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Die Welt des modernen Physikers

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Arthur Marcb: Die Welt in der Konstruktion des heutigen Physikers. Mit 18 Textabbildungen. VIII, 239 Seiten. 1948. S 36.—.

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Arthur Marcb: Die Welt in der Konstruktion des heutigen Physikers. Mit 18 Textabbildungen. VIII, 239 Seiten. 1948. S 36.—.

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Allgemeinverständliche Darstellungen und Ergebnisse der neueren Physik bergen meist eine Gefahr in sich: sie werden oft unwissenschaftlich, um verständlich zu erscheinen, und verursachen dann Mißverständnisse auf seiten des Lesers. Darstellungen der Atompyhsik, die auf jedes mathematische Rüstzeug verzichten, sind besonders noch darum schwierig, weil der Nicht- iudimann kaum imstande ist, zwischen einem physikalischen Modell und der „Wirklichkeit“ zu unterscheiden. Das neue Buch von Arthur March; das uns ein Bild von der „Welt in der Konstruktion des heutigen Physikers“ gibt, rntgeht allen diesen Gefahren, obwohl auch hier der Verfasser den Versuch unternimmt, die schwierigsten modernen Theorien ohne jedes mathematische Hilfsmittel dem Leser näherzubringen. Das Buch behandelt zunächst „die grundsätzliche Einstellung der neuen Physik“ und zeigt deutlich, worauf es dem Physiker im Gegensatz zum Philosophen ankommt. Insbesondere werden die Auswirkungen der Quantenmechanik auf die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Physik klar dargelegt: „Gegenstand ihrer Forschung ist nicht die Natur an sich, sondern die Wechselwirkung, die zwischen ihr und dem Beobachter stattfindet.“ Darum müssen wir aber als Physiker auf die „Idee eines kontinuierlichen Geschehens" verzichten und „das ganze uns erfaßbare Naturgeschehen in einer Folge von sprunghaften Akten“ sehen. Der Vermessung von Mikroräumen und Mikrozeiten wird, wie noch wenig allgemein bekannt sein dürfte, durch eine ,,kleinste Länge" und eine „kleinste Zeit“ von der Natur selbst eine Grenze gesetzt.

In den weiteren Ausführungen wird der Leser mit den verschiedenen Methoden der theoretischen Physik zur Behandlung der experimentellen Tatsachen bekanntgemadn. In außerordentlich exakter Form behandelt der Verfasser die Schrödingersdhe Wellenmechanik, die Heisen- bergsche Matrizenrechnung und die Diracsche Lödiertheorie.

Sind die Grundlagen der experimentellen Atomphysik meist bekannt, so herrscht bezüglich der sich aus den Untersuchungen über die kosmische Strahlung ergebenden Konsequenzen noch vielfach Unklarheit. In dem Buche von March erfahren wir darüber vieles, was vor allem den Naturphilosophen interessieren wird: es kommt in der Natur zu Prozessen, die man als „Erzeugung oder Vernichtung“ bezeichnen muß. Ein Photon zerstrahlt in ein Positron und Elektron. Auch Partikeln, die eine Mittelstellung zwischen den schweren Bestandteilen des Atomkerns und den leichten Elektronen einnehmen, gehören zu den Bausteinen des Atoms: das Meson. Nicht nur die Theorie fordert seine Existenz, auch die Photographie zeigt uns diese Gebilde — allerdings nur in ihren Wirkungen. Wir erfahren, daß im Hafele- kar-Observatorium derartige Aufnahmen gemacht wurden. Auch bezüglich des in der modernen Wissenschaft umstrittenen Kausalproblems lernen wir den Standpunkt des modernen Physikers kennen. Es wird uns gezeigt, daß die Aussage, gewisse physikalische Ereignisse sind „kausal nicht faßbar“, nicht etwa bedeutet, daß hier „allein der unberechenbare Zufall entscheidet". Es handelt sich für den Physiker um eine neuartige Bestimmung des von ihm verwendeten Begriffes Kausalität. Von naturphilo- Sophischen Folgerungen sei noch auf die „statistische Kausalität als ordnungserzeugendes Prinzip" und auf die Kontingenz der Welt („Muß die Welt so sein, wie sie ist?“) hingewiesen.

