7120128-1996_32_14.jpg
Digital In Arbeit

Die Temperataren steigen signifikant an

19451960198020002020

Der Trend zur Erwärmung und zum Abbau der Ozonschicht ist eindeutig. Andere Folgen der sich abzeichnenden Klimaveränderung sind schwerer festzumachen.

19451960198020002020

Der Trend zur Erwärmung und zum Abbau der Ozonschicht ist eindeutig. Andere Folgen der sich abzeichnenden Klimaveränderung sind schwerer festzumachen.

Werbung
Werbung
Werbung

DIEFURCHE: Kann man davon sprechen, daß eine signifikante Klimaveränderung stattfindet'

Univ. Prof. Helga Kromp-Kolb: Es kommt darauf an, in welchen Zeitmaßstäben man denkt. Überblickt man ein paar Millionen Jahre, dann ist das, was heute geschieht, in einem Schwankungsbereich, den es schon gegeben hat. In den letzten 1.000 Jahren aber ergibt sich ein eindeutiger Trend des Temperaturanstiegs.

DIEFURCHE: Wie mißt man die Temperatur vor 1.000 Jahren3 kromp: Indem man Eisblockkerne aus Gletscherregionen, vor allem in den Polgebieten, bohrt. Den Schichten kann man eine Jahreszahl zuordnen. Dann untersucht man die Zusammensetzung der Gase in den Poren des Eises. Man erfaßt verschiedene Parameter. Daraus kann man auf die Temperatur zum Zeitpunkt des Schneefalls schließen. In Zeiten hoher Kohlenstoffdioxid-(CO)-Kon-zentration waren auch hohe Temperaturen zu verzeichnen und umgekehrt. Ähnliches gilt auch für Methan. Aus diesen Daten können wir aber nicht erkennen, was vorausgeht. Mehr CO; infolge höherer Temperatur wäre möglich, weil wärmeres Wasser der Meere weniger CO> speichert. Das Gas wird in die Atmosphäre freigesetzt.

DIEFURCHE:Zso keine CO; Sorgen3 kromp: Es gibt auch umgekehrt laufende Zusammenhänge. Die physikalischen Gesetze zeigen, daß mehr CO> zu veränderter Wärmeabstrahlung der Erde führt und zwar in Richtung höhere Temperatur. Es gibt also eine positive Rückkoppelung: Bei mehr CO; in der Atmosphäre wird es wärmer, die Ozeane halten weniger CO2 und es gibt noch mehr CO; in der Atmosphäre: Ein sich verstärkender Kreis.

DIEFURCHE: Ist Erwärmung also vorprogrammiert?

KROMP: Es gibt einige Prozesse, die abschwächend wirken. Erhöhte Temperatur heißt auch mehr Verdunstung, mehr Wolken, somit auch mehr Abschirmung der Sonnenstrahlung und damit wieder Abkühlung: Eine negative Rückkoppelung, die das Klima eher stabilisieren würde. Man versucht, diese Vorgänge in komplizierten Modellen mathematisch zu beschreiben. Unser Dilemma ist, daß wir dauernd neue Effekte entdecken. Erst vor nicht allzu langer Zeit entdeckte man, daß Aerosole (Partikel oder Tröpfchen, die etwa aus Schwefeldioxydemissionen entstehen) in der Atmosphäre eine abkühlende Wirkung haben.

DIEFURCHE: Welches Klima meinen Sie? Das in Europa? Am Äquator? kromp: Wenn Meterologen in diesem Zusammenhang von Klima sprechen, meinen sie ein Mittel der Temperaturen über den ganzen Globus. Es steigt um 1,5 oder 4,5 Grad. Das ist natürlich ein Klima das niemand tatsächlich erlebt. Schwierig ist es, von globalen Aussagen zu regionalen zu kommen. Neuesten Berechnungen zufolge könnte es über Gebieten mit stark steigender Luftverunreinigung (China oder Indien), eher zu einer Abkühlung als zu einer Erwärmung in den nächsten 50

Jahren kommen. Aber Details, wie sich Veränderungen etwa in Österreich auswirken, können wir derzeit aus Modellen nicht ableiten.

DIEFURCHE: Also keine Klimaprognosen für Österreich?

KROMP: Da können wir nur aus Analogien aus der Geschichte schließen. Im Mittelalter war die Temperatur um einige Grade über normal. Also nimmt man an, daß sich in Zukunft bei ähnlichen Temperaturen ähnliches wie damals ergeben könnte. Das muß aber nicht so sein. Kaum wird es konkret, wird die Prognose zur Spekulation. Aber auch das hat seinen Wert. Es schafft Bewußtsein über mögliche Konsequenzen einer Erwärmung.

DIEFURCHE: Kann man vorbeugen3 KROMP: Es geht im Grunde darum, flexible und anpassungsfähige Systeme zu schaffen. Das gilt sowohl für das Ökosystem, etwa daß der Wald nicht nur aus Fichten besteht, die bei bestimmten Temperaturen alle zugrunde gehen, wie auch für Wirtschaftsund Gesellschaftssysteme.

