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Ein Dschungel von Vorschriften

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Normalverbraucher sind längst überfordert, wenn es um Betriebsbewilligungen geht. Unfaßbar, wieviele Vorschriften da zum Zuge kommen...

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Normalverbraucher sind längst überfordert, wenn es um Betriebsbewilligungen geht. Unfaßbar, wieviele Vorschriften da zum Zuge kommen...

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Die Unternehmer Österreichs haben's zunehmend schwerer”, klagt die heimische Wirtschaft die vermeintlich unternehmerfeindliche Rechtslage an. Bürgerinitiativen und Anrainer von Großprojekten wiederum kritisieren, daß in Österreich ohnehin alles bewilligt wird.

Betrachtet man die Rechtslage ein wenig genauer, kann man feststellen, daß es tatsächlich eine Unmenge an Vorschriften gibt, deren Einhaltung dem juristisch Ungeschulten längst unmöglich ist. Zahlreiche Bewilligungen sind erforderlich, bis eine Anlage endlich in Betrieb gehen kann. Wer aller Einwendungen erheben kann, ist oft selbst den zuständigen Behörden unklar.

Der Gesetzgeber hat nun versucht, mit der Unübersichtlichkeit aufzuräumen. Seit Juli 1994 ist das Umwelt-verträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) in Kraft, das zumindest auf Großprojekte (Anlagen, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist) Anwendung findet und ein vereinheitlichtes Genehmigungsverfahren schafft.

In diesem hat die Behörde alle einschlägigen Vorschriften anzuwenden. Sinn dieser Neuregelung ist es, nur mehr ein Verfahren zur Erteilung einer Bewilligung abzuführen, in dem gewerberechtliche Bestimmungen über den Naturschutz bis hin zu bauordnungsrechtlichen Vorschriften berücksichtigt werden müssen.

Schon diese kurze Aufzählung zeigt, wie viele Materien in einem Genehmigungsverfahren zu beachten sind. Beabsichtigt ein Unternehmer beispielsweise einen Flohmarkt (der nicht unter das UVP-G fällt) abzuhalten, so benötigt er unabhängig von persönlichen Voraussetzungen (Gewerbeschein) zunächst eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung. Die Gewerbebehörde prüft dabei unter anderem, ob von dem Flohmarkt irgendwelche Gesundheitsverfahren für Nachbarn oder Kunden ausgehen, ob Belästigungen etwa durch Lärm, Rauch oder Staub auftreten können und ob die Flüssigkeit des Verkehrs gewährleistet ist und schreibt - so erforderlich - entsprechende Maßnahmen vor. Für die Ableitung anfallender Abwässer in einen hoffentlich vorhandenen Kanal braucht der Unternehmer eine wasserrechtliche Einleiterbewilligung, die wiederum voraussetzt, daß der Kanal überhaupt noch die nötige Kapazität aufweist. Das bedeutet aber oft den Einbau eines Filters oder Abscheiders in den Kanal, wodurch dem Unternehmer meist schon exorbitante Kosten entstehen.

Beabsichtigt er noch die Errichtung eines kleinen Verwaltungsgebäudes, ist zusätzlich eine baubehördliche Bewilligung erforderlich. Auch darf er nicht vergessen, eine veranstaltungsrechtliche Bewilligung nach dem Veranstaltungsgesetz des jeweiligen Landes zu erwirken. Hat er all diese Bewilligungen mühsam zusammengetragen, meldet sich die Standortgemeinde und verbietet das Projekt, da der Antragsteller noch kein Marktrecht zur Abhaltung des Flohmarktes erwirkt hat. Spätestens jetzt gibt der Zartbesaitete auf...

Ein anderes Beispiel: Jede noch so kleine Bauschuttdeponie setzt eine ab-fallwirtschaftsrechtliche Bewilligung nach dem jeweiligen Landesabfall-wirtschaftsgesetz voraus. Baurechtliche Bestimmungen sind dabei zu berücksichtigen. Da aber mit jeder Deponie die begründete Gefahr einer Grundwasserverunreinigung verbunden ist, bedarf es natürlich einer wasserrechtlichen Bewilligung, um allfällige Ab- und Regenwässer ordnungsgemäß zu entsorgen. Befindet sich nun die Deponie in einer teilweise dem Naturschutz unterliegenden Region, muß auch noch eine naturschutzrechtliche (Ausnahme-)Bewilligung erwirkt werden. Auf weitere Gesichtspunkte (wie etwa arbeitnehmerschutzrechtli-che Bestimmungen) soll hier gar nicht Bezug genommen werden.

Schon diese beiden Beispiele zeigen, mit welchen Schwierigkeiten die Errichtung einer Anlage einhergehen kann. Für den Antragsteller und den potentiellen Betreiber fallen enorme Kosten an. Man muß oft Zeitverzögerungen zur Kenntnis nehmen und nicht selten wird ein Projekt auch auf Grund nachbarlicher Einwendungen überhaupt zu Fall gebracht.

Was zunächst als unverantwortliche Belastung des Antragstellers aussieht und von diesem oft als Schikane empfunden wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber als einzige Möglichkeit, fragwürdige Projekte aufzuzeigen und deren Verwirklichung zu verhindern.

Parteienstellung auch für Bürgerinitiativen

Die fortschrittliche Umweltgesetzgebung der letzten Jahre in Österreich hat es eben gerade erst ermöglicht, daß nicht mehr bloß den Anrainern Parteistellung eingeräumt wird, aufgrund derer relevante Einwendungen gegen Projekte erhoben werden können. Zudem wird nun durch die umfassende Bewilligungspflicht von Projekten sichergestellt, daß eben öffentliche Interessen im Bewilligungsverfahren umfassend gewahrt werden.

So ist im erwähnten UVP-G vorgesehen, daß schon im Vorverfahren nicht nur den klassischen Verfahrensparteien (Anrainern), sondern auch Bürgerinitiativen, wenn sie zumindest über 200 Unterstützungserklärungen verfügen, ein Stellungnahmerecht und in weiterer Folge Parteistellung zukommt. Gerade dagegen laufen die Unternehmer aber nicht ganz unberechtigt Sturm.

Nach Ansicht zahlreicher Projektwerber geht es Vertretern von Bürgerinitiativen überhaupt nicht um sachliche Lösungen, sondern bloß um Verhinderung. Auch wenn dies sicher nicht generell gelten kann, so zeigt die Praxis schon auch, daß vereinzelt Bürgerinitiativen an Sachlösungen kein Interesse haben, sondern ganz klar Projekte zu verhindern trachten.

Das UVP-G nimmt dieses Risiko nicht nur in Kauf, sondern will ganz bewußt das Verfahren transparenter gestalten und im weitesten Sinn eine Bürgerbeteiligung schaffen, durch die den Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, zu noch einzureichenden Vorhaben abschließend Stellung zu nehmen.

Die Absicht des Gesetzgebers dazu ist mit Sicherheit ein legitimes Anliegen der Öffentlichkeit. Durch die Verfahrenskonzentration nach dem UVP-G und durch die Einbindung von Bürgerinitiativen werden allfällige Verzögerungen geschaffen. Betrachtet man dies im Hinblick darauf, daß UVP-Verfahren äußerst aufwendig sind, so bedeutet die erweiterte Parteistellung nicht nur eine Errungenschaft, sondern auch eine Verzögerung, die manches Projekt finanziell zu Fall bringen könnte. Ob die Vorteile überwiegen, kann heute wohl noch keiner sagen.

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