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Es wirkt — aber wie?

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Nich bin erschüttert, wieviele junge Ärzte sich nicht dem zuwenden, was gesichert ist, sondern sogenannten Alternativmethoden wie Homöopathie und Ähnlichem. Das ist Kurpfuscherei”, wetterte Karl Irsigler, Vorstand der III. Medizinischen Abteilung am Krankenhaus Lainz, bei einem vorige Woche von der Vereinigung pharmazeutischer Unternehmen veranstalteten Seminar, in dessen Rahmen ein neues Diabetes-Medikament des Pharma-Riesen Hoechst vorgestellt wurde - eines der unzähligen Scharmützel an der Front zwischen Schulmedizin und der sogenannten Alternativmedizin, deren bekannteste und meistangewandte Form die Homöopathie ist. In der Tat ist mit Diabetes nicht zu spaßen: Bei falscher Behandlung oder wenn sich der Patient nicht an die strenge Diät hält, kann es zu gravierenden Folgeschäden kommen: Herzinfarkt, Schlaganfall, Beinamputation oder Erblindung. Doch die Wortmeldung des Mediziners trifft die heutige Situation nicht mehr ganz: Die Homöopathen verstehen ihre Tätigkeit nicht (mehr) als Alternative, sondern als Ergänzung zur anerkannten Medizin.

„Bei allen Formen von Störungen und Erkrankungen, die einer Substitution bedürfen, kann die zu ersetzende Substanz (zum Beispiel Insulin) homöopathisch nicht ersetzt werden. Aber auch in diesen Fällen wird eine sinnvolle Begleitung mittels homöo pathischer Arzneien möglich sein, was zum Beispiel im Fall von Diabetes zu einer deutlichen Stabilisierung der Blutzuckerkurve bei abnehmendem Insulinverbrauch führen kann, beziehungsweise dazu beitragen kann, Sekundärschäden hintanzuhalten”, schreibt etwa der Homöopath

Peter König, der an der Universität Wien die einzige in Osterreich stattfindende Vorlesung über dieses Fachgebiet hält; nachzulesen in dem von ihm herausgegebenen Band „Durch Ähnliches heilen - Homöopathie in Österreich”. Dieses Buch bietet einen umfassenden Überblick über die Lage der Homöopathie in Österreich, von der Geschichte bis hin zu diversen Anwendungen.

Im Vorjahr war es zwei Jahrhunderte her, daß der deutsche Arzt Samuel Hahnemann das Grundgesetz der Homöopathie postulierte: „Ähnliches durch Ähnliches Heilen” (Simi-lia similibus curentur). Kranke müßten mit Stoffen behandelt werden, die beim Gesunden ähnliche Symptome auftreten lassen. Die entsprechenden Substanzen müßten, in einem Lösungsmittel aufgelöst und dann -ganz wichtig - gut geschüttelt werden. In der Folge wird die Lösung verdünnt, verdünnt und noch einmal verdünnt, bis sie nur mehr Millionstel, Milliardstel oder gar Billi-onstel der Heilsubstanz enthält. Bei solchen Verdünnungen befindet sich in der Lösung nur noch mit viel Glück ein einziges Molekül der entsprechenden Substanz.

Zu einer Zeit, als die Schulmedizin mit Aderlässen und Tinkturen aus Arsen oder Quecksilber mehr Schaden anrichtete als Nutzen brachte, erfreute sich die Homöopathie bald größter Beliebtheit: Goethe, Beethoven, Geigen-Genie Paganini und Feldmarschall Radetzky waren erklärte Anhänger. Obwohl sich die anerkannte Medizin gewaltig geändert hat, blieb die Begeisterung für die Homöopa thie ungebremst. Heute beläuft sich der Umsatz mit rezeptfreien homöopathischen Mitteln laut dem Institut für medizinische Statistik auf rund 370 Millionen Schilling - und nimmt jährlich um sieben Prozent zu.

Homöopathische Mittel scheinen zumindest teilweise zu wirken. Wolfgang Eichler, Leiter der homöopathischen Ambulanz im Wiener St. Anna-Kinderspital dokumentierte im Jahresbericht 1995 die Krankengeschichten jener kleinen Patienten, die an Neurodermitis und bestimmten Infektionen litten: 47 Prozent der Kinder seien demnach im Behandlungsverlauf symptomfrei geworden, 26 Prozent hätten eine Besserung erfahren, bei 12 Prozent stellte sich keine Änderung ein. 1991 wurde im „British Medical Journal” eine Übersicht über 105 kontrollierte klinische Studien aus 35 Jahren veröffentlicht: 81 Arbeiten belegten einen positiven Effekt der Homöopathie während 24 Studien keinen Unterschied zu einem Placebo (siehe Seite 14) ausmachen konnten.

Den „unbefriedigenden Umstand ”, daß es viele solche, die Homöopathie in Frage stellende Studien gibt, räumt auch der Kärntner Homöopath Friedrich Dellmour, Mitarbeiter am Ludwig Boltzmann Institut für Homöopathie in Graz, ein. Und: „Ist Homöopathie naturwissenschaftlich beweisbar? Wird die Frage in dieser Form gestellt, so muß sie aufgrund des derzeitigen wissenschaftlichen Weltbildes mit ,Nein' beantworte werden”, stellt der Mediziner fest. Schuld daran sei, wie die Homöopathin und Psychotherapeutin Susanne Stöckl-Gibs polemisiert, das „ materialistisch-kausalphysikalische Weltbild”, das nicht das richtige Instrumentarium sei, um „feinstrukturelle Methoden wie die Homöopathie” zu untersuchen.

In der Tat sind die Erklärungen, wie homöopathische Arzneien wirken, nicht mit dem heutigen Stand der Wissenschaft vereinbar: „Die Wirkung homöopathischer Arzneimittel kann keine pharmakologisch-molekulare sein”, räumt Max Haidvogl, Universitätsdozent für Kinderheilkunde und leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Homöopathie in Graz, ein. Die Wirkung beruhe auf einer „physikalischen Information” die sich von der Heilsubstanz durch das Schütteln auf das Lösungsmittel übertrage und selbst dann noch vorhanden sei, wenn sich kein Molekül des Medikaments mehr in der Lösung befinde.

Angesichts dieser fragwürdigen Grundlagen ist es nur allzu verstandlich, daß die Anwendung von Homöopathie in Österreich - wie jeder anderen Heiltätigkeit auch - gesetzlichen Auflagen unterliegt: Anders als in anderen europäischen Staaten dürfen hierzulande nur Ärzte Homöopathie anwenden. Damit soll gewährleistet werden, daß notwendige schulmedizinische Maßnahmen nicht unterbleiben. Gegen diese „ärztliche Vereinnahmung” (Peter König) wehren sich jedoch die Homöopathen und verweisen darauf, daß zum Beispiel Clemens von Bönninghausen und Heinrich Gottlieb Jahr, zwei große Homöopathen des vorigen Jahrhunderts, nicht dem Ärztestand angehörten.

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