DIEFURCHE: Was erkennt man noch aus globalen Modellen3 KROMP: Die Erwärmung ist das am wenigsten Umstrittene. Beim Niederschlag ist es schon schwieriger. In Europa könnte es (zumindest im Sommer) weniger Niederschlag - aber konzentriert auf wenige Starkniederschlagser-eignisse - geben. Niederschläge bekommt man kaum in den Griff. Man kann aber annehmen, daß die Dauer der Schneedecke zurückgehen wird. Manche Fremdenverkehrsorte müssen dann wohl auf die Wintersaison verzichten. Zu rechnen ist auch mit einem Bückgang der Gletscher im alpinen Bereich. Das und die kürzere Schneebedeckung haben Auswirkungen auf die Feuchtigkeit des Bodens, der im Sommer stärker austrocknen könnte. Man hört immer wieder, daß es häufiger Stürme geben wird. Extremereignisse sind aber besonders schwierig zu deuten, weil sie selten sind. Man glaubt eine Tendenz zu größerer Häufigkeit und Stärke der Stürme an der Nordatlantischen Küste zu erkennen. Oft spricht man die Dürre in der Sahelzone der Klimaänderung zu. Da ist man sich jetzt einig: Sie ist vor allem geänderten Lebensweisen zuzuschreiben.

DIEFURCHE: Ist mit dem Ansteigen des

Meeresspiegels zu rechnen3 KROMP: Allein die Ausdehnung des Wassers durch die Erwärmung läßt den Meeresspiegel steigen. Früher rechnete man durch Abschmelzen der Polkappen mit schweren Folgen. Das befürchtet man jetzt weniger.

DIEFURCHE: Also kein Anstieg des Meeresspiegels von drei, vier Metern3 KROMP: Nein, kurzfristig nicht. Aber auch ein Meter ist für manche Gegenden schon sehr viel.

DIEFURCHE Hat der Abbau der Ozonschicht etwas mit dem Klima zu tun3 KROMP: Beides hängt indirekt zusammen. Die Erwärmung in Bodennähe geht einher mit einer Abkühlung in der Höhe. Das Ozonloch bildet sich, bei Temperaturen unter minus 80 Grad. Kühlt sich die Stratosphäre nun weiter ab, so ist die Chance, daß diese Grenze unterschritten wird, größer. Das reicht jedoch nicht, um das Ozonloch hervorzurufen. Am Südpol, dem einzigen Ort, wo es derzeit im Winter ein Ozonloch gibt, ist eine Kombination besonderer Paktoren für dessen Entstehen verantwortlich.

DIEFURCHE: Also kein Ozonloch über der nördlichen Halbkugel3 KROMP: Nein. Es sei denn, durch die Klimaänderung käme es zu einer drastischen Abkühlung der Stratosphäre. Dann könnte auch am Nordpol ein Ozonloch auftreten. Wir beobachten jetzt schon einen Rückgang der Ozonkonzentration über Mitteleuropa von bis zu 30 Prozent - vor allem im Frühjahr. Die Ultraviolettstrahlung, die da auf den Boden trifft, erreicht im Vergleich zum Sommer keine Spitzenwerte, ereignet sich aber zu einer für die Vegetation sensiblen Zeit. Über die Auswirkungen weiß man nicht viel.

DIEFURCHE: Beeinflussen Warnungen vor Klimaänderungen politische Entscheidungen3

KROMP: Es gibt so viele Maßnahmen, die im Interesse der Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftens ohnedies getroffen werden müssen (Energiesparen, reinere Luft), daß man sie nicht davon abhängig machen sollte, ob die Naturwissenschafter sagen, es würde um 0,5 Grad oder um drei Grad wärmer.

DIEFURCHE: Gibt es Schwellenwerte, die nicht überschritten werden dürfen3 KROMP: So etwas ist denkbar, nur kennen wir sie nicht. Sieht man sich Klimadaten an, dann erkennt man, daß das Klima zwischen zwei oder drei stabilen Zuständen hin und her springt. Die Temperaturen unterscheiden sich da bis zu zwölf Grad. Neueste Untersuchungen deuten darauf hin, daß vor 150.000 Jahren die Temperatur innerhalb von nur 15 Jahren um zwölf Grad gesunken und kurz darauf wieder gestiegen ist. In den letzten 10.000 Jahren dürften wir ein sehr stabiles Wetter gehabt haben. Wir wissen nicht warum. Daher sollten wir nicht an dieser Stabilität rühren. Bei stark geänderten Lebensbedingungen werden sicher gewisse Pflanzen- und Tierarten überleben. Aber wir Menschen, die von einem sehr komplizierten, empfindlichen System abhängen, sind bedroht.

Das Gespräch

führte Christof Gaspari

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung