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Digital In Arbeit

FERNSEHEN

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Wir setzen uns abends vor unseren Fernsehempfänger, drücken auf einen Knopf, und etliche Sekunden später blicken wir durch den Rahmen des Bildschirmes wie durch ein Fenster: Wir sehen und hören, was andere Menschen eben im selben Augenblick irgendwo in unserer Stadt oder auch in einem weit entfernten Lande tun und reden.

Wie ist das überhaupt möglich? Welche technischen Mittel lassen uns so intensiv und im gleichen Augenblick an Ereignissen teilnehmen, die sich oft weit entfernt von uns abspielen? Wie kommt das Bild auf dem Schirm unseres Empfängers überhaupt zustande?

Nun, dieses Bild ist das Ergebnis einer Reihe höchst komplizierter Vorgänge, die nicht so ohne weiteres in allen Details zu überblicken sind. Aber von der unmittelbaren Entstehung des Bildes auf dem Schirm können wir uns verhältnismäßig leicht eine ansckauliche Vorstellung machen.

Betrachten wir ein gedrucktes Bild, etwa eines auf dieser Seite, etwas näher, am besten mit einer Lupe, so bemerken wir, daß es gar nicht aus Flächen verschiedener Grautönung besteht, sondern aus vielen kleinen, regelmäßig angeordneten Punkten. Dort, wo die Punkte kleiner sind, erscheint uns aus einiger Entfernung eine hellere, dort wo sie größer sind, eine dunklere Fläche. Unser Auge erliegt hier einem kleinen Schwindel, einem Schwindel, den es sich sicher gerne gefallen läßt.

Auf eine grundsätzlich ähnliche Weise kommt auch das Bild in unserem Fernsehempfänger zustande. Hier ist es ein einziger Lichtpunkt, der — auf elektronischem Wege erzeugt — mit großer Geschwindigkeit über den Bildschirm läuft. Er beginnt diese Bewegung ganz oben links in der Ecke und bewegt sich horizontal nach rechts, auf diese Weise eine „Zeile“ beschreibend. In jedem Augenblick aber hat dieser Punkt genau die Helligkeit, die das Bild, das hier entstehen soll, an dieser Stelle, in diesem „Bildpunkt“ hat. Dieser Leuchtpunkt zeichnet also die längs dieser Zeile bestehende Helligkeitsverteilung auf.Am rechten Bildrand angekommen, huscht er, jetzt völlig dunkel, wieder nach links und beginnt, ein kleines Stück tiefer, die nächste Zeile mit der auf ihr herrschenden Helligkeitsverteilung zu schreiben. Das wiederholt sich, bis alle Zeilen durchlaufen sind; es sind bei der in Österreich und in den meisten anderen Ländern Westeuropas verwendeten Fernsehnorm 625. (Tatsächlich ist der Vorgang noch etwas komplizierter, weil zuerst die ungeradzahligen Zeilen, also die erste, dritte, fünfte usw., und dann erst die geradzahligen dazwischengeschrieben werden; das ändert aber nichts an dem Prinzip, das uns hier allein interessieren soll.) Und alle 625 Zeilen zusammen werden in einer fünfundzwanzigstel Sekunde durchlaufen. Dann beginnt der Leuchtpunkt sofort wieder in der obersten Zeile. Das geht also alles so schnell vor sich, daß für unser Auge 625 Zeilen zugleich vorhanden zu sein scheinen. Wenn wir genügend nahe an den Bildschirm herangehen, können wir diese Zeilen deutlich erkennen. Zeigt uns das Bild einen Bewegungsvorgang, so ist eben jedesmal, wenn eine Zeile wieder neu durchlaufen wird, die Helligkeitsverteilung entsprechend verändert.

Der sozusagen umgekehrte Vorgang spielt sich nun dort ab, wo die auf unserem Bildschirm sichtbaren Menschen und Dinge „aufgenommen“ werden, in der Fernsehkamera. Wie in einem Photoapparat wird das Aufnahmeobjekt durch ein Objektiv im Innern der Kamera abgebildet. Aber nicht auf einen Film, sondern auf einer, aus einem bestimmten Material bestehenden Fläche, die sich in der sogenannten Bildabtaströhre befindet. Hier wird nun das Bild zeilenweise „abgetastet“, das heißt, es wird auf elektronischem Wege die Helligkeitsverteilung längs der einzelnen Zeilen, Zeile für Zeile, ermittelt. Diese Helligkeitsverteilung wird in ein entsprechendes elektrisches Signal, das „Bildsignal“, umgewandelt, das dann der Fernsehsender drahtlos zu unserem Empfänger überträgt. Der Abtastvorgang in der Fernsehkamera erfordert aber einen beträchtlichen Aufwand an Elektronenröhren und anderen Schaltelementen sowie eine laufende Kontrolle. Damit nun einerseits die Kamera nicht zu groß und zu schwer wird und damit sich anderseits der Kameramann ganz auf das Bild konzentrieren kann, gehört zu jeder Kamera ein eigenes Kamera-Bediengerät, vor dem jeweils ein Techniker sitzt, der alle elektrischen Vorgänge überwacht und steuert.

