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Digital In Arbeit

Ein Blick zurück und vorwärts

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Zum Jahresende ist es üblich, Rückschau zu halten und auch einen fragenden Blick in die Zukunft zu werfen. Ein Regierungschef, der vor ziemlich genau drei viertel Jahren ein Regierungsprogramm seinen Mitbürgern zur Kenntnis gebracht hat, ist dazu sogar verpflichtet.

Was wurde von den einzelnen Punkten verwirklicht, was ist in Arbeit und was sollte in absehbarer Zeit begonnen werden? Es ist noch nicht einmal der vierte Teil der Legislaturperiode verstrichen, und das innenpolitische Klima war in den letzten Monaten einer fruchtbringenden Arbeit gewiß nicht immer förderlich, trotzdem kann man sagen, daß einiges erledigt werden konnte.

Auf kulturellem Gebiet wurden die Sanierung unserer Hochschulen ernstlich in Angriff genommen und auch die dazu erforderlichen Mittel bereitgestellt. Das Studienbeihilfengesetz, das ebenfalls schon beschlossen wurde, wird dazu beitragen, uns den so dringend benötigten Nachwuchs an tüchtigen Akademikern zu sichern.

Wichtig für die Entwicklung unserer Demokratie ist die Annahme des Volksbegehfensgesetzes durch den Nationalrat, wodurch der Weg zur direkten Befragung der Wähler freigeworden ist.

Auf dem Gebiet der Wirtschaft ist nicht nur auf die Beschlußfassung über den Bundesvoranschlag für das Jahr 1964 hinzuweisen. Von größter Wichtigkeit für unsere Wirtschaft war es, daß das Gesetz über die Bewertungsfreiheit verabschiedet und das Investmentfondsgesetz beschlossen werden konnte. Der Wirtschafts- und Sozialbeirat bei der Paritätischen Kommission für Preis- und Lohnfragen hat seine Tätigkeit erst begonnen, ich hoffe aber, daß er ein wichtiger Faktor zur Beratung für die geplanten Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet werden wird.

Nicht hoch genug ist die Tatsache einzuschätzen, daß sich die Atmosphäre zwischen EWG und Österreich in letzter Zeit entscheidend verbessert hat.

Diese Aufzählung ist keineswegs vollständig, beinhaltet aber doch die wichtigsten von der Bundesregierung seit der Bildung des neuen Kabinetts bereits erledigten Arbeiten.

Mehr noch ist in Ausarbeitung begriffen. Das Forderungsprogramm der Bundesländer wird derzeit beraten, und ich halte gerade diese Verhandlungen für außerordentlich wichtig, zielen sie doch auch auf konkrete Verwaltungsvereinfachungen ab.

Am Verfassungsdurchführungsgesetz zur Europäischen Menschenrechtskonvention arbeitet derzeit ein Ministerkomitee. Die größten Schwierigkeiten bestehen hier in der Einigung über die Familienschutzartikel und über das Elternrecht.

Zum Schutz des Fernsprechgeheimnisses haben Bundeskanzleramt und Justizministerium zwei Entwürfe ausgearbeitet. Ich glaube, daß sich die Bundesregierung bald mit ihnen wird befassen können. Eine Regierungsvorlage über die Behandlung von Widersprüchen in der Rechtssprechung der Höchstgerichte steht derzeit in parlamentarischer Behandlung. Es soll aber nicht verkannt werden, daß es sich hier um ein sehr schwieriges Problem handelt. Die wiederholt vom Nationalrat geforderte Regierungsvorlage, die den Kostenersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugunsten der obsiegenden Partei vorsieht, ist von der Bundesregierung dem Parlament zu Anfang der laufenden Herbstsession vorgelegt worden. Die Beratungen im Verfassungsausschuß stehen allerdings noch aus.

Eine weitere Novelle zum Verwaltungsgerichtshofgesetz wurde bereits ausgearbeitet, die die Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens bei diesem Gerichtshof zum Gegenstand hat. Sie soll demnächst der Bundesregierung zur Beschlußfassung als Regierungsvorlage unterbreitet werden.

