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Ein „Stern” umkreist den Mond

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Apollo 8 soll am 21. Dezember starten. Der präzise Zeitpunkt des Starts hängt allein von technischen Erwägungen ab; unter den Faktoren, die dabei berücksichtigt werden müssen, sind die Bewegung des Mondes um die Erde, die Tageslichtverhältnisse auf dem Startgelände und in dem Meeresgebiet, in dem das Raumschiff nach dem Flug niedergehen soll, sowie die jeweiligen Lichtverhältnisse für photographische Aufnahmen der interessantesten Mondgebiete während der Umfliegung des Erdtrabanten.

Frank Borman, Oberst der Air Force, ist Chefpilot des Fluges; Navy-Kapitän James Lovell, der mit

Borman bereits einen Gemini-Flug absolviert hat, ist für die Steuerung des Raumschiffes verantwortlich und Air-Force-Major William Anders steht auf der Besatzungsliste als „Pilot des Mondlandebootes”. Das kleine Raumschiff, mit dem später zwei der drei Apollo-Astronauten zum Mond absteigen werden, befindet sich allerdings noch im Stadium der Bodenerprobung und wird erst bei einem späteren Flug seinen ersten Weltraumtest haben; Anders übernimmt jedoch bereits bei Apollo 8 den Platz und einige Testaufgaben, die später dem Piloten des sogenannten „LM” zukommen werden. Außerdem wird Anders während der voraussichtlich zehn Umkreisungen des Mondes mit drei Kameras Aufnahmen von der erdnahen und erdabgewandten Seite des Mondes machen, von denen man viele neue und hochinteressante Aufschlüsse über die Mondoberfläche erwartet.

Der Flug wird „offen” durchgeführt, in einer Reihe von Etappen, die als „Plateaus” oder „Entscheidungspunkte” bezeichnet werden — dies gewährleistet nach Ansicht der NASA-Experten die größtmögliche Sicherheit für die Raumschiffpiloten und bietet die Möglichkeit, das Flugprogramm den jeweiligen Verhältnissen anzupassen und so den größtmöglichen Erfolg zu erzielen, auch wenn sich eine mehrmalige Mondumkreisung nicht durchführen Meße. In diesem Fall würde Apollo 8 etwa eine Satellitenbahn in großer Erdentfernung — bis zu 100.000 Kilometer — einschlagen.

Die riesige Saturn 5 wind das auf der dritten Raketenstufe „3-IVB” sitzende Raumschiff zunächst auf eine sogenannte „Parkbahn” in rund 185 km Entfernung um die Erde tragen. Während der zweiten oder dritten Erdumkreisung wird durch Zündung der dritten Stufe das Raumschiff auf Mondkurs einschwenken, wobei seine Stundengeschwindigkeit von 28.000 km auf rund 38.700 Kilometer erhöht wird. Der Mondkurs ist so errechnet, daß das Raumschiff nach einem Vorbeiflug am Mond wieder zur Erde zurückkehren kann, falls man auf eine Mondumkreisung verzichten müßte. Bei Annäherung an den Mond wird die Raumschiffgeschwindigkeit wieder vermindert werden, bis sie in etwa 48.000 km Entfernung nur noch rund 3400 km/h beträgt; von da an bewirkt die Anziehungskraft des Mondes eine neuerliche Beschleunigung. In größter Mondnahe wird die Raumschiffbesatzung mit dem Antriebssystem die Geschwindigkeit auf rund 6000 km/h drosseln, um in eine Mondumlaufbahn einzuschwenken, deren fernster Punkt in etwa 313, der nächste in 112 km Entfernung liegt und nach etwa zwei Mondumkreisungen neuerlich beschleunigen, um die weiteren Mondumläufe in einer Kreisbahn zirka 112 km über der Mondoberfläche durchzuführen. Die Flugdauer bis zur Mondumlaufbahn wird rund 60 Stunden betragen.

Nach insgesamt zehn Umkreisungen des Mondes, deren jede rund zwei Stunden dauert, wird das Antriebssystem neuerlich gezündet, um das Raumschiff auf Erdkurs zu tragen. Der Rückflug vom Mond wird ungefähr 57 Stunden dauern. Dabei muß Apollo 8, dessen Geschwindigkeit durch die Erdanziehung allmählich auf 40.000 km/h gesteigert wird, unter einem bestimmten Winkel in einen relativ schmalen „Korridor” einfliegen. Träte das Raumschiff unter einem zu steilen Winkel in die Erdatmosphäre ein, würde auf seine Insassen eine so hohe Schwerebeschleunigung einwirken, daß ihr der menschliche Organismus voraussichtlich nicht gewachsen wäre. Bei einem zu flachen Eintrittswinkel hingegen geriete es in andere Gefahren: Es wäre entweder zu lange der extrem hohen Reibungshitze ausgesetzt oder es würde in eine weite Umlaufbahn um die Erde abgetrieben.

Kurz vor dem Eintritt in die Erdatmosphäre wird der nun nicht mehr nötige Betriebsabschnitt des Raumschiffs, in dem sich Treibstoffbehälter und Antriebssystem befinden, abgetrennt und nur die kegelförmige Pilotenkanzel von Apollo 8 fliegt — die breite Basis mit dem Hitzeschild voran — auf die Erde zu. Rund sechs Tage nach dem Start wird Apollo 8 auf dem Pazifischen Ozean nieder- : gehen.

Wie General Phillips am 12. No- vernber bei der Bekanntgabe des endgültigen Flugprogramms für Apollo 8 sagte, verfolge man mit dem geplanten Flug um den Mond den Zweck, das System Apollo- Saturn 5 in maximalem Ausmaß weiterzuentwickeln, während gleichzeitig die restlichen technischen Probleme des Mondlandebootes beseitigt würden. In den letzten Monaten hatte man das gesamte Apollo-Programm gründlich überprüft, sämtliche Teile der Saturn 5 rigorosen Bodentests unterworfen und das Raumschiff Apollo 8 und seine Systeme einer ebenso eingehenden Überprüfung unterzogen. Als Dr. Thomas Paine, der Direktor der NASA, am 11. November eine Konferenz aller maßgebenden Fachleute einberief, sprachen sich sämtliche Techniker einstimmig für das Mondumkreisungsprojekt aus, auf das Borman und seine Copiloten bereits gedrängt hatten.

Dr. George Müller, NASA-Vize- direktor für bemannte Raumfahrt, führte als Hauptargumente an, daß bei der Mondumkreisung durch Apollo 8 wertvolle technische Erfahrungen über _das Funktionieren der Fernmelde- und Navigationssysteme des Raumschiffs über die Entfernung Mond—Erde gewonnen und zugleich hinsichtlich der Bodeneinrichtungen und der Programmierung des Bordcomputers für die spätere Mondlandung entscheidende Erprobungen durchgeführt werden könnten. Doktor Müller verwies auch auf die Tatsache, daß der Mondflug von Apollo 8 neue Erkenntnisse über die Verhältnisse im erdfernen Weltraum erbringen und den Astronauten Gelegenheit geben würde, sich in der visuellen Orientierung nach Einzelheiten des Mondgeländes zu üben und photographische Erfahrungen zu sammeln. Außerdem biete der Flug die günstige Möglichkeit, Schwankungen in der Mondanziehungskraft, die von den amerikani- ‘ sehen Raumsonden der Reihe „Luna Orbiter” aufgedeckt wurden, nach- zu messen.

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