Komplexität - © Illustration: Rainer Messerklinger

"Die Welt erklären" mit Peter Klimek und Andreas Sator

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Kompliziertes verständlich machen: Darum geht es sowohl dem Komplexitätsforscher und Politikberater Peter Klimek als auch dem Journalisten und Podcaster Andreas Sator. Ein Gespräch über Ansteckung, Verschwörung, Idealismus, Dankesbriefe und die Vorzüge des Hörens.

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Kompliziertes verständlich machen: Darum geht es sowohl dem Komplexitätsforscher und Politikberater Peter Klimek als auch dem Journalisten und Podcaster Andreas Sator. Ein Gespräch über Ansteckung, Verschwörung, Idealismus, Dankesbriefe und die Vorzüge des Hörens.

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Der Stresslevel von Peter Klimek läuft meist synchron mit der Infektionslage. Schließlich berät der Komplexitätsforscher neben seiner Tätigkeit am „Complexity Science Hub“ in Wien auch noch die Regierung und erklärt ihr dabei die Welt der Pandemie. Andreas Sator hingegen lässt lieber erklären und fragt umso hartnäckiger nach: Jede Woche lädt er für seinen Podcast „Erklär mir die Welt“ kundige „Auskenner“ zu sich nach Hause ein; und alle zwei Wochen schreibt er für den Standard in der Kolumne „alles gut?“ über Weltverbesserung. Wie man das in Pandemiezeiten schafft und Komplexes generell verständlich macht? Ein Videogespräch, das auch als Podcast nachzuhören ist.

DIE FURCHE: Herr Sator, in Ihrem Podcast „Erklär mir die Welt“ ging es zuletzt im Dezember um das Dauerbrennerthema Corona. Wie das, gibt es keine Auskenner mehr, die bei diesem Thema den Durchblick haben - oder wollen Sie selbst nichts mehr dazu wissen?
Andreas Sator: Sagen wir so: Erstens gibt es in Österreich ganz viele Medien, die großartigen aktuellen Journalismus betreiben und dieses Thema behandeln – und ich stelle mir immer die Frage: Was fehlt? Und zweitens geht mir die Pandemie schon sehr auf die Nerven – wie vielen meiner Hörerinnen und Hörer vermutlich auch. Es gibt so viele spannende Dinge auf dieser Welt, da möchte ich mich nicht ständig mit Corona beschäftigen.

DIE FURCHE: Sie, Herr Klimek, müssen das als Mitglied des Covid-Prognose-Konsortiums der Regierung nolens volens tun. Wenn man eine Komplexitätsskala hätte – wo wäre hier der Kampf gegen die Pandemie einzuordnen?
Peter Klimek: Rein wissenschaftlich ist eine Epidemie das Lehrbuchbeispiel schlechthin für ein komplexes System. Wenn noch vor Kurzem ein Student zu mir gekommen wäre und gesagt hätte, er möchte etwas zu epidemischer Ausbreitung in Netzwerken schreiben, hätte ich gesagt, nein, das untersucht man schon seit 80 Jahren, hier ist die Komplexität überschaubar, such dir ein spannenderes Thema. Aber aktuell gerät jeder kleinste Aspekt sofort in den medialen Fokus, alles ist emotional erhitzt und findet zudem im Zeitraffer statt. Zum Vergleich: Der Hausärztemangel ist ebenso komplex – doch der wird sich erst in den nächsten Jahrzehnten entfalten. Das macht es deutlich einfacher.

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DIE FURCHE: Aber was bedeutet Komplexität überhaupt? Was macht ein System komplex?
Klimek: In einem komplexen System ist das Ganze mehr als die Summe seiner Teile. Ein Elementarteilchen wechselwirkt immer gleich, egal in welcher Umgebung. In einer Pandemie ist das anders: Ob sich Menschen bei sozialen Kontakten anstecken, hängt davon ab, wie viele Leute insgesamt infiziert sind und ob wir uns gerade in einem Lockdown befinden. Dazu kommt, dass sich Menschen am Verhalten der Umgebung orientieren. Anders ausgedrückt: Das Verhalten des Virus zu berechnen, ist einfach. Aber das Verhalten der Menschen zu berechnen, ist sehr komplex.