Der Entwurf eines Personalvertretungsgesetzes ist schon seit einiger Zeit diskussionsreif. Hier stehen allerdings in einer grundsätzlichen Frage zwei Meinungen gegenüber. Die eine besagt, daß zur einfacheren Führung von Verhandlungen eine zentrale Personalvertretung wünschenswert wäre. Nach der anderen Auffassung sollen der gegenwärtige Zustand bestehen bleiben und grundsätzliche Fragen des Dienstrechtes, insbesondere des Besoldungswesens, mit allen vier Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes verhandelt werden. Diesbezüglich müssen noch weitere Besprechungen durchgeführt werden. Es ist anzunehmen, daß es bei der letztgenannten Regelung bleiben wird.

Daß die Bundesregierung mit Nachdruck an einem langfristigen Investitionsplan für unsere Wirtschaft arbeitet, ist bekannt. Weniger bekannt ist aber die Tatsache, daß dieser Plan auch die Finanzierung wichtiger kultureller Vorhaben beinhalten wird. Er soll ein richtiggehendes Programm für den kulturpolitischen Aufbau Österreichs enthalten, insbesondere für die Sanierung des österreichischen Schulwesens auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene.

Auf kulturellem Gebiet werden derzeit auch die Arbeiten am Hochschulstudiengesetz durchgeführt. Über die Vorbereitung der land- und forstwirtschaftlichen Schulgesetzgebung ist eine Einigung zwischen Unterrichts- und Landwirtschaftsministerium bereits erzielt worden. Entwürfe zu einem Volksbildungskompetenzgesetz und zu einem Volksbildungsgesetz wurden bereits versendet, es stehen allerdings noch einige Stellungnahmen aus.

Die Landwirtschaft ist eifrig bestrebt, ihre Produkte an die Qualitätsnormen des Europamarktes anzupassen. Produktionsumstellungen, Strukturverbesserungen und Erschließung neuer Verkehrswege dienen diesem Ziele. Behandelt werden derzeit auch Fragen der Ausfuhrregelung für landwirtschaftliche Produkte.

Das sind nur einige Beispiele der Arbeiten, die derzeit die Bundesregierung beschäftigen. Aber ein noch größeres Arbeitsprogramm bleibt für die restlichen drei Jahre dieser Legislaturperiode offen, zum Teil sehr schwierige Fragen, die intensive Beratungen erfordern werden. Ich will im folgenden eine kleine Auswahl der wichtigsten noch zu beginnenden Arbeiten erwähnen:

Notwendig wäre zweifellos eine Wiederverlautbarung der Bundesverfassung. Hiezu liegt allerdings eine Reihe von Reformvorschlägen vor, die über eine Wiederverlautbarung hinausgehen. Solche Reformvorschläge der Verfassung müssen sehr reiflich überlegt werden. Auch eine umfassende Reform der Grundrechte wäre notwendig.

Ich habe auch bereits die Einsetzung einer Kommission in einer bestimmten Zusammensetzung vorgeschlagen. Eine solche Kommission muß das Vertrauen beider Regierungsparteien besitzen, wenn eine zielvolle Arbeit geleistet werden soll.

Ebenso müssen ehestens Beratungen über die Neugestaltung der Bestimmungen über das Haushaltsrecht des Bundes wiederaufgenommen werden, da das derzeit geltende Provisorium Ende 1964 ablaufen wird.

Offen ist auch noch die Frage, wie weit das Prüfungsrecht des Rechnungshofes gegenüber Unternehmungen reicht, an denen der Bund, die Länder und Gemeinden beteiligt sind.

Bekannt ist, daß für die große Strafrechtsreform schon umfangreiche Vorarbeiten geleistet wurden. Freilich wird dieses Gesetz wohl erst gegen Ende der Legislaturperiode im Nationalrat behandelt werden können. Wesentlich früher könnte das neue Pressegesetz verabschiedet werden, über das man sich in vielen Punkten schon geeinigt hat.

Ein wichtiges Problem, das einer Lösung harrt, ist die Krankenversicherung in der Landwirtschaft. Dem Wunsche nach Schaffung der landwirtschaftlichen Pflichtkrankenversicherung stehen verschiedene Bedenken gegenüber, die zum Teil aus einzelnen Kreisen der Landwirtschaft selbst kommen. Hier wird man zumindest Klarheit schaffen müssen, welchen Weg man einzuschlagen hat.

