.

Die Lochkarte erkämpfte sich, allen Unkenrufen zum Trotz, Schritt für Schritt einen festen Platz in der Bürorationalisierung. Nach dem letzten Krieg erlebte sie eine Renaissance, die auch von der Elektronik nicht verhindert werden konnte. — Dagegen kam das maschinelle Durchschreibeverfahren erst Ende der zwanziger Jahre richtig zum Zug, denn bis dahin schrieb der Gesetzgeber noch die Verwendung gebundener Bücher vor. Ein Erlaß des Finanzministers aus dem Jahre 1927 gab dann freie Bahn: die sogenannte Konto- Original-Methode setzte sich durch.

Wenn man eine Schreibmaschine mit einer Vorsteckeinrichtung für die Kontokarte versah, dann war es möglich, das Durchschreibeverfahren zu mechanisieren, und ein exaktes, für jedermann lesbares Schriftbild war gewährleistet. Diese Überlegung stand am Beginn der Walzeribuchungsmaschine. Die aus der Schreibmaschine entwickelten Modelle wurden dann mit zahlreichen Zusatzeinrichtungen versehen, und es wurden Zählwerke aufgesetzt zur Addition der Vertikalspalten des Journals. Gleichzeitig kamen aber Entwicklungen in Gang, die auf anderen technischen Prinzipien begründet waren: aus der Registrierkasse entwickelte sich der Registrierbuchungsautomat, aus der elektrischen Addier- oder Saldiermaschine mit Zehnertastatur ging der Addierbuchunsautomat hervor.

War es auch anfänglich noch nicht abzusehen, welcher Typ rationeller sein und sich schließlich durchsetzen würde, so war doch im Zuge der dreißiger Jahre eine starke Tendenz in Richtung auf den Addierbuchungsautomaten erkennbar. Dazu trugen vor allem die Kreditinstitute bei, die nicht so sehr auf die Textschreibung angewiesen waren und vor allem Wert auf eine rasche, sichere, wirtschaftliche Arbeitsweise legten, die eine Verarbeitung großer Belegmassen in verhältnismäßig kurzer Zeit erlaubte. Die Verfechter des Addierbuchungsautomaten gingen von der Überlegung aus, daß das Schreiben von Volltext weitgehend überflüssig sei. Man stellte fest, daß zehn oder zwanzig Kurztextsymbole in Verbindung mit der Angabe von Kontonummer und Gegenkontonummer eine so vielseitige Erläuterungsmöglichkeit aufwiesen, daß zusätzliche Langtexthinweise nur in den seltensten Fällen nötig waren und dann vom Buchhalter mit dem Bleistift geschrieben werden konnten. Voraussetzung für das Funktionieren eines solchen Systems war eine straffe und wohldurchdachte Organisation und ein übersichtlicher Kontenplan. Die Zeit kam dem Addierbuchungsautomaten entgegen: Ende der dreißiger Jahre waren die Ideen der Verwaltungsorganisation und der Mechanisierung des Rechnungswesens in aller Munde; in Verbindung damit sei nur der Name Eugen Schma- lenbach genannt.

Fakturierautomat, eine vollelektronische Dreispeziesmaschine für Addition, Subtraktion und Multiplikation mit sechs Rechenwerken (Kernspeichern). Der Automat besteht aus drei Einheiten: Eingabetastatur, Ausgabeaggregat (elektrische Schreibmaschine) sowie elektronischer Steuer- und Recheneinheit.

Nach dem Krieg wurde in Europa in erstaunlich kurzer Zeit eine äußerst potente Büromaschinenindustrie aufgebaut, und schon um 1950 waren die ersten Addierbuchungsautomaten wieder am Markt. Sie beherrschten schnell das Rechnungswesen in den Kreditinstituten, in Industrie und Handel und drangen auch in die öffentlichen Verwaltungen vor. Die Automatik wurde von Jahr zu Jahr erhöht, und es wurden Leistungen erzielt, die unter Wahrung des elektromechanischen Prinzips bis zum heutigen Tage nicht zu überbieten sind. So ist ės verständlich, daß der Begriff „klassische” Buchungsautomaten aufkam und in die Fachsprache Eingang fand. Diese Maschinen lassen sich auf allen Gebieten der neuzeitlichen Verwaltung einset- zen, sie sind sehr variabel in ihrer Ausstattung mit Zählwerken, die auch bei Bedarf von Hand angerufen werden können, und eine Maschine kann mit den verschiedensten Programmen zum Einsatz gelangen. Schnell erfolgt durch einfache Knopfdrehung die Umstellung auf ein anderes Programm, zum Beispiel von der Finanzbuchhaltung auf eine Lohn- und Gehaltsabrechnung usw. Auch die Lösung des Textproblems wurde optimiert, denn die Automaten wurden mit elektrischen Kleinschreibmaschinen kombiniert, die es erlauben, wahlweise im Kurztextverfahren zu buchen und beliebte Langtexterläuterungen zu schreiben.