Sator: Dass man das eigene Verhalten wesentlich daran ausrichtet, wie das Umfeld agiert, bedeutet aber auch, dass reines Wissen nicht alles ist – und es deshalb nicht der alleinige Ansatz sein kann, die Menschen besser aufzuklären. Menschen, die sich an die Maßnahmen halten, sind ja nicht zwingend besser informiert als jene, die das nicht tun. Das zeigt sich auch beim Thema Klimawandel: Wenn man sich ansieht, welche Menschen im Flugzeug sitzen, dann sind das eher formal besser Gebildete – und trotzdem treffen sie diese Entscheidung. Hier stößt also die Aufklärung über Journalismus oder Wissenschaft an ihre Grenzen. Auch der Sozialpsychologe Jonathan Haidt hat auf Basis von Studien zeigen können, dass wir zwar gern vom rationalen Menschen sprechen, aber unsere Entscheidungen oft auf emotionaler Basis treffen – und erst dann nach rationalen Erklärungen dafür suchen. Das fehlende Wissen ist also gar nicht so sehr das Problem.

Klimek: Interessant ist jedenfalls, wie die soziale Fragmentierung und der selektive Medienkonsum zur weiteren Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wobei sich diese in der Pandemie gegen die klassische Links-rechts-Achse entwickelt hat: Da kann es dann schon sein, dass die Esoterikladenbesitzerin aus dem siebten Bezirk neben einem Identitären demonstrieren geht.

Das Verhalten des Virus zu berechnen, ist einfach. Aber das Verhalten der Menschen zu berechnen, ist sehr komplex.

Peter Klimek

DIE FURCHE: Inwiefern ist die Sehnsucht nach Komplexitätsreduktion der zentrale Motor jener Verschwörungsmythen, die nun verstärkt auftreten?
Klimek: Ich denke schon, dass das Bedürfnis nach einfachen Erklärungen ein durchgängiges Muster für Verschwörungstheorien ist. Aber eine der Lehren dieser Pandemie besteht eben auch darin, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Es ist ja nicht so, dass wir nur warten müssten, bis wir uns zur Herdenimmunität durchgeimpft haben, und dann wird alles vorbei sein. Das Virus wird weiterhin überall dort eine Rolle spielen, wo Menschen zusammenkommen, es wird uns also auf die eine oder andere Art und Weise begleiten. Das ist natürlich unbefriedigend, auch ich selbst würde gerne sagen, dass sich die Geschichte erledigt hat. Aber zugleich sind wir zu akademischer Vorsicht verpflichtet und müssen darauf hinweisen, dass sich die Welt nicht auf einfache Stehsätze reduzieren lässt.

Sator: Es ist tatsächlich der große Reiz einer Verschwörungstheorie, dass es hier einfache Erklärungen gibt. Umso mehr ist auch der Journalismus gefordert, die Dinge so verständlich wie möglich aufzubereiten. Mein eigener Zugang war und ist deshalb, so einfach wie möglich zu schreiben und keine Wörter zu verwenden, die man nicht versteht. Ich möchte den Leuten das vermitteln, was ich als meine wichtigste Erfahrung aus der Studierendenzeit sehe: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Es geht darum, zu akzeptieren, dass die Welt kompliziert ist und man an Grenzen stößt.

Andreas Sator - © Foto: Matthias Cremer

Andreas Sator

Andreas Sator ist Standard-Kolumnist, Autor und seit 2018 Host des Podcasts „Erklär mir die Welt“.

Andreas Sator ist Standard-Kolumnist, Autor und seit 2018 Host des Podcasts „Erklär mir die Welt“.

