6579903-1951_11_08.jpg
Digital In Arbeit

Eine neue Darstellung des Volkerrechts

19451960198020002020

Völkerrecht. Von Alfred Verdros. Springer-Verlag, Wien 1950. 508 Seiten

19451960198020002020

Völkerrecht. Von Alfred Verdros. Springer-Verlag, Wien 1950. 508 Seiten

Werbung
Werbung
Werbung

Von allen Interessierten schon dringlieh erwartet, ist kurz vor Weihnachten 1950 eine Gesamtdarstellung des heutigen positiven Völkerrechts des Wiener Universitätsprofessors Alfred Verdross erschienen. Gpjen-über der 1937 erschienenen ersten Auflage bezeichnet der Verfasser den jetzt vorliegenden stattlichen Band angesichts der großen politischen .und rechtlichen Veränderungen der letzten vierzehn Jahre als .Zweite, völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage“.

Verdross gliedert sein Weik in drei Teile. Der erete ist den Grundlagen und der Entwicklung des Völkerrechts (Seite 1 bis 74) gewidmet, der zweite der Darstellung des allgemeinen Völkerrechts, der dritte der Verfassung der organisierten Staatengemeinschaft.

Als soziologische Grundlagen führt Verdross die Vielheit von Staaten, die staatliche Souveränität, den internationalen Verkehr und übereinstimmende Rechtsvorstellungen an. Vor allem aber ist Verdross um eine s:chere rechtsphilosophische Fundierung seines Systems bemüht. Verdroß führte schon 1931 in einem Beitrag zu der Festschrift für Hans Kelsen ' fS. 358) aus: .Zwischen den beiden Polen der Wertphilosophie und der Soziologie ist das positive Recht unentrinnbar eingespannt. Mit seinem Haupte weist es über sich hinaus auf die Welt der Werte, aus der es erst seine normative Geltung herleiten kann, mit seinen Füßen steht es dagegen auf dem festen soziologischen Boden des tatsächlichen Verlaufes menschlicher Handlungen.“ Verdross legt nun in überzeugender Weise dar, daß gegen RechtsVerletzungen zwar im allgemeinen Sanktionen vorgesehen sind, daß diese Sanktionsreihe aber nicht unendlich ist. Das rechtliche Sollen bedeutet daher zwar meistens: handle so, sonst wird dich eine Unrechtsfolge treffen: bei den obersten Organen (des Staates und der Staatengemeinschaft), die Verdross Grenzorgane nennt, ist das Sollen rechtlich sanktionslos: handle so, weil die Moral es gebietet. Mündet aber jeder Rechtssatz schließlich in ein moralisches Sollen, dann ist auch die Geltung der sanktionierten Rechtsnormen von einer rechtlich sanktionslosen moralischen Norm abhängig. Damit hat Verdross die reine Rechtslehre, die beim philosophischen Rechtspositivismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts stehengeblieben ist, folgerichtig zu Ende gedacht und ihren philosophischen Positivismus unter Beibehaltung ihrer verfeinerten rechtstheoretischen Erkenntnisse überwunden. Verdroß formuliert daher die oberste Norm des Völkerrechts (Grundnorm) dahin, daß die Völkerrechtssubjekte die allgemeinen Rechtsgrundsätze, welche die Kulturvölker übereinstimmend anerkennen, durch Herkommen (Völkergewohnheitsrecht) und Verträge befolgen sollen. Hinsichtlich des Verhältnisses von Völkerrecht und staatlichem Recht tritt Verdroß als Monist für die Einheit des rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft ein; so lautete schon der Titel eines seiner Bücher, das 1923 erschienen ist. Mit dieser wertphilosophischen Grundlegung tritt Verdross in die seit den Begründern der Völkerrechtswissenschaft (Vitoria, Suarez, Grotius) ununterbrochene Reihe der Vertreter des Naturrechts christlich-abendländischer Prägung. Im zweiten Teil (S. 75 bis 399) stellt Verdross das allgemeine positive Völkerrecht dar. In neuartiger Systematik werden die einzelnen Normenkomplexe mit stupendem Wissen um schwierigste Einzelfragen vorgeführt: die Subjekte und die Quellen des Völkerrechts, die völkerrechtliche Abgrenzung der staatlichen Geltungsbereiche, die Organe der Völkerrechtsgemeinschaft, die völkerrechtlichen Staatenverbindungen, die Grundrechte der Staaten, das völkerrechtliche Fremdenrecht. Im Abschnitt .Das völkerrechtliche Unrecht und seine Folgen“ wird die Staatenhaftung mit einer Akribie untersucht, wie sie sonst nur in Monographien zu finden ist. Weitere Kapitel sind der friedlichen Austragung von Streitigkeiten und der Untersuchung der Sanktionen des allgemeinen Völkerrechts gewidmet Neben dieser an feinen Analysen reichen Darstellung des Friedensrechtes findet auch das Kriegsrecht und das Neutralitätsrecht seine traditionelle Berücksichtigung.

