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Erster Versudi

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Die ..ersten Versuche des Landes Oberösterreich und der Stadt Linz, ein technisches Studium, später ein sozial-und wirtschaftswissenschaftliches Studium in Linz aufzubauen, stießen auf die Interesselosigkeit weiter Teile der Bevölkerung und auf die klare Gegnerschaft der bestehenden hohen Schulen, die zum Teil wohl verständlich war, hatten sie doch selbst mit größten finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen: Kaum waren die Nachkriegsschäden so halbwegs beseitigt, so standen sie der starken Zunahme an Studenten gegenüber. In all djifceh' Jahren war praktisch Unterrichtsminister Dr. Drimmel der einzige, der dem Linzer Hochschulprojekt aufgeschlossen und verständnisvoll gegenüberstand.

Ein Blick auf Österreichs Nachbarländer — und zwar im Westen wie im Osten — zeigt, daß Österreich auf dem Hochschulsektor manches nachzuholen hat. Auch wenn keineswegs alles,, was England oder die Vereinigten Staaten vorexerzieren, nachahmenswert ist und auch wenn der Osten mit all seinen gigantischen Anstrengungen manche Enttäuschung hinnehmen muß. so hat Österreich alle Hände voll zu tun, um nicht ins Hintertreffen zu kommen. So darf — um nur ein Beispiel herauszugreifen — einfach nicht übersehen werden, daß im Gegensatz zu Österreich mit seinen 10 wissenschaftlichen Hochschulen mit zusammen 24 Fakultäten und 5 Akademien mit insgesamt 36.110 Hörern die Tschechoslowakei mit ihren rund 13,6 Millionen Einwohnern — also knapp doppelt soviel wie Österreich — über 50 Hochschulen, 108 Fakultäten und 94.040 Hörer verfugt. Gewiß mag es mancherlei Qualitätsunterschiede und schwierige Vergleichsmöglichkeiten geben, eine besonders erfreuliche Situation Österreichs kann man aus diesem Vergleich aber ganz gewiß nicht herauslesen.

Schließlich ist es der außerordentlich hohe Anteil von Auslandsstudenten, der für Österreich ehrenvoll und vorteilhaft ist, für die Hochschulen jedoch, und vor allem für eine Reihe von Fakultäten, eine außerordentliche Belastung darstellt (1955/56: 4549; 1956/57: 6126; 1957/58: 8376; 1958/59: 10.015; 1959/60: 10.243).

Für Oberösterreich selbst gibt es eine Reihe zusätzlicher Argumente, die die Linzer Hochschulpläne als dringend erscheinen lassen:

Oberösterreich, das vor allem im letzten Menschenalter eine ungeahnte Entwicklung mitgemacht hat und trotz aller Industrialisierung nichts an seiner Harmonie verloren hat, ist auf dem Gebiet der Hochschulbildung, aber auch auf dem Mittelschulsektor ins Hintertreffen geraten. Während etwa Oberösterreichs Anteil an der Gesamtbevölkerung Österreichs 16,25 Prozent ausmacht, erreicht sein Anteil an der Gesamtzahl der österreichischen Mittelschüler nur 13,45 Prozent. Im österreichischen Durchschnitt entfallen auf 1000 Österreicher 11,2 Mittelschüler, in Oberösterreich aber kommen auf looo Einwohner nur 9,3 Mittelschüler. Gegenüber dem Bundesdurchschnitt „fehlen“ also in Qber-ö^rf^h^^^^lschülwjbuftjjfthft nuj;,-eine bedeutende Zahl in Anbetracht\eine.r zu .gründenden Hochschule, sondern auch in Anbetracht des an allen Ecken und Enden auftretenden Mangels an guten Fachkräften.

Diese Entwicklung ist natürlich erst recht bei den Hochschülern sichtbar: Während etwa Oberösterreich und die Steiermark gleich viel Einwohner aufweisen, haben 1961 4147 Hochschüler ihren Wohnsitz in der Steiermark, aber nur 3034, also um ein gutes Drittel weniger, ihren ständigen Wohnsitz in Oberösterreich. Noch viel krasser ist der Vergleich mit Wien. Während Oberösterreich 1,1 Millionen und Wien 1,6 Millionen Einwohner zählt, gibt es 11.106 Hochschüler, die in Wien beheimatet sind, aber nur 3034 oberösterreichische Hochschüler!

Das Bestreben, die vorhandenen Begabungen mehr als bisher auszuschöpfen, ist übrigens keineswegs nur im oberösterreichischen, sondern auch im gesamtösterreichischen Interesse.

Damit im Zusammenhang steht auch die Tatsache, daß Oberösterreich ein stärkeres geistiges Zentrum benötigt, als dies die derzeitigen — an sich sehr wertvollen und gut arbeitenden — Institute und wissenschaftlichen Einrichtungen (etwa Landesarohiv, bundesstaatliche Studienbibliothek, Adalbert-Stifter-Institut, Institut für Landeskunde von Oberösterreich) sein können. Eine Hochschule wäre der richtige und nötige Kristallisationspunkt für eine weitere wissenschaftliche Arbeit.

Schließlich könnte die neue Linzer Hochschule den jetzt leider immer wieder unterbrochenen Blutkreislauf schließen. Bisher konnte Oberösterreich immer nur Wissenschaftler (zuletzt: Prof. Guber nach Freising, Prof. Hofmann auf den Lehrstuhl für österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien und Msg.r. Dr. Klostermar.n als Nachfolge Pflieglers an den Lehrstuhl für Pastoraltheologie in Wien) abgeben, während nach Errichtung einer neuen Hochschule gewiß auch weiterhin viele Fach- und Spitzenkräfte Linz und Oberösterreich verlassen würden, dafür aber eine Reihe anderer angezogen würde.

Welche Fächer sollen nun an der geplanten Linzer Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaft gelehrt werden? Vorgesehen sind zwei Studienrichtungen, eine für Sozialwissenschaften und eine für Wirtschaftswissenschaften; nach einem viersemestrigen gemeinsamen Studium ist anschließend ein viersemestriges Spezialstudium vorgesehen; man könnte sich vorstellen, daß es mit dem „Diplomvolkswirt“ beziehungsweise „Diplomsozialwirt“ abschließen würde. Ein „Dr. rer. oec.“ könnte nach einer Dissertation erworben werden.

Vorgesehen sind vorerst — auch wenn die Gespräche noch keineswegs abgeschlossen sind — Vorlesungen über Sozialwissenschaften und Nationalökonomie, aber auch über Arbeitsrecht, öffentliches und privates Recht, Sozialpolitik, Betriebswirtschaftslehre, Geschichte der Neuzeit und Psychologie.

Schon weit vor den derzeitigen Salzburger Plänen, nach denen eine Volluniversität angestrebt wird, sah man in Linz die Gefahr einer „Schmalspurfakultät“ und dachte an einen gewiß bald notwendigen Ausbau, der sich allerdings von den Salzburger Plänen wesentlich unterscheiden würde; so bietet sich vor allem die

Errichtung einer juridischen Fakultät und der Ausbau der schon bestehenden theologisch-philosophischen Diözesan-lehranstalt in eine theologische Fakultät an, aber auch eine Ausweitung nach der technischen Seite scheint nach dem letzten Besuch der Rektoren der österreichischen Hochschulen nicht aussichtslos.

Das Land Oberösterreich und die Stadt Linz sind gewillt, für die neue Hochschule mancherlei Opfer zu bringen; vorerst wurde gemeinsam von Land und Stadt der für die Hochschule nötige Grund in der landschaftlich reizvollen Gegend nördlich der Donau (Auhof) aus Starhembergschem Besitz angekauft; für die neue Hochschule wurde auch bereits ein Architekturwettbewerb mit interessanten Ergebnissen durchgeführt. Die Gesamtbaukosten für die Hochschulgebäude würden nicht unter 80 Millionen Schilling liegen.

Es ist heute kaum noch bedeutsam, auf die Schwierigkeiten' der letzten Jahre und die neuen, nicht allzu spürbaren Widerstände im Landtag (FPÖ) hinzuweisen; auch bei einer nüchternen Betrachtungsweise muß offen zugegeben werden, daß die geplante Linzer Hochschule, die vor allem in Landeshauptmann und Bürgermeister Dr. Koref unermüdliche Initiative besitzt, eine Notwendigkeit für Oberösterreich und eine Chance für ganz Österreich darstellt.

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