Nun kann man aber die Anteilnahme des Zuschauers an dem gezeigten Geschehen wesentlich erhöhen, wenn man die Ereignisse, die beteiligten Personen und Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln und unterschiedlichen Entfernungen zeigt, wenn man also die Darstellung des Vorganges in einzelne „Einstellungen“ auflöst. Hier hat sich das Fernsehen Erfahrungen des Films zunutze gemacht. So sind also im Aufnahmeraum immer mehrere Kameras gleichzeitig in Aktion; im allgemeinen sind es meist drei, bei großen Fernsehspielen auch wesentlich mehr. Jede ist über ein einige Zentimeter dickes Kabel mit ihrem Kamerabediengerät verbunden, die alle zusammen in einem Nebenraum untergebracht sind.

Von da gelangen die Bildsignale der einzelnen Kameras in den Regieraum. Am Bildregieplatz sind die von den einzelnen Kameras gelieferten Bilder auf den Bildschirmen der „Monitore“ sichtbar. Vor diesen Monitoren sitzt neben einigen Hilfskräften der Regisseur mit dem Bildmischer, der nach den Anweisungen des Regisseurs eines der Kamerabilder auswählt und „auf Sendung schaltet“; es erscheint dann auf einem eigenen „Ausgangsmonitor“. Dieses Bild sehen wir auch zu Hause auf unserem Empfänger. An der Kamera, von der es stammt, leuchtet dabei automatisch das berühmte „rote Licht“ auf, an dem man im Studio sofort erkennt, welche Kamera gerade auf Sendung geschaltet ist. Am Bildmischpult kann nach Belieben von einem Bild auf das andere umgeschaltet werden . (man nennt diesen Vorgang „Schnitt“), es können aber auch Bilder auf- und ab- oder ineinander überblendet werden.

Der Ton wird wie im Rundfunkstudio durch Mikrophone aufgenommen. Allerdings ist oft, besonders bei einem Fernsehspiel, das in weiträumigen Dekorationen abläuft, die Verwendung einer größeren Anzahl von Mikrophonen notwendig, die außerdem so aufgestellt oder aufgehängt werden müssen, daß sie auf keinem Fall „ins Bild“ kommen. Alle Mikrophone sind mit dem Ton-Regieplatz verbunden. Von hier wird das Tonsignal ebenfalls dem Fernsehsender zugeleitet.

Bildmischer, Tonmeister, die Kameramänner, und ihre Kollegen an den Kamerabediengeräten stehen über Kopfhörer und eigene Sprechmikrophone ständig miteinander in Verbindung.

An diesem ganzen Aufwand an Geräten und Personal ändert sich nichts, wenn die Sendung nicht im Fernsehstudio abläuft, sondern wenn es sich um eine Übertragung etwa aus einem Theater oder von einem Sportplatz handelt. Da erscheint der große Fernseh-Übertragungswagen (im Fachjargon kurz Ü-Wagen genannt) am Übertragungsort; Fernsehkameras werden an geeigneten Stellen aufgestellt und durch Kabel mit dem Ü-Wagen verbunden. In ihm befinden sich die Kamerabediengeräte, der Bild- und der Ton-Regieplatz und die sonst noch notwendigen elektrischen Anlagen. Bild- und Tonsignal werden von da meist mit einer transportablen Richtfunkstrecke zum Sender gestrahlt.

Mit solchen durch die Fernsehkameras aufgenommenen „Live-Sendungen“ (von dem englischen Adjektiv live = lebendig, also mit „v“ und nicht, wie oft zu lesen, mit „f“ geschrieben) sind aber die Möglichkeiten des Fernsehens noch nicht erschöpft. So findet man in einem Fernsehstudio auch sogenannte „Dia-Geber“, Geräte, die im Prinzip wie eine Fernsehkamera funktionieren, aber speziell für die Aufnahme von Diapositiven eingerichtet sind, sowie die für die Wiedergabe von Filmprogrammen notwendigen „Filmabtaster“.

So nützlich diese Aufzeichnungsverfahren und die Möglichkeit der Filmwiedergabe in manchen Fällen sein mögen, die für das Fernsehen grundlegende und ihm am meisten gemäße Produktionsform ist aber die Live-Sendung, die uns das faszinierende Erlebnis des Dabei- Seins, des M i t erlebens vermittelt, das — abgesehen von den Leuten, die sich unmittelbar am Ort des Geschehens befinden — ausschließlich dem F e r n s e h Zuschauer vorbehalten bleibt.

Diese Live-Sendung aber stellt an das gesamte mit der Durchführung der Sendung betraute Personal — im Falle eines Fernsehspieles auch an die Schauspieler — höchste Anforderungen. Jede Bewegung vor der Kamera, jedes Wort vor dem Mikrophon, jeder Bildschnitt ist unwiderruflich. Das Bild, das am Mischpult auf Sendung geschaltet wird, erscheint im gleichen Augenblick auf hunderttausenden oder gar auf Millionen Fernsehempfängern: Es gibt kein Zurück.

Und wenn wir wieder unseren Fernsehempfänger einschalten, vielleicht denken wir dann auch einmal an diese Menschen, die hier oft ihr Letztes geben, und an die vielen, von denen die ganzen technischen Mittel geschaffen wurden, an alle also, deren Arbeit uns erst das Erlebnis des Fernsehens ermöglicht.

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