Als schließlich auf dem Sektor der Lochkartenmaschinen Kleinsysteme am Markt auf- tauchten, die besonders wirtschaftlich sein sollten, zeichnete sich eine Auseinandersetzung zwischen dem Lochkartensystem und dem Addierbuchungsautomaten ab. Die Alternative hieß „hie Kontokarte, hie Lochkarte”. Aber auch hier, wie immer in der Wirtschaft, mußten die Dogmatiker rasch wieder zurückstek- ken. Die Kleinlochkarte war ein interessantes Experiment, und die normale Lochkarte behauptete weiter ihr Feld. Die Kontokarte anderseits wurde nur ungern in bestimmten Bereichen, so vor allem in der Finanzbuchhaltung, aufgegeben, und die letzten Zweifler wurden eines Besseren belehrt, als die Hersteller klassischer Buchungsautomaten bemerkenswerte Wege fanden, ihre Erzeugnisse mit elektronischen Großanlagen und Lochkartenmaschinen sinnvoll zu kombinieren.

Schon Ende der fünfziger Jahre synchronisierte man Addierbuchungsautomaten mit Karten- oder Streifenlochern, so daß die gelochten Datenträger praktisch als Abfallpro- dükt anfielen und zur Weiterverarbeitung in einem Lohnarbeitsbetrieb zur Verfügung standen. Der Flaschenhals des Lochens kann auf diese Weise erweitert und überwunden werden. Gleichzeitig wurden elektronische Aggregate in die Addieibuchungsautomaten eingebaut und erlaubten die fast zeitlose Durchführung von Multipliziergängen oder einen vollautomatischen Kontennummem- und Saldenvortrag. Es liegt auf der Hand, daß auf diese Weise die Arbeitsgeschwindigkeit und -Sicherheit noch einmal erheblich gesteigert werden konnten.

Weiterhin zeigte sich, daß Automaten, die mit den vorgenannten elektronischen Zusatzeinrichtungen versehen sind, an Vielseitigkeit gewannen und den Rahmen ihrer bisherigen Zweckbestimmung sprengten. Ein Buchungsautomat mit Volltext, der elektronisch multipliziert, konnte jetzt für Arbeitsgebiete verwendet werden, die ihm bisher verschlossen waren. Hatte man früher für die Rechnungserstellung, die sogenannte Fakturierung, Spezialmaschinen eingesetzt, so war dies nun auch möglich unter Verwendung eines multiplizierenden Buchungsautomaten. Der Terminologie muß also weiter gefaßt werden, man spricht von Abrechnungsmaschinen im weitesten Sinne.

Es soll hier keineswegs der Eindruck entstehen, daß der Abrechnungsautomat den klassischen Buchungsautomaten oder auch die Fakturiermaschine in Zukunft verdrängen wird. Der Einsatz elektromechanisch/elektronischer Abrechnungsautomaten ist eine Kostenfrage, die von Fall zu Fall genau untersucht werden muß. Die dbere Kostengrenze dieser Vielzweckmaschinen dürfte bei zirka 700.000 S liegen, der untere Anschaffungswert bei 200.000 Schilling. (Diese Angaben sind keineswegs verbindlich, sie sollen lediglich eine Größenordnung aufzeigen.) Wenn dieser genannte Investitionswert auch erheblich über dem eines leistungsfähigen Duplexautomaten von zirka 30.000 bis 40.000 S und eines Multiplexauto- maten zwischen 80.000 bis 150.000 S liegt, so ist doch noch nicht die Wertgröße von konventionellen Lochkartenanlagen und EDP-An- lagen erreicht. Auch elektronisches Fakturieren als Spezialarbeit ist bei Anschaffung eines leistungsfähigen Einzelplatzautomaten möglich, unter Aufwendungen, die weniger als 150.000 Schilling betragen.

Es besteht jedoch kein Zweifel: Der Abrechnungsautomat schließt eine Lücke. Er ist sowohl als Zentralanlage denkbar, eventuell in Zusammenarbeit mit den verschiedensten Lohnarbeitsbetrieben, wie er auch an der Peripherie komplexer Systeme zum Einsatz gelangen kann. Der Klein- und Mittelbetrieb hat hier die Möglichkeit, an der Automation in vollem Umfange und zu für ihn tragbaren Kosten teilzuhäben; der Organisator im Großbetrieb erhält ein zusätzliches Werkzeug zur Lösung seiner vielgestaltigen Probleme, und es gehört keine Begabung zur Prophetie dazu, wenn man voraussagt, daß klassische Buchungsautomaten, elektronische Fakturiermaschinen und neuzeitliche Abrechnungsautomaten sich in Zukunft hervorragend ergänzen werden, ohne daß damit eine Beeinträchtigung der vielfältigen Möglichkeiten erforderlich ist, die die Datenverarbeitung großen Stils aufweist.

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