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Dioxin ist gefahrlicher, als bisher angenommen

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Das US-Umweltbundesamt EPA Environment Protection Agency) hat laut Meldung der Umweltschutzorganisation „Greenpeace” eine Neubewertung der Gefahren von Dioxin vorgenommen. Demzufolge ist diese Gruppe chemischer Stoffe krebserregend und sie ruft massive Schädigungen der komplexen Funktionssysteme des menschlichen Organismus hervor.

Was sind aber Dioxine? Eine Klasse äußerst giftiger chemischer Verbindungen. Sie fallen als Nebenprodukte in vielen Prozessen, in denen Chlor und Chlorderivate erzeugt, verwendet oder beseitigt werden, an. Weil Dioxine langlebige Stoffe (Abbauzeit in der Größenordnung von Jahrzehnten und Jahrhunderten) sind, werden sie über die Luft und das Wasser weltweit verbreitet. Daher sind sie auch überall auf der Erde anzutreffen.

Wieviel Dioxin verträgt der Mensch? Eine 1990 von der WHO verfaßte Studie ging von einer tolerierbaren Dioxin-Einnahme von 10 Picogramm (0,000 000 000 001 g) pro Tag und Kilo Körpergewicht aus.

Dieser Grenzwert impliziert, daß jemand, der sein Leben lang diese Menge an Dioxin in sich aufnimmt, keinen gesundheitlichen Schaden erleidet.

Die EPA hat nun unter Heranziehung einer anderen Bewertungsmethode einen Grenzwert von sechs Femtogramm (0,001 Picogramm) pro Kilogramm und Tag festgesetzt. Dieser Wert ist aber 1.670mal niedriger.

Wieso droht Gefahr?

Der Mensch nimmt Dioxin überwiegend über die Nahrung auf, vor allem beim Konsum von Fleisch, Fisch und Milchprodukten. Das Gift wird im Körper gespeichert. Die EPA schätzt, daß der Dioxineintrag in die USA derzeit bei 14 Kilo pro Jahr liegt. Das deutsche Bundesgesundheitsamt rechnet mit zwei Kilo pro Jahr in Deutschland.

Welche negativen Folgen hat Dioxin? Man beobachtet: Häufiges Auftreten von Krebs, von Schädigungen am Immun-, Fortpflan-zungs- und Entwicklungssystem. Beunruhigend sind auch Beobachtungen, die darauf hindeuten, „daß die

Dioxinkonzentrationen im menschlichen Gewebe der Bevölkerung der Industriestaaten bereits - oder fast -ein Niveau erreicht haben, auf dem gesundheitliche Effekte auftreten können,” so die Greenpeace-Studie. Die Beobachtungen im einzelnen:

■ Bei Fischen, Vögeln, Säugetieren und Menschen reagiert der Embryo empfindlich auf Dioxin: pränatale Sterblichkeit, Minderwuchs, Störungen des Zentralnervensystems, funktionelle Veränderungen (zum Beispiel das Fortpflanzungssystem des Mannes).

■ Bei nahezu allen Dioxinkonzentrationen, die man in Industriestaaten antrifft, können Zellveränderungen im Immunsystem, Änderungen der Konzentration des männlichen Geschlechtshormons Testosteron, Veränderungen bei anderen Enzymen und Hormonen auftreten.

■ „Die biologischen Auswirkungen von Dioxin hängen augenscheinlich eher von der Konzentration in einem Zielorgan über einen kritischen Zeitraum als von der Dosis ab.” Im Tierversuch etwa erkennt man, daß geringste Dosen in kritischen Perioden der Trächtigkeit den Fötus schädigen können.

■ Die EPA nimmt an, daß die Dioxingrundbelastung dazu führt, daß mindestens ein Mensch von 10.000 (vielleicht sogar einer von 1.000) aus dieser Ursache an Krebs erkrankt.

Emissionen auf null setzen

Greenpeace fordert, die Dioxin-Emissionen auf null zu setzen und nicht nur zu verringern. Das würde Ausstieg aus der Chlorchemie bedeuten, was die Änderung der Produktionsprozesse erforderlich machen würde, sodaß kein Dioxin mehr entsteht.

Nur entsprechende Bohstoffe dürften zum Einsatz kommen. Zunächst muß an den Hauptemissionsquellen angesetzt werden, an den thermischen Prozessen wie Stahlrecycling, Müllverbrennung, Verwendung und Herstellung von PVC, chlorierter Aromate, Zellstoff- und Papierherstellung...

Wichtig ist auch die „stufenweise Abschaffung chlorierter Lösungsmittel und chlorhaltiger Pestizide., des Einsatzes von Chlor in der Verhüttung sowie von anorganischen Prozessen, bei denen Chlor zum Einsatz kommt.”

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