Eine weltliche Pilgerstätte

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Mehr als drei Millionen Menschen haben das Adenauerhaus bei Bonn seit 1967 besichtigt. Zur Dauerausstellung hat nun die Stiftung des Hauses einen opulent illustrierten und inhaltlich lesenswerten Bildband herausgebracht.

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Mehr als drei Millionen Menschen haben das Adenauerhaus bei Bonn seit 1967 besichtigt. Zur Dauerausstellung hat nun die Stiftung des Hauses einen opulent illustrierten und inhaltlich lesenswerten Bildband herausgebracht.

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Der Wettstreit um den Parteivorsitz hat der Christlich Demokratischen Union (CDU) neues Leben eingehaucht. Endlich gab es wieder Überraschungsmomente, wurden wieder Emotionen geweckt, so die Gefühlslage vieler Mitglieder und interessierter Bürger. Da manche von der CDU spöttisch als "Kanzlerwahlverein" sprechen -hier mag auch eine Prise Neid durchschimmern - stellt sich nun die Frage: Kann die neue Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auch Kanzlerin?

Denn es ist zu einer Art Naturgesetz geworden, dass die Parteivorsitzenden der Union zugleich auch nach der Kanzlerschaft greifen. In diesem Fall muss das aber nicht so sein. Die Partei wirkt zurzeit noch gespalten. Ein demokratischer Wettbewerb hat eben seinen Preis. Fünfzig Prozent konnten sich über den Wahlerfolg von Kramp-Karrenbauer freuen, fünfzig Prozent sind enttäuscht vom Ergebnis.

Ohne den CDU-Politikern Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz oder Jens Spahn zu nahe zu treten, wird man konstatieren müssen: An das Format des bundesrepublikanischen "Gründungskanzlers" Konrad Adenauer (CDU) reichen sie alle (noch) nicht heran. Ein sehr schöner Bildband bietet nun die Gelegenheit, sich noch einmal in Leben, Werk und Gedankenwelt des Kanzlers aus Rhöndorf bei Bonn zu vertiefen. So fremd sind ihm AKK, Merz und Spahn ja auch wiederum nicht: Alle drei kommen aus Westdeutschland und sind katholisch.

Noch ein Buch über Adenauer? Der vorliegende Band ist ein ganz besonderes Buch. Der Bonner Historiker Jürgen Peter Schmied, Autor der Standardbiographie über den deutschen Publizisten Sebastian Haffner und Mitarbeiter der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, wirft in leicht verständlicher Sprache einen Blick auch auf das private Leben des ersten Bundeskanzlers.

Schmied hat die Dauerausstellung "Konrad Adenauer 1876-1967. Rheinländer, Deutscher, Europäer" kuratiert. Auf rund 190 Seiten schildern Schmied und die Geschäftsführerin der Stiftung, Corinna Franz, die wichtigsten politischen Stationen im Leben Adenauers: beginnend mit seiner Jugend im Kaiserreich und endend mit Adenauers Arbeit an seinen Lebenserinnerungen im stilvollen Pavillon im Garten seines Hauses in Rhöndorf. Sehr schöne Bildaufnahmen aus Adenauers privatem und beruflichem Leben machen den Band auch zu einem wahren Augenschmaus, der zu längerem Verweilen einlädt.

Kirche, Familie -und Krimis

Selbst diejenigen, die vielleicht die monumentale doppelbändige Biographie aus der Feder des verstorbenen Zeithistorikers Hans-Peter Schwarz studiert haben, werden Neues entdecken. Und all jene, die keinen wissenschaftlichen Blick auf den Mann werfen möchten, der den moralischen Wiederaufstieg und die wirtschaftliche Genesung Westdeutschlands nach 1945 erst möglich gemacht hat, werden sich erfreuen am privaten Adenauer: dem Gartenfreund und Bocciaspieler, dem rheinischen Familienpatriarchen und katholischen Christen, dem Krimileser mit einer Vorliebe für Agatha Christie und Edgar Wallace.

Familie und Religion nahmen einen besonderen Stellenwert im Leben des früheren Kölner Oberbürgermeisters ein. "Jeden Sonntag besuchte der Kanzler, sofern er in Rhöndorf weilte, den Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Mariä Heimsuchung. Noch heute erinnert in dem Gotteshaus eine Plakette an den Sitzplatz des berühmten Gemeindemitglieds", schreibt Schmied. Wie sehr ihm die Feier der heiligen Messe trotz aller anstrengenden Amtsgeschäfte am Herzen lag, zeigt ein Brief, der in dem Band abgebildet ist. Am 17. Juli 1960 kritisierte Adenauer den Geistlichen "scharf wegen dessen Predigt und der nachlässigen Form des Gottesdienstes am Vormittag".

Wer nach der Lektüre und dem Genuss der vielen historischen Abbildungen auf den Geschmack gekommen ist, sollte einmal nach Rhöndorf nahe Bonn fahren und das Haus aufsuchen, in dem Adenauer die letzten 30 Jahre seines langen Lebens verbracht hat. Es ist nahezu unverändert erhalten.

Stiftung Bundeskanzler- Adenauer-Haus Bad Honnef-Rhöndorf Di-So 10-16.30 www.adenauerhaus.de

Konrad Adenauer Der Kanzler aus Rhöndorf Von der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (Hg.), WBG Darmstadt 2018.192 S., € 19,95 an der Museumskasse, sonst €25,95

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