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Die Wunderwelt des Immunsystems

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In einem winzingen Blutstropfen tummeln sich rund fünf Millionen rote und 10.000 weiße Blutkörperchen. Hier ist die Quelle des Immunsytems.

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In einem winzingen Blutstropfen tummeln sich rund fünf Millionen rote und 10.000 weiße Blutkörperchen. Hier ist die Quelle des Immunsytems.

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Erst in den letzten Jahrzehnten ist es den Wissenschaftlern gelungen, mehr und mehr Einblicke in das geniale Immunsystem zu bekommen. Und, je mehr Rätsel die Forscher lösen konnten, um so faszinierter stehen sie vor dieser Wunderwelt, die exakt und nach einem uralten, weisen Plan in unseren Körpern abläuft.

Die Quelle aller Blutzellen, auch der Abwehrzellen unseres Körpers, ist das rote Knochenmark. Sekunde um Sekunde stellt es rund zwei Millionen neuer Zellen her. Unvorstellbar diese explosionsartige Supraproduktion.

Doch das muß so sein. Der Bedarf an Blutzellen ist riesig. In einem winzigen Blutstropfen leben fünf Millionen rote Blutkörperchen und zwischen 8000 und 10.000 weiße Blutkörperchen. Diese erhöhen sich im Krankheitsfall bis auf 50.000 und mehr. Dazu kommen 300.000 Blutplättchen. Die roten Blutkörperchen können sich nicht teilen. Ihr Dasein ist begrenzt. Nach 120 Tagen haben sie ausgedient und werden von der Leber abgebaut.

Im Gegensatz zu den roten Blutkörperchen sind die weißen Blutkörperchen winzige Lebewesen. Sie können sich durch Teilung vervielfältigen und selbst fortbewegen. Sie können auch den Blutkreislauf verlassen und sich dort hinbegeben, wo sie benötigt werden. Diese Zellen sind Individualisten. Sie besitzen alle Genanlagen des Menschen, in dessen Körper sie sich befinden.

Im roten Knochenmark entstehen auch die Urformen weißer Blutkörperchen. Sie kommen „unfertig" ins Blut. Dort entscheidet sich nun welche Aufgabe im Bahmen des Immunsystems jede neue Abwehrzelle übernehmen soll: wird sie der allgemeinen „Schutzpolizei" zugeordnet und an die vorderste Front geschickt, bekommt sie den Auftrag, sich für die Herstellung von Antikörper bereitzuhalten oder wird sie vielleicht eine „Freßzelle", die Aufräumarbeiten zu leisten hat? Entschieden wird nach* Bedarf.

Vielleicht werden die Zellen aber auch zu Spezialabwehrzellen ausgebildet. Das geschieht in der Thymusdrüse. Nach erfolgreicher Schulung nennt man sie dann T-Lymphozyten und sie sind die wahre Stütze des Immunsystems. Sie wissen, was fremd und gefährlich ist, was gesund und was krank macht. Woher sie ihre Informationen beziehen, das weiß man noch nicht in allen Einzelheiten. Manche Wissenschaftler vermuten, daß die T-Lymphozyten ihr Wissen aus unseren Genanlagen beziehen wo alle Erfahrungen unserer Vorfahren milliardenfach registriert sind, auch jene, die es vor Jahrmillionen schon gegeben hat.

Doch bevor der T-Lymphozyt seine wichtige Aufgabe für das Immunsystem übernehmen darf, muß er sich mehrfach teilen und damit beweisen, daß nicht nur er, sondern auch seine „Nachkommen", das Wissen fehlerfrei besitzen. Wer die Prüfung nicht besteht, wird sofort „umgebracht". Das belegen „Massengräber" der „Hingerichteten" in der Thymusdrüse - der Ausbildungsstätte der T-Lymphozyten.

Damit wird auch verständlich, warum die Thymusdrüse in der Kindheit und in der Jugend prall gefüllt und in voller Aktion ist, während sie sich später zurückbildet und nicht mehr unbedingt lebenswichtig zu sein scheint. Da sich die Lymphozyten ständig vermehren und dabei ihr Wissen weiterreichen, ist es auch nicht nötig, sie immer wieder neu zu schulen. Sobald eine erste grundlegende Schulung stattgefunden hat, ist das Wissen vorhanden und wird von Zelle zu Zelle weitergegeben. Ohne die erste Schulung jedoch bleibt das Immunsystem funktionsunfähig. Es würde uns dann allen so ergehen wie jenen bedauernswerten Kindern, die in einem Plastikzelt aufwachsen, weil ihr Körper nicht in der Lage ist sich gegen relativ harmlose Krankheitserreger zur Wehr zu setzen. Sie sind mit einer angeborenen Immunschwäche auf die Welt gekommen und dürfen mit keinem Menschen, keinem Tier und keiner Blume in Berührung kommen. Alles muß hundertprozentig steril sein.

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