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Es gibt ein klines Restrisiko

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Blutübertragungen gehören zum medizinischen Alltag. Weil Aids über Blutkonserven übertragbar ist, fürchten sich viele vor Transfusionen.

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Blutübertragungen gehören zum medizinischen Alltag. Weil Aids über Blutkonserven übertragbar ist, fürchten sich viele vor Transfusionen.

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Auch im Zeitalter der Gentechnologie sind Arzneimittel, die aus Humanblut gewonnen werden, unverzichtbar. Plasma ist ein sehr komplexer Eiweißcocktail mit zahlreichen, fein aufeinander abgestimmten, biochemischen Aktivitäten. Man ist deshalb noch weit davon entfernt, alle diese Moleküle im Labor zu entwickeln und richtig zu kombinieren.

Es zeigt sich immer wieder, daß Blut ein ganz besonderes Arzneimittel ist, das sowohl Leben retten kann - bei jeder zehnten Blutkonserve ist das der Fall - daß aber auch Krankheitserreger übertragen kann. „Eine Nullrisiko-Therapie wird es nie geben”, stellt dazu der Leiter der Klinischen Abteilung für Blutgruppenserologie der Universität Wien, Wolfgang R. Mayr fest. Bei Heilmitteln, die aus Blutbestandteilen bestehen, unterscheidet man zwischen labilen und stabilen Blutprodukten. Zu den labilen zählen vor allem Konzentrate aus Blutzellen, wie rote Blutkörperchen (Erythrozyten) oder Blutblättchen (Thrombozyten), die besonders empfindlich sind. Daher können diese Zellkönzentrate keinen Virus-Inakti-vierungsverfahren unterzogen werden, wie das bei den stabilen Produkten aus Plasmabestandteilen möglich ist.

Trotz geeigneter Spenderauswahl und umfangreicher Laboruntersuchungen besteht daher bei den labilen Produkten immer noch eine minimale Infektionsgefahr. Für das HIV-Virus beträgt sie etwa eins zu einer Million, für Hepatitis B 1:60.000 und für Hepatitis C 1:30.000. Stabile Blutprodukte hingegen gelten heute als „sicher”.

Viel größer ist die Gefahr einer Unverträglichkeitsreaktion oder einer Beeinträchtigung des Immunsystems durch weiße Blutkörperchen, die mit Erythrozyten oder Thrombozyten mitübertragen werden.

Die Risken der Übertragung von Infektionskrankheiten sind heute derart in den Vordergrund gerückt worden, „daß bei dem medizinischen Laien ein völlig falsches Risikoprofil entsteht”, beobachtet Peter Hellstern, Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie am Klinikum Ludwigshafen. Durch die Übertragung von Antikörpern könne es zu Fieber, Schüttelfrost, in seltenen Fällen zu schweren Schockzuständen kommen. Das größte Problem sei jedoch die immunsuppressi-ve Wirkung von zurückgebliebenen Lymphozyten (weiße Blutkörperchen). Diese Schwächung des Immunsystems führe bei Patienten mit Bluttransfusionen weit häufiger zu Wundinfektionen als bei jenen ohne

Blut- oder mit Eigenbluttransfusion. „Darüber hinaus besteht auch der Verdacht, daß bei Krebspatienten durch diese Immunmodulation das Risiko eines Rezidivs höher ist”, meint Peter Hellstern.

Diese Nebenwirkungen könnten durch Eigenbluttransfusionen ausgeschaltet werden. Bei Fremdspenden könnte ein Herausfiltern der weißen Blutkörperchen die immunologischen Probleme beseitigen. Mayr, der auch medizinischer Leiter der Blutspendezentrale für Wien, Niederösterreich und Burgenland ist: „Filtriertes Blut wäre das Wunschziel. Wir starten jetzt ein Pilotprojekt: Dabei kann das Blut entweder gleich bei der Spende oder am Krankenbett gefiltert werden. Die Transfusion würde allerdings um etwa 200 Schilling teurer werden, bei über 400.000 Blutkonserven in Osterreich im Jahr eine stattliche Summe.” Man müsse überdies die Indikation für eine Transfusion möglichst genau erstellen und sich nur dann dazu entschließen, wenn es keine Alternative gäbe. Es seien bereits Medikamente verfügbar, die es ermöglichen, sogar Operationen am offenen Herzen möglichst blutsparend durchzuführen.

Eine weitere Maßnahme zur Senkung des Restrisikos von Infektionen sehen die Experten von Infektionen in einer noch strengeren Auswahl der Spender. Der durchuntersuchte Dauerspender wäre der Idealfall.

Die heutigen Verfahren zur Inak-tivierung von Viren könnten zwar eine Übertragung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeiden, aber der Ausschluß von infektiösen Spendern trage entscheidend zur weiteren Senkung des Restrisikos bei. Eine weitere Empfehlung der Experten: die Eigenblutspenden sollen viel mehr gefördert werden.

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