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Es geht nicht nur um die Budgetpolitik

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In der Tat wird es — im Sinne der zutreffenden Äußerung des Finanzministers als eines obersten Vollzugs organs — dem Nationalrat als des vom Bundesverfassungsgesetegeber in dieser Frage allein berufenen G e-setzgebungs organ obliegen, bei der Beschließung des nächsten Bundes-finanzgesetzes die in dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs niedergelegten Rechtsansichten zu berücksichtigen. Im folgenden soll nun eine Darstellung versucht werden, welche Aufgaben damit auf den neuen Nationalrat zukommen.

Das Grundgesetz unsers Staatswesens

Diese Aufgaben des Nationalrates, von denen eben die Rede ist, können die Aufmerksamkeit weiter Kreise beanspruchen, weil jede Lösung in diesem Bereiche einmal eine weitreichende Bedachtnahine auf alle leitenden Grundsätze unserer Bundesverfassung, allenfalls deren behutsame Modifikation, erfordert, sodann weil sie die Abgrenzungen der Befugnisse des Nationalrates, der Regierung und der verantwortlichen Minister zur grundsätzlichen Überlegung stellt, mithin ein Stück echter Verfassungsgesetzgebung sein wird. Deshalb ist es wohl auch geboten, nicht nur die finanzgesetzlichen Auswirkungen des Erkenntnisses im Auge zu haben, sondern auch die allgemein staatsrechtlichen Aussagen, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entnommen werden können, nicht zuletzt deshalb, um hier nach einer Brücke zwischen den Grundsätzen der katholischen Soziallehre (MM. 218, 223) und der zukünftigen Verfassungsrechtsge-staltung in Österreich zu suchen.

Eingedenk des schon erwähnten Umstandes, daß die mit der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgeworfenen Fragen mit unserem gesamten verfassungsstaatlichen Aufbau zusammenhängen, ist es wohl am zweckmäßigsten, zunächst kurz an diesen zu erinnern, bevor auf die eigentliche Problematik eingegangen werden soll, nämlich auf die Frage, welcher bisher gesetzlich gedeckter Vorgang bei der Vollziehung des Bundesfinanz-gesetzes vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt wurde, in welcher Weise damit eine vernünftige Haushaltspolitik unmöglich geworden ist und welche Schritte daher der Nationalrat zu unternehmen haben wird, um einen dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht widersprechenden Zustand herzustellen.

Um also mit der Bundesverfassung zu beginnen, so ist sie bekanntermaßen das Grundgesetz unseres Staatswesens und bestimmt unter anderem, wer in Österreich zur Gesetzgebung für den Bund befugt ist. Nur auf Grund und im Rahmen dieses Bundesverfassungsgesetzes darf der sogenannte einfache Gesetzgeber Gesetze beschließen. Der einfache Gesetzgeber darf also die Verfassung nicht selbst ändern, das steht nur dem Verfassungsgesetzgeber zu. Der Sinn dieser Bestimmung ist eine erschwerte Ab-änderbarkeit des Bundesverfassungsgesetzes. Die Wirkung ist heute bloß im Hinblick auf die eindeutige Mehrheit der Koalitionsparteien im Nationalrat nicht gegenwärtig. Der Unterschied zwischen der Verfassungs- und der einfachen Gesetzgebung besteht nämlich im wesentlichen nur darin, daß zwar in beiden Fällen der Nationalrat die Gesetze beschließt (zusammen mit dem Bundesrat), bei Verfassungsgesetzen aber eine größere Zahl von Abgeordneten anwesend sein und für das Gesetz stimmen muß. Immerhin wird damit verständlich, daß der Verfassungsgesetzgeber nicht mit dem einfachen Gesetzgeber identisch ist, dieser vielmehr an die erhaltenen Ermächtigungen gebunden ist. Der einfache Gesetzgeber kann daher zum Beispiel die von der Verfassung verfügte Verteilung der Staatsgewalt zwischen der einfachen Gesetzgebung, der Regierung zusammen mit der Verwaltung sowie der Gerichtsbarkeit nicht ändern. Auf diese Weise würde er sich über die ihm durch die Verfassung gezogenen Grenzen hinwegsetzen.

Mit diesen Überlegungen sind wir bereits ganz nahe an der entscheidenden Frage, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrunde liegt. Im Artikel 51 des Bundesverfassungsgesetzes, ist nämlich bestimmt, daß dem Nationalrat;von der Bundesregierung ein Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben für das folgende Finanzjahr vorzulegen ist. Dieser Bundesvorschlag zeigt auf, aus welchen Quellen der Bund im kommenden Finanzjahr Einnahmen zu erwarten hat, also zum Beispiel aus Steuereingängen, Stempelgebühren, Einnahmen aus dem Salzmonopol und so weiter. Zugleich sind im Bundesvorschlag die Kredite angegeben, die für die einzelnen Ausgabeposten im kommenden Jahr zur Verfügung stehen werden, also etwa im Bundesministerium für Inneres, wieviel Geld für die Bundespolizei, die Bundesgendarmerie, für die Kosten der Nationalratswahlen, für die Flüchtlingsbetreuung und so weiter zur Verfügung stehen wird. Die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Verwaltung hängt daher davon ab, daß die bewilligten Gelder tatsächlich den einzelnen Behörden zur Verfügung stehen.