Da nach Verdross' Auffassung der gegenwärtige Umwandlungsprozeß des Völkerrechts darauf hinzielt, das Völkerrecht aus einem Normensystem einer nichtorganisierten Staatengemeinschaft — dieses sogenannte „klassische Völkerrecht“ ist im zweiten Teil des Werkes in umfassender Weise dargestellt — in die Rechtsordnung der organisierten Menschheit umzuwandeln, ist der dritte Teil des Werkes (S. 400 bis 495) eben der Verfassung der organisierten Staatengemeinschaft gewidmet. Hier werden die Organisation der Vereinten Nationen und die Funktionen der organisierten Staatengemeinschaft dai gestellt.

Es ist in diesem Rahmen kaum möglich, aus der Fülle des Gebotenen einzelne Partien als besonders geglückt hervorzuheben. Daß der Verfasser seine Darstellung auf breitester Grundlage aufbaut, möge folgender Hinwei6 illustrieren. Das Werk erwähnt und analysiert mehrere hundert völkerrechtliche Verträge und Vereinbarungen. Es zieht die internationale Judikatur und die nationale Rechtsprechung, soweit sie für das Völkerrecht erheblich ist, in einem Umfang heran, wie keine frühere Darstellung des Völkerrechts in deutscher Sprache — ein eigenes Verzeichnis der Judikatur führt an die 350 ausgewertete Präzedenzfälle und Entscheidungen an. Dazu ist die Fachliteratur in fünf Sprachen (englisch, französisch, italienisch, deutsch und spanisch) bis zu kleinen Zeitschriftenartikeln, soweit 6ie von Bedeutung sind, bearbeitet. Nur ein nie erlahmender Gelehrtenfleiß und ein unbeugsamer Forscherwille machte diese große Leistung in den schweren Zeiten möglich, wie sie die verflossenen 14 Jahre für einen Europäer, und namentlich für einen Oster-reicher, gewesen sind.

Verdros hat mit dem vorliegenden Werk in würdiger Nachfolge der großen österreichischen Völkerrechtslehrer Heinrich Lammasch und Leo S t r i s o w e r die bedeutendste Darstellung des Völkerrechts in deutscher Sprache geschaffen, die den Wettstreit mit den Spitzenleistungen der ausländischen Völkerrechtsliteratur gleichen Umfanges in jeder Hinsicht autnehmen kann. In Würdigung seiner Verdienste um die Völkerrechtswissenschaft haben die im Institut de Droit Internationale vereinigten bedeutendsten Völkerrechtslehrer der ganzen Welt Alfred Verdross vor kurzem zum wirklichen Mitglied gewählt.

So hat Verdross knapp nach Vollendung seines 60. Lebensjahres eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen Österreichs seit seiner Befreiung erbracht. Theoretiker und Praktiker, Fachleute und Studenten, Freunde und Schüler werden weit über die Grenzen Österreichs und des deutschen Sprachgebietes hinaus zu diesem Standardwerk der Völkerrechtswissenschaft als einem stets verläßlichen Ratgeber greifen.

Das Handbuch des Rosenkranzes. Von DDr. Wilfried Kirsch. Domverlag, Wien. XXIV und 526 Seiten.

Dieses Buch bietet wirklich, was der Untertitel verspricht, eine Summa St. Rosarii, eine im wesentlichen erschöpfende Gesamtdarstellung alles dessen, was wissenswert i6t über den Rosenkranz, über die Rosenkranzorganisationen und die Privilegien, welche mit dem Beten des Rosenkranzes und mit der Zugehörigkeit zu den päpstlich approbierten Rosenkranzvereinigungen verbunden sind.

Der Verfasser ist weder Theologe von Beruf noch Kanonist im geistlichen Gewände, sondern Universitätsprofessor der Rechtswissenschaften und Dr. Dipl.-Ing. der Bodenkultur. Laut Vorlesungsverzeichnis 1950/51 doziert Professor Kirsch an der Hochschule für Bodenkultur in Wien Verfassung, Verwaltung und österreichisches Privatrecht.

Die Seelsorger werden Kirsch dankbar sein für die feingegliederte biblische Behandlung der drei göttlichen Tugenden, für die ungemein lebensnahen volkstümlichen Rosenkranzbetrachtungen und die biblischen einschlägigen Texte. Sozusagen inter parentheses stellt der Verfasser eine imposante Reihe männlicher und weiblicher Genossenschaften vor, Bit Jahreszahl Ihrer Gründung, Angaben der Ihnen eigenen Sendung und ihrer geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzgebung betreff der Rosenkranzverehrung. Am aller-unentbehrlichsten macht sich diese Summa S. S. Rosarii durch den kanon istischen Teil, der sich mit der kirchlichen Gesetzgebung bezüglich des Rosenkranzes, seiner päpstlich approbierten Organisationen (Rosenkranzbruderschaft, Ewiger Rosenkranz und Lebendiger Rosenkranz) und den vom Heiligen Stuhl bewilligten Privilegien befaßt. Die hochwürdigsten bischöflichen Ordinariate und die hochwürdigen Pfarrämter finden in diesem Teil der Summa St. Rosarii eine kaum versagende Orientierung über alle Fragen, die sich mit der Eintührung, Pflege und Aufhebung der päpstlich approbierten Vereinigungen von Rosenkranzverehrern befassen, alles auf den Stand maßgebender Entscheidungen gebracht.

Das Werk verdient eine Übersetzung in alle Kultursprachen, es ist in seiner Art ohne Gegenstück.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung