"Es gab unzählige Urknalle"

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Das erste Sachbuch von Heinz Oberhummer bietet eine leicht verständliche Einführung in die Astrophysik. Mit der Furche spricht er über sein Fach, Science Fiction und Glaube.

Die Furche: Herr Professor Oberhummer, wenn man Ihr neues Sachbuch liest, bekommt man den Eindruck, Sie mögen Stephen Hawking nicht.

Heinz Oberhummer: Wieso? Ich halte ihn für einen brillanten Wissenschafter. Man muss sich das vorstellen: Er macht diese komplizierten Berechnungen, ohne ein Blatt Papier zu Hilfe zu nehmen. Alles im Kopf! Außerdem habe ich ihn als einen sehr umgänglichen Menschen erlebt. Nein, er ist durchaus sympathisch.

Die Furche: Vielleicht war die Frage unpräzise gestellt: Hawkings Thesen kommen im Buch schlecht weg.

Oberhummer: Aus einem einfachen Grund: Seine Ideen lassen sich nicht durch Experimente erhärten. Deswegen kritisiere ich auch die Stringtheoretiker. Ihre Hypothesen lassen sich ebenfalls weder verifizieren noch falsifizieren.

Die Furche: Ist nicht auch die von Ihnen propagierte Multiversum-Theorie mehr Science Fiction als Science? In Ihrem Buch etwa steht: "Da die anderen Universen wahrscheinlich auf ewig von dem unseren getrennt sind, ist es schwer vorstellbar, wie wir dieses Multiversum jemals überprüfen können."

Oberhummer: Richtig ist: Es gibt kein direktes Experiment, das die Existenz von parallelen Welten nachweisen könnte. Aber - die Multiversum-Theorie folgt aus der Inflationstheorie. Diese wiederum ist die beste kosmologische Theorie, die wir zurzeit haben. Und sie fußt auf Beobachtungen. Als ein NASA-Satellit unlängst neue Daten zur Erde schickte, habe ich echt gezittert - denn: Die Richtigkeit der Inflationstheorie und damit auch der Multiversum-Theorie stand auf dem Spiel.

Die Furche: Ich nehme an, die Theorie wurde nicht widerlegt. Heißt das, dass heute tatsächlich die meisten Physiker glauben, dass es viele parallel existierende Universen gibt?

Oberhummer: Vor rund fünf Jahren hat mich Andrei Linde (Anm. Stanford Professor und Vordenker der Inflationstheorie) überzeugt. Als ich daraufhin Vorträge vor Fachkollegen in Österreich hielt, wurde ich massiv kritisiert. Das ist bloß ein Hirngespinst, hieß es. Das hat sich bis heute stark geändert: Immer mehr Physiker nehmen die Multiversum-Theorie ernst.

Die Furche: Wie kann man sich dieses Multiversum vorstellen?

Oberhummer: Am besten als Bild. Das Ganze ist wie ein sich rasch ausdehnender Ozean voller Seifenwasser, in dem immer wieder neue Blasen aus Seifenschaum gebildet werden und jede Blase einem Universum entspricht.

Die Furche: Und jedes dieser Universen beginnt mit einem Urknall?

Oberhummer: Oh ja! Es gab nicht nur einen, es gab unzählige Urknalle.

Die Furche: Das klingt nach einem kosmischen Feuerwerk - und zu fantastisch, um wahr zu sein …

Oberhummer: Die Reaktion ist verständlich. Früher stieß auch die Behauptung, dass die Erde rund sei, auf erbitterten Widerstand - obwohl es klare Hinweise dafür gab: Etwa den, dass Segelschiffe am Horizont verschwinden. Aber die Kritiker argumentierten, dass jene auf der unteren Seite der Erdkugel herunterfallen müssten. Heutzutage machen wir uns diesbezüglich keine Sorgen mehr - zum Beispiel wenn wir nach Australien in die Ferien fahren. Ich denke, das ist auch ein Gewöhnungsprozess.

Die Furche: Sie betonen, dass nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch religiöse Gründe für ein Multiversum sprechen. Wie kommen Sie darauf?

Oberhummer: Zuerst einmal zur Klarstellung: Das ist selbstverständlich kein wissenschaftliches Argument, aber ich darf ja auch als Heinz Oberhummer sprechen. Ich glaube, dass die Multiversum- Theorie den Kosmos noch grandioser macht - und eines wahren Gottes würdiger ist. Warum sollte er nur an einer einzigen Welt herumfitzeln? In ähnlichen Bahnen dachte schon Giordano Bruno. Er glaubte, dass Gott mehrere Planeten geschaffen hatte. Würde er in unserer Zeit leben, so hätte er wahrscheinlich an der Vorstellung von einem Multiversum seine helle Freude.

Die Furche: Bruno landete damals auf dem Scheiterhaufen. Wie reagieren Kirchenvertreter heute auf ihre Äußerungen?

Oberhummer: Nach Vorträgen kommen immer wieder Theologen auf mich zu und sagen mir, dass sie dieses Weltbild ganz wunderbar finden. Die offizielle Kirche ist da sehr viel zurückhaltender. Mit der Idee vom Multiversum drückt man Gott noch weiter hinaus an den Rand - so meint man. Ich sage jedoch: Ganz im Gegenteil, man sieht mehr von ihm. Diese Riesen-Welt ist so toll gebaut!

Die Furche: Aber macht ein Multiversum uns nicht noch unbedeutender? In Abwandlung eines Spruches des Nobelpreisträgers und Biochemikers Jacques Monod könnte man sagen: Der Mensch ist jetzt nur mehr ein Zigeuner am Rande eines Universums.

Oberhummer: Manche Menschen sehnen sich wohl nach einer zentraleren Rolle. Aber ich verstehe diese Eitelkeit nicht. Warum müssen wir uns selbst so wichtig nehmen? Warum sehen wir die Dinge nicht ein klein wenig gelassener - und staunen einfach über die unvorstellbare Größe des Kosmos?

Das Gespräch führte Thomas Mündle.

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