DIE FURCHE: An Grenzen gestoßen ist in der Krise auch die Regierung. Wie haben Sie bisher ihre Kommunikationspolitik erlebt? Inwiefern hat man es geschafft, die Komplexität der Ereignisse verständlich zu kommunizieren?
Klimek: Natürlich haben die diversen Kurswechsel in der Pandemiebekämpfung zur Verunsicherung in der Bevölkerung beigetragen. Wir haben im Grunde noch immer keine klare Strategie, wie wir durch diese Krise kommen wollen, die Nachvollziehbarkeit vieler Maßnahmen fehlt. Teilweise ist auch vieles von politischen Spielchen überschattet worden. Auf der anderen Seite sind wir Menschen auch nicht sehr gut darin, Zahlen mit sehr niedrigen Wahrscheinlichkeiten richtig einzuordnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich an einer Nebenwirkung der Impfung mit Astra Zeneca sterbe, ist ungefähr so hoch wie jene, dass ich sterbe, wenn ich 14 Stunden lang im Sessel sitze. Doch diese Größenordnung spiegelt sich in der medialen Diskussion überhaupt nicht wider. Für jede Meldung über einen Sterbefall nach Impfungen hätten zehntausend Meldungen über verstorbene Covid-Patienten gebracht werden müssen.

Sator: Medien sind eben in der Aufmerksamkeitsökonomie tätig: je mehr Aufmerksamkeit, desto mehr Klicks, desto mehr Geld. Und eine Meldung zu einer Impfnebenwirkung führt zu unendlich vielen Kommentaren und Klicks. Der zweite Grund, warum es hier zu falschen Einordnungen kommt, ist, dass in Redaktionen zwar viele kluge Leute sitzen, die Ahnung von der Materie haben – aber dass es auch Phasen gibt, in denen Teams dünn besetzt sind. Und wenn dann Meldungen hereinkommen, wird mitunter Copy-Paste-Journalismus betrieben. Und schließlich haben die Medien schon seit längerer Zeit ein Glaubwürdigkeitsproblem. Nach dem großen Flüchtlingsandrang 2015 gab es etwa Debatten darüber, ob und wie man über Fälle von sexueller Belästigung durch Asylwerber schreiben sollte. Hier haben viele Medien intransparent agiert und nicht sehr gut erklärt, warum sie jetzt diesen und jenen Artikel aus dieser Perspektive schreiben. Nun, in der Pandemie, könnte die Sorge sein, dass Meldungen über Todesfälle nach Impfungen in den Sozialen Medien viral werden und einem selbst dann vorgeworfen werden könnte, Teil einer „Impflobby“ zu sein, wenn man etwas verschweigt. Doch die Kernaufgabe des Journalismus bleibt es, die Dinge einzuordnen. Es wäre ein großer Fehler, wenn er diese Kernaufgabe aufgibt.

Peter Klimek - © Foto: Eugenie Sophie

Peter Klimek

Der promovierte Physiker Peter Klimek ist Komplexitätsforscher am „Complexity Science Hub Vienna“.

Der promovierte Physiker Peter Klimek ist Komplexitätsforscher am „Complexity Science Hub Vienna“.

DIE FURCHE: Um Hilfe zur Einordnung geht es auch bei der Beratung der Politik in der Pandemiebekämpfung. Bei der Debatte über einen „Osterlockdown“ im Osten haben sich jedoch einige Landeshauptleute beklagt, von den Expertinnen und Experten zu wenig – oder zu wenig deutlich – über den Ernst der Lage auf den Intensivstationen informiert worden zu sein. Haben Sie zu schlecht erklärt, Herr Klimek?
Klimek: Machen wir es konkret: In unserem Prognose-Konsortium erstellen wir Modelle mit einer gewissen Schwankungsbreite, auf deren Basis wir sagen können, wo wir mit welchen Maßnahmen in zwei, drei oder maximal vier Wochen stehen. Anfang März ist von uns die erste Warnung gekommen, dass es in Wien zu einer Überlastung der Intensivstationen kommt. Seitdem haben wir jede Woche wiederholt, dass dies wahrscheinlicher wird. Und bereits im Jänner haben wir mit internationalen Kollegen darauf hingewiesen, dass die neue britische Variante höchst besorgniserregend ist. Da denkt man sich schon: Jetzt warnen wir zwei, drei Monate, und es nimmt uns keiner mehr ernst! Die Sitzung war eine der emotionaleren. Aber am Ende hat sich dann die Verhandlungsposition der Landeshauptleute doch noch um 180 Grad gedreht.