Das Ende des mechanistischen Zeitalters. Von

Anton K o 1 b a b e k. Schriftenreihe „Symposion“, Amandus-Edition, Wien 1948. 79 Seiten.

Der nun veröffentlichte Vortrag wurde 1945 erstmals in einem Gefangenenlager gehalten. Seine Vorzüge und Schwächen werden aus dieser Tatsache erhellt. Die geistesgeschichtlichen Leitlinien der mechanistischen Lebensauffassung, die aus der Zeit der Begründung des modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes im 16. und 17. Jahrhundert über die Vernunftgläubigkeit der Aufklärung, den Empirismus der Engländer und den offenen Materialismus der Franzosen zur verhängnisvollen Antithese „Laisses-faire“- Liberalismus — Kollektivismus heraufführen, zeichnet der Verfasser in knappen Strichen. Die Überwindung des wissenschaftlichen mechanistischen Weltbildes durch die jüngsten Erkenntnisse der Atomphysik deutet Kolbabek an. Den entscheidenden Beitrag der Biologie (Hans Driesch, Richard Woltereck, Jakob von Uexküll und andere) führt er nicht auf. Die Kürze der Darstellung erklärt Vereinfachungen. Der Begriff „mechanistisch“ wird durch die sach- bedingte Zurüdesetzung der übrigen Monismen etwas zu weit gefaßt. Fr. Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkehr des Gleichen entstammt zum Beispiel zur Gänze der naturalistischen Tradition. Es ging dem Vortragenden aber letztlich nrcht um Philosophiegeschichte, sondern um die Aufweisung der menschlichen und sozialen Not, die sich aus dem verzerrten mechanistischen Menschenbild ergab. So ist auch der kraftvolle Aufruf zur Besinnung auf die seinsgemäße christliche Ordnung ein eindrucksvolles Bekenntnis, das die aus dem Erlebnis der Zeit gewonnene Überwindung der mechanistischen Lebenshaltung kündet.

Bemühung um Österreich. Das Scheitern des Zol’.unicnplanes von 1931. Von Julius Cur- tius. Verlag Carl Winter, Heidelberg 1947. 106 Seiten.

Die Sdirift des gewesenen Reichswirtschafts- ministers behandelt den zur Zeit des zweiten Ministeriums Schober 1931 von ihm und Schober unternommenen Versuch einer deutsch- österreichischen Zollunion; er scheiterte bekanntlich alsbald an dem Urteil des Haager Gerichtshofes, der die Zollunion für unvereinbar mit dem ersten Genfer Protokoll vom 4. September 1922 erklärte. Das Unternehmen war von Anbeginn an problematischer Natur gewesen. Die rüdeschauende Darstellung, die Curtius dieser Episode widmet, läßt die landläufige, tatsachenfremde Anschlußmentalität, wie sie damals in Berlin herkömmlich war und auch heute in dieser Schrift weiterklingt, erkennen. Zu einem wertvollen Zeugen wird Curtius, wo er die Gegnerschaft Seipels gegen den Anschluß beleuchtet; er hilft da mit, eine Legendenbildung um den großen österreichischen Staatsmann zu zerstören. Er se: dafür bedankt, obwohl seine Zeugenschaft sich polemisch gegen Seipel richtet.

Das Erbe des Symbolismus. Von C. M.

B o w r a. Verlag L. Bondi & Sohn, Wien, (Auto, risierte Übertragung aus dem Englischen von Ernst Sander.)

