"Digital Afterlife": Liebe Grüße aus dem Jenseits
Familienangehörige lassen Verstorbene per Avatar wiederauferstehen, um mit ihnen kommunizieren zu können. Das Geschäft mit der digitalen Unsterblichkeit ist im Anmarsch. Doch die Technik wirft zahlreiche ethische Fragen auf.
Familienangehörige lassen Verstorbene per Avatar wiederauferstehen, um mit ihnen kommunizieren zu können. Das Geschäft mit der digitalen Unsterblichkeit ist im Anmarsch. Doch die Technik wirft zahlreiche ethische Fragen auf.
In der Folge „Be Right Back“ der britischen Science-Fiction-Serie „Black Mirror“ trauert Martha um ihren Verlobten Ash, der am Tag des Einzugs in das gemeinsame Landhaus bei einem tragischen Autounfall ums Leben kommt. Auf Empfehlung ihrer Freundin Sarah abonniert Martha einen Online-Dienst, der auf Basis von Social-Media-Profilen und Textnachrichten eine virtuelle Version von Ash kreiert – zuerst als Chatbot, dann als Stimmklon am Telefon und schließlich als humanoider Roboter, mit dem sie auch Sex hat.
Die Anthologieserie inspirierte die Unternehmerin Eugenia Kuyda zur Entwicklung ihrer Chat-App „Replika“, mit der Nutzer Romanzen mit virtuellen KI-Freundinnen führen können. 2015 war ihr bester Freund, der Start-up-Gründer Roman Mazurenko, bei einem Autounfall in Moskau tödlich verunglückt – im Alter von nur 32 Jahren. Kuyda, die gerade beruflich in der russischen Hauptstadt weilte, war geschockt. Um ihre Trauer zu bewältigen, scrollte sie durch tausende Chatnachrichten, die sie mit ihrem Freund ausgetauscht hatte.
Die Textnachrichten, aus denen Mazurenkos Humor sprach, waren das Einzige, was von ihm übrig geblieben war. Sein Leichnam war verbrannt worden, seine Fotos auf Instagram hatte er schon zu Lebzeiten fast alle gelöscht. Doch Kuyda wollte ihren Freund in Erinnerung behalten. Also überlegte sie, wie sie ein Andenken für ihn schaffen könnte. Und hatte, nachdem sie die „Black Mirror“-Folge gesehen hatte, eine Idee: einen Chatbot.
Konserviertes Leben
„Replika“ ist heute eine App mehr für Einsame als für Trauernde, doch mittlerweile gibt es eine Reihe von Diensten, die Tote digital wiederauferstehen lassen. Zum Beispiel die App „HereAfter“. Familienangehörige können darin den gesamten Nachlass des Verstorbenen wie Fotos, Sprachnachrichten oder Videos hochladen und in einem Interview Erinnerungen teilen – etwa die erste Liebe, gemeinsame Reisen oder Lieblingsbücher. Auf Grundlage des Datenmaterials wird dann ein „Life Story Avatar“ kreiert.
Und das geht so: Ein Algorithmus lernt in einem ersten Schritt wie ein Biograf die wichtigsten Stationen im Leben und erstellt daraufhin ein Profil. In einem zweiten Schritt extrahiert eine KI aus den Audio-Dateien Stimmcharakteristika und synthetisiert einen Stimmklon, der mithilfe eines „Text-to-Speech“-Systems die präparierten Skripte vorträgt – und dabei genauso klingt, lacht und spricht wie die verstorbene Person. So können Hinterbliebene per Sprachnachricht am Hochzeits- oder Todestag mit ihrem verstorbenen Ehepartner kommunizieren. Der Tote ist jederzeit telefonisch erreichbar – das (gelebte) Leben wird in der App konserviert. Rund neun Euro im Monat kostet die Vollversion, bei der man den Avatar auch mit anderen Familienmitgliedern teilen kann.
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