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Golden Rice, eine gentechnisch veränderte Reissorte, könnte in der Welt viel Gutes bewirken - ist zumindest sein Erfinder Ingo Potrykus überzeugt. Und was hält Greenpeace von Golden Rice? Wenig bis gar nichts. Dokumentation eines inszenierten Schlagabtausches.

Täglich sterben 6000 Kinder weltweit, weil es ihnen an Vitamin A mangelt. Golden Rice verspricht für dieses reale Leiden Linderung. Das war die Botschaft von Ingo Potrykus, als er vor rund zwei Wochen auf Einladung des Gregor Mendel Instituts einen Vortrag hielt. Normalerweise sind die Hörsäle in der Wiener Bohrgasse geprägt von wissenschaftlicher Nüchternheit. Nicht jedoch an diesem Nachmittag. Der emeritierte ETH-Professor zeigte Emotionen - ja, er war richtiggehend verärgert. Warum?

Um das zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs in die Geschichte von Golden Rice hilfreich: Anfang der 1990er entwickelt Potrykus ein konkretes Projekt, mit dem er beweisen will, dass sich mit grüner Gentechnik Gutes tun lässt. Vier neue Gene sollen in eine Reispflanze eingeführt werden, damit der Reis Provitamin A produziert. Provitamin A ist eine vom Menschen verwertbare Vorstufe von Vitamin A, und daran mangelt es Millionen von armen Menschen auf der Welt - mit gravierenden Folgen für deren Gesundheit.

Zunächst findet der Genetiker keine Geldgeber - zu utopisch, lautet das Urteil. Doch als ETH-Professor verfügt er über ein paar freie Mittel. Später steigt die Rockefeller Foundation ein. In der Begründung heißt es: Die Chancen auf Erfolg seien zwar sehr gering; die sozialen Auswirkungen aber allzu fantastisch. 1999 gelingt Potrykus der unwahrscheinliche Durchbruch. Das Ergebnis erscheint im Top-Journal Science: Golden Rice produziert Provitamin A.

Nach acht Jahren weiterer Arbeit gibt es zwar einen Golden Rice 2, der mit lediglich zwei Genen viel mehr Provitamin A produziert. Jedoch steht die gentechnisch veränderte Pflanze (kurz: GV-Pflanze) immer noch auf keinem Acker der armen Welt. Potrykus zeigt sich frustriert und kritisiert all jene, die seiner Meinung nach die Zulassung verzögern: Die Behörden mit ihren unnötig strengen Gesetzen - und Anti-Gentech-Lobbyisten wie etwa Greenpeace.

Die Furche bat Greenpeace um eine Stellungnahme. Steffen Nichtenberger, Experte für grüne Gentechnik bei Greenpeace, zeigte sich am Telefon über die Aussagen von Potrykus "sehr verärgert" - und antwortete prompt. Es folgt: Ein inszenierter Schlagabtausch.

Ingo Potrykus (Golden Rice): Das Potenzial von Golden Rice 2 wurde etwa für Indien berechnet, die Ergebnisse in einem renommierten Fachmagazin (Nature Biotechnology 2006 24(10); 1200-1201) publiziert. Demnach sterben in Indien pro Jahr mehr als 70.000 Kinder an Vitamin A-Mangel. Durch Golden Rice könnten im pessimistischen Fall 5500 Leben gerettet werden; im optimistischen Fall sogar 39.700.

Steffen Nichtenberger (Greenpeace): Genmanipulierter Reis mit einem erhöhten Gehalt an Vitamin A kann Vitamin A-Mängel in den Ländern des Südens nicht bekämpfen. Es ist sogar zu befürchten, dass Projekte, die Vitamin A-Mangel bereits erfolgreich bekämpfen, nicht mehr die nötige Unterstützung finden, da mit dem sogenannten "Goldenen Reis" weit überzogene Erwartungen geschürt werden. Das Pro-Vitamin A des Gentech-Reises befindet sich im Endosperm (im inneren Teil des Reiskorns), das fast gar keine öligen Anteile aufweist; diese ermöglichen erst eine gute Vitamin A-Aufnahme. Außerdem ist bekannt, dass beim Kochen des Gentech-Reises der Gehalt an Carotinen deutlich reduziert wird (Plant Biotechnology Journal 2003 1(2); 81-90).

Tatsächlich konnte Vitamin A-Mangel in den letzten Jahren mit Vitamin A-Präparaten und Ernährungsprogrammen deutlich verringert werden. Ein halber Teelöffel Palmöl reicht etwa bereits aus, um den täglichen Bedarf zu decken.

Potrykus: Greenpeace greift Golden Rice nie direkt an; sie weichen stets auf andere GV-Pflanzen aus. Sie haben keine publizierten Studien vorzuweisen - und das obwohl sie sich mit ihrem vielen Geld - Greenpeace ist ein Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen! - solche Studien leisten und am wissenschaftlichen Diskurs teilnehmen könnten. Greenpeace interessiert sich nicht für wissenschaftliche Fakten. Warum auch? Die Leute glauben ihnen. Kein Wunder, Greenpeace investiert zwölf Millionen Dollar pro Jahr in Anti-Gentech-Propaganda.

Nichtenberger: Zwölf Millionen Dollar sind für Biotech-Konzerne wie Syngenta, die im Jahr 2006 872 Millionen Dollar Gewinn machten, Peanuts. Trotz der daraus resultierenden Dominanz in der Forschung ist es den Biotech-Konzernen nicht gelungen, die tatsächliche Wirkungsweise der Genmanipulation bei Pflanzen umfassend erklären zu können.

