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Einige Milliarden zu holen

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Welche Vorstellungen die ÖVP mit ihrem Vorschlag, Selbstbehalte im Gesundheitswesen einzuführen verbindet, erläutert ihr Gesundheitssprecher.

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Welche Vorstellungen die ÖVP mit ihrem Vorschlag, Selbstbehalte im Gesundheitswesen einzuführen verbindet, erläutert ihr Gesundheitssprecher.

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Selbstbehalte sollen sozial Schwächere nicht von Leistungen abhalten. Selbstbehalte sollen das hohe Niveau der österreichischen Gesundheitsversorgung sichern und eine Zweiklassenmedizin vermeiden.

Selbstbehalte sollen Beitragserhöhungen verhindern.

An erster Stelle im Gesundheitswesen muß aber ein „Sparkurs" mit Beformen stehen: Neben Einsparungen im Spital sind soviele Leistungen wie möglich aus dem Spital zu verlagern. Dies erfordert dringend einen Ausbau des Netzes mit niedergelassenen Ärzten insbesonders von Fachärzten und Gruppenpraxen.

In Osterreich sind im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland 80 Prozent weniger Fachärzte mit Krankenkassenverträgen niedergelassen. Dies führt für Patienten oft zu monatelangen Wartezeiten. Um das ambulante Netz zu stärken sind daher 1000 neue Kassenarztstellen, vorrangig Facharztstellen zu schaffen, um die Versorgung in schlechtversorgten Gebieten zu stärken.

Generell tritt die ÖVP für eine maximale Förderung der Prävention und Vorsorgemedizin ein. „Der Patient soll möglichst spät krank werden."

Schon derzeit zahlen Eisenbahner, Beamte, Gewerbetreibende und Bauern Selbstbehalte bei Arztleistungen. Dies erbrachte bei den Beamten 1994: 518 Millionen Schilling, bei den Gebietskrankenkassenpatienten war dies nicht der Fall. Unter der Annahme, daß die Patienten in Zukunft 50 Schilling pro Schein (er gilt für drei Monate) zahlen, wäre bei 26,7 Millionen Scheinen (1994) abzüglich sozialer Grenzen (unter 10.000 Schilling keine Kosten) eine Milliarde Schilling zu erwarten.

In den Spitälern wurden Ambulanzleistungen um 8,7 Milliarden Schilling erbracht mit durchschnittlichen Fallkosten von 1.979 Schilling (der durchschnittliche Fallwert bei den niedergelassenen Ärzten waren 523 Schilling). Nimmt man diese 4,4 Millionen Spitalsambulanzpatienten und addiert dazu die Patienten in diversen Kassenambulatorien und Instituten, so kommt man auf ca. 9 Millionen Behandlungsfälle: 100 Schilling Selbstbehalt abzüglich sozialer Grenzen würde hier ca. 700 Millionen Schilling erbringen.

1994 wurden in Österreich 222.478 Kurverfahren durchgeführt mit 4,9 Millionen Behandlungstagen. Der bei den Koalitionsverhandlungen schon akzeptierte Selbstbehalt von 100 Schilling würde abzüglich sozialer Freigrenzen 400 Millionen Schilling bringen.

Unter der Berücksichtigung der bisherigen Obergrenze von 14 Tagen pro Jahr und von Einkommensgrenzen war zwischen den Begierungsparteien eine Ausweitung des Selbstbe-haltes von derzeit 65 Schilling auf 100 Schilling vereinbart. Derzeit bringen die Selbstbehalte im Spital 500 Millionen Schilling. Dies würde etwa 250 Millionen Schilling zusätzlich einbringen.

1994 betrugen die Medikamentenkosten 14,4 Milliarden Schilling, davon wurden 2,39 Milliarden Schrlling an Bezeptgebühren aufgebracht. Durch die Erhöhung der Rezeptgebühren von derzeit 34 auf 42 Schilling könnten 400 Millionen Schilling herreingebracht werden.

Der Aufwand bei Heilbehelfen (Seh-, Hör-, Orthopädische Hilfen ...) hat sich seit 1988 von 1,45 Milliarden auf 2,93 Milliarden Schilling im Jahr 1994 verdoppelt. Allein bei Brillen und Kontaktlinsen wenden die Sozialversicherungen jährlich 537 Millionen Schilling auf. Bei den Heilbehelfen ist insgesamt ein Einsparungspotential von 500 Millionen Schilling vorhanden. Das derzeitige Zuschußsystem bei der Psychotherapie sollte bleiben, da eine völlige Bezahlung jedweder Therapien von derzeit 800 bis 1000 Schilling pro Stunde ohne Li -mitierung der Behandlungsdauer binnen 10 Jahren einen zusätzlichen Betrag von acht Milliarden Schilling jährlich erforderlich macht.

Die offiziellen Verwaltungs- und Verrechnungskosten betragen bei der Unfallversicherung 8,8 Prozent der Einnahmen. Bei der Pensionsversicherung sind es 2,1 Prozent und bei der Krankenversichung vier Prozent. Insgesamt 10,378 Milliarden Schilling. Zu bemerken ist, daß im Zuge der Differenzen zwischen der Pensionsversicherung der Angestellten und der Arbeiter im Sommer von dieser behauptet wurde, daß die Pen-sionsversichung der Arbeiter um etwa eine halbe Milliarde günstiger arbeite als die der Angestellten. Die vorgelegten Zahlen lassen ein Sparpotential von etwa einer Milliarde Schilling vermuten.

Der Autor ist praktischer Arzt in Wien und ÖW-Ge-sundheitssprecher.

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