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Diesmal Schulter an Schulter

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Über Nacht hat die Unruhe an unseren Universitäten einen neuen Akzent, neue Frontstellungen erhalten. Noch in der Vorwoche bewegte die Absage der akademischen Feiern die Gemüter und schien die Kluft zwischen Professoren und Studenten weiter zu vertiefen. Nun stiegen plötzlich Ordinarien, Assistenten und Hörer „Schulter an Schulter“ auf die zeitgemäßen Barrikaden einer Pressekonferenz, um für eine bessere Dotierung der Naturwissenschaften zu kämpfen. Plötzlich war nicht mehr der autoritäre Institutsvorstand das Ziel des Angriffes, sondern der Finanzminister (und ganz ein bißchen, zwischen den Zeilen zu lesen, die in den vergangenen Jahren neu entstandenen Hochschulen und Studienrichtungen).

Der Protest kam nicht von ungefähr. Schon im Sommer wandten sich 109 Ordinarien naturwissenschaftlicher Lehrkanzeln fast aller österreichischen Universitäten und Hochschulen mit einem Memorandum an Bundeskanzler Klaus, Unterrichtsminister Mock und Finanzminister Koren. Sie wiesen auf die Aufgaben hin, die das Hochschulorganisationsgesetz und das Allgemeine Hoch- schuilstudiengesetz der Forschung zuteilen, auf die große Bedeutung, die die Forschung — vor allem die naturwissenschaftliche — für die wirtschaftliche Weiterentwicklung besitzt. All dem aber kann mit den Minimalbeträgen, die bisher für die Forschung zur Verfügung standen, nicht entsprochen werden. Wenn auch personell in den vergangenen Jahren merkbar aufgestockt wurde — seit 1964 stieg die Zahl der Lehrkanzeln von 615 auf 884, jene der Assistentenposten von 2025 auf 3466; an dieser Steigerung waren auch die Naturwissenschaften gut beteiligt — so hielten doch die Sachdotationen damit nicht Schritt, schon gar nicht in einem Tempo, das der allgemeinen Entwicklung der Naturwissenschaften entsprochen hätte.

Vergebliches Warten auf Antwort

Was die protestierenden Professoren vor allem erboste, war die Tatsache, daß bei Berufungsverhandlungen mit ausländischen Gelehrten Zu

sagen gemacht wurden, die dann später nicht eingelöst werden konnten. So sollte nun, nach den Forderungen des Memorandums, vor allem nachgeholt werden, was versprochen, aber nicht eingehalten worden war. Dann sollten noch für 1970 die Ansätze für den wissenschaftlichen Sachaufwand auf eine Höhe gehoben werden, die der Hälfte der Summe für den wissenschaftlichen Personalaufwand entspräche. Bis 1975 müßte dann der Sachaufwand die Höhe des Personalaufwandes erreichen.

Die Professoren warteten vergeblich auf Antwort. Sie hielten loyalerweise mit der Veröffentlichung ihres Memorandums bis zur Budgetrede des Finanzministers zurück, in der dieser erneut den Vorrang von Bildung und Forschung verkündete und auch sichtbare Verbesserungen der Ansätze bekanntgeben konnte. Aber wenn nun im Unterrichtsbudget 1970 der Sachaufwand um 20 Prozent aufgestockt wird, so müssen davon vor allem die neu errichteten Institutsgebäude eingerichtet werden. Die Verbesserungen des Forschungsaufwandes kommen in erster Linie den beiden Forschungsfonds und den Instituten der Akademie der Wissenschaften zugute.

Daß trotzdem auch die berechtigten Notschreie der Naturwissenschaftler gehört würden, sollte die Aussprache zwischen den Proponenten der Aktion und dem Unterrichtsminister erreichen. Zur Unterstützung traten Studenten und Lehrer in einen eintägigen Warnstreik. Er wurde zwar nicht lückenlos durchgeführt, als Demonstration mag er genügt haben.

Das Ergebnis dieser Ausąprache war zunächst, daß in den kommenden Wochen genau aufgenommen werden soll, was noch an Zusagen offen steht. Ob darüber hinaus ein Zu- Satzbudget zu dem noch gar nicht diskutierten Haushalt 1970 in Aussicht gestellt werden kann, scheint angesichts der allgemeinen Lage mehr als fraglich. Umschichtungen im Sinn eines Schwerpunktprogramms innerhalb der Hochschulen lägen ganz im Sinn des Unterrichtsministers, der dies schon mehrfach angeregt hat Aber wem

nehmen, um es den Fordernden zu geben? Aus einigen geisteswissenschaftlichen Fächern der Salzburger Universität kam der gleiche Notschrei schon etliche Tage vorher. Die Wiener Politologie zog nun nach.

Gegen die Misere

Fazit: Auch im akademischen Bereich bedarf es offenbar von Zeit zu Zeit des Paukenschlags, der gemeinsamen, konzentrierten, lautstarken Aktion, um im Streit der Interessenvertretungen um den Budgetkuchen nicht immer wieder zu kurz zu kommen. Trotz der unab- streitbaren Bemühungen der Regierung, Bildung und Forschung nachzuziehen, fehlt noch der letzte Durchbruch, der erlaubt, anderswo umzuschichten, um hier mehr investieren zu können. Solange die Universitäten Schauplatz unschöner Auseinandersetzungen über Formalitäten und Utopien sind, wird man auch kaum die Vertreter anderer Sozialgruppen zum Verzicht bewegen können.

Das war die zweite Beobachtung dieser Aktion: Hier waren die Studenten wirklich beteiligt — nicht nur lautstarke Minderheiten, deren Schlagworten idle große Mehrheit uninteressiert ausweicht Diesen Physikern und Chemikern, Mathematikern und Zoologen gingen die räumliche Misere, die veralteten Einrichtungen, der Mangel an Geräten schon seit langem unter die Haut Nicht zuletzt hier liegen auch manche Gründe für die überlangen Studienzeiten. Diese Mängel abzustellen, endlich vernünftig, unter anständigen Bedingungen studieren zu können — das bewegt sie mehr als die Frage nach der Inneren Struktur des Instinkts.

Daraus sollte man die Konsequenz ziehen, daß ein guter Teil des Unbehagens durch bessere Dotierungen abgebaut werden könnte — die Durchführung utopischer Reformen würde ein Vielfaches davon kosten. Was dann an echten Mißständen zu beseitigen bleibt sollte sich doch ebenso in gemeinsamer Arbeit lösen lassen.

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