Das Erbe des Symbolismus, der als eine mystische Form des Ästhetizismus erkannt wird und versucht, „eine Welt der idealen Schönheit“ mittels der Kunst zu verwirklichen, haben einige europäische Dichter angetreten, deren Kunstanschauung und Werk von Bowra in Einzelstudien dargestellt werden. Ihre gemeinsame geistige Herkunft verbindet so die euro- päisdien Dichter Paul Valery, R. M. Rilke, George, Alexander Blok und W. B. Yeats. Die Schwäche der Mallerm&chen Kunstlehre bestand in dem Glauben, daß die Musik der Endzweck ' der Dichtung sei und in der Absonderung vom allgemeinen Leben. Die Nachfolger des Symbolismus übernehmen diese Kunstlehre nur zum Teil und bilden den Übergang zu einer Generation, welche die Dichtung als öffentliche und soziale Betätigung ansieht. Als klarste künstlerische Erscheinung tritt dem Verfasser Paul Valery entgegen, der ein vollkommenes Gleichgewicht von Gefühl und Intellekt erreicht hat. Rilke, der „internationalste unter allen Dichtern seiner Zeit“, und Stefan George werden aus der wohltuenden Distanz des Engländers gedeutet: ohne genauere Kenntnis zuweilen der Hintergründe ihres Werkes (vielleidit auch ihrer Sprache), aber mit einem sehr sichern Blick für das Psychologisch-Besondere ihrer Erscheinung. So werden Rilkes Theorie von Tod und Verwandlung, Georges Maximin-Kult, Bloks Geist der Musik und Yeats Spiritismus als der Versuch interpretiert, „aus dem hinter der Dichtkunst liegenden schöpferischen Vorgang eine Religion zu machen“. Damit wird auch die ständige Gefahr dieses Erbes gut charakterisiert. Eine große Belesenheit auf dem Gebiet der euro- päisdien Literatur der Jahrhundertwende kommt dem Autor bei der Darstellung seines Gegenstände sehr zu Hilfe. Der Übersetzer hat es verstanden, etwas von der lebendigen und treffenden Diktion des Verfassers, der Dozent in Oxford ist und sein Buch während des Krieges erscheinen ließ, zu erhalten.

Trakl. Von Werner Riemerschmid.

Amandus-Edition, Wien 1947.

Diese Dichtung in Prosa versucht eine Interpretation des Lebens von Georg Trakl, wie es sich in seiner Lyrik spiegelt. Die Einfühlung in Trakls Terminologie und Ausdrucksweise ist ohne Zweifel anzuerkennen, nur bleibt się zu stark im Negativen stehen. Die eine Linie Traklscher Untergangsstimmung führt von der Salzburger Jugend bis in die geistige Umnachtung des ungeklärten Todes. Trakls „Umnachtung“ iedoch ist voll traumhafter Verklärung. Sein Wahnsinn ist letztlich ein „weicher und tönend von Wohllaut“. Rilke spricht sogar von einer unsäglichen Süßigkeit. Besonders die Salzburger Zeit dürfte zu stark in dieser Richtung verzeichnet sein. Trakls Poesien sind farbig klingende Bilder, trotz aller Vergänglichkeit nnd Verwesung, in denen die Frömmigkeit einer erlösenden Offenbarung verborgen ist. Die Symbolik der dichterischen Bilder wird zuweilen durch unwirkliches Pathos ersetzt. Die tiefe, im Leben Trakls so wesenhafte Freundschaft mit Ludwig v. Ficker fehlt beinahe gan? und vor allem die große Liebe des Dichters zu den unschuldigen Tieren, zum armen und kranken und hilfsbedürftigen Menschen.

Aus dies heiligen Franz von Assisi Wunder garten. Verse von Vinzenz Oskar Ludwig, mit Illustrationen von Stephan Mautner. Bernina-Verlag, Wien.

In schliditen, anspruchslosen Gedichten, die vor allem ein Kindergemüt zu ergreifen vermögen, feiert der Verfasser die Naturverbundenheit des heiligen Franziskus, der in allen Kreaturen Geschöpfe Gottes erkennt und ihnen mit unendlicher Liebe begegnet. Bedeutsam und lesenswert ist das Nachwort, in dem der Autor den Heiligen von Assisi als Lebensbejaher schildert, als einen Menschen von Fleisch und Blut, dessen Herz altem Schönen aufgeschlossen und dessen allumfassende Liebe ein Abglanz seiner Gottesinnigkeit war.

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