DIE FURCHE: Ist es denkbar, dass manche Politiker tatsächlich nicht verstehen, was Sie ihnen zu erklären versuchen?
Klimek: Wir haben leider noch immer manche Unklarheiten bei den gemeldeten Zahlen, was etwa die Belegung der Intensivstationen in den Ländern betrifft. Und zweitens haben wir in dieser schleichenden Krise erst definieren müssen, ab wann kritische Punkte erreicht sind, ab denen man handeln muss. Aber wie informiert jeder Politiker letztlich ist, kann man schwer beurteilen. Es ist auch sehr vom Typ abhängig, inwiefern sich eine Person informieren lässt – oder eher dazu neigt, selbst die Experten informieren zu wollen.

Sator: Also wenn einer wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil behauptet, dass die Wissenschafter zu wenig Alarm geschlagen hätten, dann kaufe ich ihm das als beobachtender Bürger nicht ab. Wer immer Nachrichten liest, wusste seit Wochen, dass ein großes Problem auf uns zukommt. Und wer das nicht gewusst hat, der wollte es nicht wissen. Hier ist die Situation wieder ähnlich wie beim Thema Klimawandel. Insgesamt finde ich es aber großartig, wie sehr die Wissenschafterinnen und Wissenschafter im Laufe der Krise gelernt haben, in der Öffentlichkeit zu kommunizieren – und dass zumindest ein Teil der Bevölkerung auch wieder gelernt hat, auf Expertinnen und Experten zu hören. Im Zuge des Brexits und der Trump-Wahl wurden sie ja als „abgehobene Elite“ diffamiert. Hier hat die Pandemie zu einer erfreulichen Gegenentwicklung geführt.

Andreas Sator und Peter Klimek im FURCHE Podcast

DIE FURCHE: Anders als im englischsprachigen Raum hat es in Deutschland und Österreich lange zum guten Ton gehört, als Wissenschafter(in) unverständlich zu sein. Hat sich das verändert? Bzw. wo lernen Forscher, verständlich zu erklären?
Klimek: Im Studium lernt man es überhaupt nicht. Wenn man im Universitätsbetrieb vorwärtsschreitet, bekommt man zwei Stunden Präsentationstechnik verordnet, ob das etwas bringt, lasse ich dahingestellt. Sich zu überlegen, wie man fachliche Resultate richtig kommuniziert, ist also tatsächlich eine große Herausforderung. Und die eigene Arbeit so zu erklären, dass es auch die Großmutter versteht, muss man trainieren. Umgekehrt ist die Flucht ins Fachvokabular oft ein Rückzugsmechanismus, um sich nicht zu weit hinauszulehnen. Ich bin aber überzeugt: Wenn man nicht auch fähig ist, in dieser Sprache über die eigene Arbeit zu reden, dann macht man einen Teil seines Jobs nicht gut.

Sator: Ich finde es sehr spannend, was Sie hier sagen. Die Frage ist nur, wie verbreitet diese Ansicht in wissenschaftlichen Zirkeln ist. Ich selbst habe Ökonomie studiert und von Anfang an versucht, Wissenschaft verständlich zu kommunizieren. Auch befreundete Forscher(innen) habe ich gefragt: Warum schaltet ihr euch nicht in Debatten ein? Warum verfasst ihr nicht Kommentare? Gerade bei jüngeren Wissenschafter(inne)n im Bereich der Klima- bzw. Umweltforschung gibt es viele, die idealistisch sind und „die Welt retten“ wollen. Doch ein renommierter Politikwissenschafter hat mir erklärt, dass man in anderen wissenschaftlichen Kreisen schlecht über jene redet, die sich öffentlich artikulieren.

Klimek: Man braucht schon großen Idealismus, um überhaupt in die Forschung zu gehen, sonst geht man in die Wirtschaft, verdient dort mehr Geld und hat weniger Arbeit.

Ich finde es großartig, wie Wissenschafter(innen) in der Krise gelernt haben, zu kommunizieren – und wie zumindest ein Teil der Bevölkerung wieder auf sie hört.