Die Lücke kann geschlossen werden

Die Probleme um den Bundesvoranschlag sind damit freilich noch nichi erschöpft, was sofort klar wird, wenn man bedenkt, daß er auf der Schätzung der künftigen Bedarfs- und der in der Zukunft liegenden Einnahmenentwicklung fußt. Während des Jahres können sich nun Änderungen des Bedarfs ergeben, sei es eine Verringerung, sei es eine Erhöhung. Man denke etwa, daß Kredite für den Straßenbau odei für Gebäuderenovierungen wegen de« heurigen strengen Winters nicht zui Gänze verbraucht werden könnten, dafür Mehrausgaben für die Beheizung der Bundesgebäude un« für die Schneeräumung entstehen. Für diese Fälle gestattete.das Verwal-tungsentlastungsgesetz dem Finariz-minister die Überschreitung der füi eine hestimmte Ausgabenpost vorgesehenen Kreditsumme, wenn diese Überschreitung durch gänzliche oder teilweise Rückstellung des für eine andere Ausgabenpost vorgesehenen Kredits seine Deckung fand. Mit Zustimmung des Bundesministers für Finanzen konnte aber auch nach dem Verwaltungsentlastungsgesetz ein im Bundesfinanzgesetz vorgesehener Kredit für eine bestimmte Ausgabenpost überschritten werden, wenn diese

Überschreitung unvermeidbar war. Mit anderen Worten, nach dem Verwaltungsentlastungsgesetz sind wohl die vom Nationalrat für die einzelnen Ausgabeposten bestimmten Beträge unübersteigbare Höchstbeträge, die nur für den im Bundesfinanzgesetz angegebenen Zweck zu verwenden sind, das Bundesministerium für Finanzen kann aber Ausnahmen bewilligen.

Die eben dargestellten Bestimmungen, die dazu dienen, die im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Ausgabeposten mit den sich erst während des Finanzjahres ergebenden Erfordernissen in Einklang zu bringen, hob der Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig auf. Nach seiner Ansicht regeln sie die Bewilligung zur Überschreitung der im Bundesfinanzgesetz festgelegten Kredite, bewilligen Ausgaben, die im Bundesfinanzgesetz nicht im einzelnen zahlenmäßig genau angeführt sind, betreffen also eine Regelung, die nur der Verfassungsgesetzgeber treffen könnte und nicht, wie es geschehen ist, der einfache Gesetzgeber des Jahres 1925 im Wege des Verwaltungsentlastungsgesetz es.

Es dürfte durch die vorhergehenden Ausführungen deutlich geworden sein, daß durch die Aufhebung dieser Bestimmungen die sinnvolle und den Gegebenheiten der Entwicklung entsprechende Durchführung des Bundes-finanzgesetzes unmöglich geworden ist. Der Verfassungsgerichtshof hat aber in seinem Erkenntnis auch den Weg aufgezeigt, durch den die im finanzpolitischen Instrumentarium entstandene Lücke geschlossen werden kann. Art. 51 des Bundesverfassungsgesetzes ist durch einen entsprechenden Absatz zu ergänzen. Es handelt sich in diesem Fall um die verfassungsgesetzlich einwandfreie Bestätigung einer schon seit Jahrzehnten vom Nationalrat gebilligten Praxis. Auch den im neuen Nationalrat vertretenen Abgeordneten sollte es daher nicht schwerfallen, sich über die entsprechende Verfassungsergänzung zu verständigen und diese in absehbarer Zeit zu beschließen.

Etwas schwieriger ist die Lage bezüglich der weiteren Bestimmungen des Bundesfinanzgesetzes. Hier ist zur Erläuterung vorauszuschicken, daß das bundesfinanzgesetz eine ordentliche und eino außerordentliche Gebarung kennt. Die Ausgaben der außerordentlichen Gebarung sind nur zum Teil gedeckt. Im übrigen sind zur Bedeckung dieser Ausgaben besondere Mittel heranzuziehen, die sich der Finanzminister gemäß dem Bundesfinanzgesetz erst im Wege von Kreditoperationen (Aufnahme von Anleihen), durch Prolongierung von Bundesschuldverpflichtungen, durch Aufnahme von Darlehen etwa für den Wohnungsbau beschaffen muß.

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