Von besonderer Wichtigkeit für unsere Wirtschaft wäre die Verwirklichung eines klaren Kapitalmarktkonzeptes. Für ein Bundesgesetz zur Förderung der Kapitalbildung und Wirtschaftsentwicklung liegt ein Entwurf vor, der aber noch weiterer Beratungen bedarf. Dazu gehört auch eine Einkommensteuernovelle über die Abänderung der Wertpapierbegünstigung und die Aufhebung der doppelten Belastung der Kapitalgesellschaften. Genauso wichtig sind Maßnahmen zur Förderung der Mobilität des Kapitals. Wenn derzeit ein Unternehmer Kapital aus einem unrentablen Betrieb herausziehen und einem rentablen Produktionszweig zuwenden will, verliert er durch steuerliche Belastungen rund ein Drittel seines Kapitals. Es ist klar, daß sich bei einem derartigen Verlust kaum ein Unternehmer entschließen kann, sein Kapital aus einem weniger rentablen Betrieb abzuziehen.

Wiederholt wurde darauf hingewiesen, daß Österreichs Wirtschaft, soll sie nicht unaufholbar ins Hintertreffen geraten, mehr für seine Forschung tun muß. Diese Überzeugung ist zwar schon Allgemeingut geworden, es wäre nun an der Zeit, daß man sich auch rasch über ein Gesetz zur Förderung der Forschung im Bereich der gewerblichen Wirtschaft einigt.

Notwendig sind auf dem Gebiet der Elektrotechnik gesetzliche Bestimmungen, die die allgemeine Sicherheit bei der Verwendung elektrischer Geräte gewährleisten und gefahrbringende Geräte vom Verkehr und von der Verwendung ausschließen sollen. Ernsthafte Verhandlungen darüber konnten bisher noch nicht geführt werden, da der Koalitionspartner seine Zustimmung zu diesem Gesetz von der Beschlußfassung über ein Elektrizitätswirtschaftsgesetz abhängig macht, dessen Zustandekommen im Rahmen der von der Verfassung gesetzten föderalistischen Ordnung nicht minder wichtig wäre.

Wiederholt in der Öffentlichkeit diskutiert wurde die Schaffung eines Pipeline- Gesetzes, worüber zwar schon Vorverhandlungen geführt wurden, doch konnten die sachlichen Differenzen noch nicht überbrückt werden, die sich hauptsächlich auf die Frage der Kompetenzen beziehen.

Auf landwirtschaftlichem Gebiet sind Bestrebungen im Gange, auch die Produkte Milch, Obst, Kartoffeln und Zuchtvieh in die Aktion zur Förderung der Qualitätsverbesserung der Landwirtschaft einzubeziehen. Aber auch die Forstwirtschaft hat das berechtigte Verlangen aufgestellt, daß die Regelung der Bewertungsfreiheit — insbesondere was Forstwege, Güterwege usw. anbelangt — auf ihren Bereich ausgedehnt wird. Hier sind ernsthafte Verhandlungen kaum noch in Gang gekommen?". .

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Wenn ich al? letzten Punkt die.Notwendigkeit einer Neukonzeption einer Wohnungspolitik anführe, so deshalb, weil es sich hier um ein besonders heißes Eisen handelt, das man nur zögernd anzufassen bereit ist. Wohl sind sich alle verantwortlichen Stellen dessen bewußt, daß wir zu einer neuen Wohnungspolitik gelangen müssen. Ich bin der Meinung, daß man diese Frage nicht im Schatten einer Wahl regeln kann. Sie müßte meiner Meinung nach unbedingt im Laufe des nächsten Jahres zu einer Lösung gebracht werden. Es ist daher erfreulich, festzustellen, daß die ÖVP für eine neue Wohnmarktpolitik ein umfassendes Konzept ausgearbeitet hat, das auf Grund sehr ausführlicher Beratungen entstanden ist. Dieses Konzept, das ich als sehr zielführend ansehe, wird bald der Öffentlichkeit vorgelegt werden, und ich bin davon überzeugt, daß es eine brauchbare Diskussionsgrundlage für die Verhandlungen der beiden Regierungsparteien sein wird. Mit der Erstellung dieses Konzepts wurde ein Schritt vorwärts gemacht, und es besteht begründete Hoffnung, daß wir zu einer einvernehmlichen Regelung zwischen den beiden Parteien gelangen, bevor noch die mit 31. Dezember 1964 gesetzte Frist abläuft, nach der dieses so grundlegende Problem dem koalitionsfreien Raum zuzuweisen wäre.

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