Gehirn Künstliche Intelligenz - © Bild: iStock w/ Alex Sholom

Der Mensch und sein Gehirn: Zum Kitzeln braucht es immer zwei

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Wie sehr wird der Mensch durch sein Gehirn determiniert? Warum Gefühle, Vernunft und auch die Willensfreiheit nur zwischen Körper, Psyche und Gesellschaft zu finden sind.

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Wie sehr wird der Mensch durch sein Gehirn determiniert? Warum Gefühle, Vernunft und auch die Willensfreiheit nur zwischen Körper, Psyche und Gesellschaft zu finden sind.

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Erinnern wir uns an das viel diskutierte Libet-Experiment: Die Versuchsleiterin bittet den Probanden, willkürlich zu einem frei gewählten Zeitpunkt eine Bewegung auszuführen – also eine Entscheidung zu treffen. Die im Elektroenzephalogramm gemessenen Bereitschaftspotentiale treten etwa eine Sekunde vor dem Moment auf, in dem im Bewusstsein der Versuchsperson der Willensimpuls erscheint. Für viele Neurowissenschaftler ist dies ein Argument dafür, dass das Gehirn entscheidet und nicht der selbstbewusste freie Wille. Philosophen argumentieren hingegen, dass Willensfreiheit im Sinne von Kant die Fähigkeit sei, sich gegen äußere und innere Zwänge frei zu entscheiden – und genau dies sei durch das Experiment nicht berührt. Wie auch immer: Die subjektive Empfindung der Freiheit des eigenen Bewusstseins und die Determinierung dieser Prozesse durch das Gehirn scheinen unversöhnlich gegenüberzustehen.

Gehirn und Evolution

Betrachten wir das Problem der Freiheit von einer Seite, die bislang weniger beachtet wurde: nämlich dem sozialen Kontext, der uns herausfordert, autonom und frei zu entscheiden. Hierbei ist es hilfreich, zunächst zu fragen, wann und wie Situationen entstehen, in denen "frei" entschieden werden muss. Der Kybernetiker Heinz von Foerster hat den schönen Satz formuliert: "Wir können nur die Dinge entscheiden, die prinzipiell unentscheidbar sind." Man befindet sich in einem Dilemma und weiß nicht, was richtig ist, muss aber etwas tun. Solche Situationen sind in der sozialen Sphäre eher die Regel als die Ausnahme. Der eine sagt: „Mach das nicht. Iss den Apfel nicht, sonst gibt es Ärger.“ Der andere erklärt: „Wenn Du es tust, wird es Dir zum Vorteil gereichen und Erkenntnis bringen.“ Beide sagen, dass der jeweils andere falsch liegt oder gar lügt.

Der Evolutionsbiologe Robert Trivers vermutet, dass es gerade solche Konstellationen waren, die die Gehirnentwicklung bei Säugetieren entscheidend vorangetrieben haben. Wenn Tiere die Fähigkeit gewinnen, Zeichen und Signale zu erkennen und zu produzieren, um ihr Verhalten aufeinander abzustimmen, bringt das für den Einzelnen und die Gruppe einen erheblichen Überlebensvorteil mit sich.

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