Andreas Sator

DIE FURCHE: Und wie viel Idealismus braucht es, um Politiker als Forscher zu beraten? Wo sind hier die roten Linien?
Klimek: Stefan Thurner vom „Complexity Science Hub Vienna“ und ich haben uns das von Anfang an gefragt: Wollen wir das tun – wohl wissend, dass man sich auch einem Reputationsrisiko aussetzt? Ein heikler Punkt ist die schon erwähnte Frage, wie weit wir uns mit unseren Prognosemodellen in die Zukunft wagen. Es kommt ja ständig der Druck von Entscheidungsträgern, längerfristigere Prognosen zu erstellen. Wie schaut es im Sommer aus? Wie schaut es im Winter aus? Aber all das kann man wissenschaftlich-seriös nicht beantworten. Deshalb haben wir im Prognose-Konsortium klar definiert, dass wir nur Kurzfristprognosen entwerfen. Das macht auch den Unterschied aus zwischen einem Wissenschafter und einem Propheten: Der Wissenschafter sollte jederzeit sagen können, wie falsch seine Vorhersagen sind.

DIE FURCHE: Als Forscher raten Sie der Politik auch zu unpopulären Maßnahmen – etwa Lockdowns. Wie sind die Reaktionen aus der Bevölkerung, erhalten Sie auch Beschimpfungen?
Klimek: Natürlich. Man muss heute nicht sonderlich viel tun, um Hate-E-Mails zu bekommen. Doch wir haben in der Kommunikation auch eine Kassandra-Rolle inne. Wenn wir schärfere Maßnahmen vorschlagen, weiß ich, dass am Abend wieder die Mailbox voll ist. Aber wenn sich sonst niemand traut, unpopuläre Wahrheiten auszusprechen, dann ist es halt so.

DIE FURCHE: Das hat auch Dorothee von Laer gemeint, nachdem sie sich angesichts der südafrikanischen Virusvariante für eine Isolation Tirols ausgesprochen hatte ...
Klimek: Die Vorarlberger, die sich gerade an einer offenen Gastronomie erfreuen, sollten sich jeden Tag bei Frau von Laer dafür bedanken, dass man mit einer beherzten Mobilitätsreduktion reagiert hat. Es wäre interessant, wie viele Dankesanrufe sie bisher schon bekommen hat.

Was ist der Unterschied zwischen einem Wissenschafter und einem Propheten? Der Wissenschafter sollte sagen können, wie falsch seine Vorhersagen sind.

Peter Klimek

DIE FURCHE: Christian Drosten wird ebenfalls einige Dankesanrufe bekommen haben – aber wohl auch viele Drohungen. Er ist vor allem mit seinem Podcast bekannt geworden – womit wir wieder beim Eingangsthema wären. Inwiefern ist das Sprechen und Hören besser zum Welterklären als das Schreiben und Lesen, Herr Sator?
Sator: Der Unterschied liegt vor allem in der Aufmerksamkeitsspanne. Bei einem Onlineartikel beträgt sie ungefähr eine Minute, aber bei einem Podcast, bei dem man keinen Bildschirm anschauen muss und daneben Wäsche waschen oder in der Straßenbahn sitzen kann, nehmen sich die Leute 45 Minuten oder bis zu zwei Stunden Zeit. Das birgt die große journalistische Chance, weiter ausholen zu können. Und auch Forscher haben die Chance, sich als Mensch darstellen zu können. Wobei ich hier eine interessante Erfahrung gemacht habe: Wenn ich jemals beschimpft wurde, dann für einen Artikel, aber nie wegen eines Podcasts. Wenn man einen Menschen hört, dann bekommt man nicht nur seine Expertise mit, sondern auch, ob er guter Dinge ist, verunsichert ist oder sich gerade schämt. Das macht Podcasts zu so einer charmanten Form der Welterklärung.

DIE FURCHE: Wäre das auch etwas für Sie, Herr Klimek?
Klimek: Wenn ich nach der Pandemie wieder etwas mehr Zeit habe, können wir darüber reden. Ich könnte natürlich stundenlang über Informationskompressionen komplexer Systeme reden. Die Frage ist nur, ob das so viele andere Menschen auch noch interessiert.

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