Potrykus: Golden Rice ist ein humanitäres Projekt. Die Lizenzierung erlaubt, dass Bauern, die weniger als 10.000 Dollar pro Jahr verdienen, den Reis gratis verwenden und auch (national) handeln können. Der Reis kommt denen zu gute, die ihn wirklich brauchen - den Ärmsten.

Nichtenberger: Golden Rice ist definitiv ein Vorzeigeprojekt der Biotech-Industrie, um die Akzeptanz der Grünen Gentechnik zu erhöhen und von negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt abzulenken. Es als humanitäres Projekt darzustellen, ist angesichts der bisherigen Vorgehensweise großer Biotechkonzerne bei der Einführung von Gentech-Saatgut höchstgradig zynisch.

Der von den Biotech-Multis angewendete Mechanismus dabei funktioniert nach dem Schema "Gratis anbieten - kontaminieren - abkassieren". Bei der Markteinführung wird gentechnisch verändertes Saatgut oft billiger, staatlich subventioniert oder gar gratis angeboten. Dann wird dafür gesorgt, dass konventionelles Saatgut nicht mehr ohne Gentech-Verunreinigungen erhältlich ist und die Bauern in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. Humanitäre Projekte sehen anders aus.

Potrykus: Es ist absurd, eine ganze Technologie - alle GV-Pflanzen - mit den gleich hohen Standards zu regulieren. Es heißt oft: Die Leute glauben, dass die GV-Pflanzen dann besonders sicher sind. Das ist Quatsch. Leider glauben die Leute, dass die Technologie besonders gefährlich sein muss - weil so viele Tests gemacht werden. Ich sage: Wir haben jetzt mehr als 20 Jahre Erfahrung mit der grünen Gentechnik; viele Millionen Hektar werden mit GV-Pflanzen bebaut. Bei klassischen Kreuzungsversuchen kommt es zu unvorhersehbaren und signifikanten Veränderungen des Genoms - diese neuen Pflanzen mussten niemals auf ihre Biosicherheit geprüft werden, ja sie werden bedenkenlos in der Biolandwirtschaft eingesetzt. Wir alle haben also immer schon gentechnisch veränderte Pflanzen gegessen.

Bei Golden Rice ist genau bekannt, welche Orte auf dem Genom verändert wurden. Bisher konnte nicht einmal ein hypothetisches Risiko erdacht werden. Golden Rice stellt weder eine Gefahr für die Umwelt noch für die Ernährung des Menschen dar. Warum kann man ihn nicht ohne bürokratische Hürden auf den Markt bringen?

Nichtenberger: Es stimmt. In der EU gibt es recht strenge gesetzliche Standards zur Risikobewertung von GV-Pflanzen im Rahmen der Zulassungsprozedur, nur hält sich die zuständige EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) nicht konsequent an diese rechtlichen Vorgaben. Syngenta und Co. wird es nur zu oft selbst überlassen, über die potenzielle Gefährlichkeit ihrer eigenen Produkte für Umwelt und Gesundheit zu befinden, ohne dass wissenschaftliche Gegenmeinungen von der EFSA berücksichtigt werden. So hat sich bei dem von der EU zugelassenen Gentech-Mais MON863 nun herausgestellt, dass dieser im Fütterungsversuch Leber- und Nierenschäden an Ratten verursacht (Archives of Environmental Contamination and Toxicology 2007 53(1); 126-133).

Eigentlich beabsichtigten die Wissenschafter ursprünglich, einen Gentech-Reis zu erschaffen, der rote Farbstoffe (Lycopen) enthält. Doch zum Erstaunen der Macher waren die Körner des Gentech-Reises schließlich gelb und enthielten Provitamin A anstelle von Lycopen. Offensichtlich sorgen pflanzeneigene Gene dafür, dass zusätzliche, unerwartete Stoffwechselschritte in der Pflanze ablaufen (Journal of Nutrition 2002 132 (3); 506-510). Es gelang den Forschern laut eigenen Angaben nicht, herauszufinden, warum genau die Synthese von Provitamin A erfolgt. Eine GV-Pflanze, über deren Wirkungsweise man viel zu wenig weiß und die ihre vermeintlich positive Eigenschaft einem nicht erklärbaren Zufall verdankt, ist alles andere als sicher. Diese Pflanze in Entwicklungsländern zu verbreiten und die Menschen dort als Versuchskaninchen zu missbrauchen, ist ethisch mehr als bedenklich.

Potrykus: Nur Agrobiotech-Multis können sich solche kostspieligen Zulassungsverfahren leisten, weshalb wir uns gezwungen sahen, mit einem Großkonzern zusammenzuarbeiten. Für die vielen unnötigen Tests benötigen wir rund 20 Millionen Dollar. Zum Glück bekommen wir Geld von der Gates Foundation, die den Wert des Projekts erkannt hat. Der Reis wird wahrscheinlich erst ab 2012 in den Händen der Bauern sein. Bis dahin werden jeden Tag viele Kinder an Vitamin A-Mangel sterben. Jene, die diese absurde Gesetzgebung weiter propagieren, haben Mitschuld an dieser menschlichen Katastrophe. Greenpeace hat Mitschuld.

Nichtenberger: Derzeit wird auf der Welt so viel Essen produziert wie nie zuvor. Gleichzeitig leiden mehr Menschen als je zuvor (ca. 800 Millionen) an Hunger und Unterernährung. Das Problem der Mangelerscheinungen ist also eine Frage der Verteilung von Lebensmitteln. Greenpeace Mitschuld an diesem massiven Problem zu geben, ist nicht nur untergriffig, sondern auch schlichtweg falsch.

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