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Gehirne arbeiten verschieden

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Dank neuer Verfahren der Abbildung, die die Neurologie revolutionieren, beginnen Forscher zu erkennen, wie unterschiedlich die Gehirne von Mann und Frau funktionieren." So die einleitende Feststellung eines Artikels über neue Ergebnisse der Gehirnforschung in „Newsweek" (März 95).

Mittels Magnetresonanz oder Computer-Tomographie sei es möglich, Veränderungen im Gehirn, die während des Nachdenkens, des sich Erinnerns oder des Erlebens von Emotionen entstehen, auf dem Bildschirm wiederzugeben.

Das Ergebnis: Frauen und Männer aktivieren unterschiedliche Gehirnpartien, wenn sie sich etwa ans Lesen machen oder einfach nichts tun. Zitiert wird der Neurologe Richard Haier von der Universität von Kalifornien: „Schon beim jetzigen frühen Stand der Erkenntnis verfügen wir über Daten, die die These stützen, daß Männer und Frauen im allgemeinen Gehirne haben, die unterschiedlich funktionieren."

Ein Beispiel: 37 Männern und 24 Frauen wurde eine radioaktive Zuckerlösung ~ wichtig für die Ernährung des Gehirns — injiziert. Aktive Gehirnregionen verwenden mehr davon als inaktive. Dann wurden die Kandidaten angehalten, sich zu entspannen und 30 Minuten lang an nichts zu denken, während sie in einem halbdunklen Baum lagen. Sie waren an Meßgeräte angeschlossen, die Geschlechtsunterschiede in der Aktivierung erkennbar machten: Bei Männern waren Gehirnpartien, die bei der Kontrolle von Aggression eine Rolle spielen, aktiv, bei Frauen jedoch nicht.

Unterschiede fand man auch, als es darum ging, Wortpaare, die sich reimen, zu erkennen. Bei den Männern wurde dabei nur das Sprachzentrum aktiviert. Bei mehr als der Hälfte der Frauen trat außerdem noch ein Zentrum in Aktion, das als Sitz der Gefühle bekannt ist.

Ein weiterer Test versuchte die Gehirntätigkeit während der Lösung von mathematischen Aufgaben zu erfassen. Etwa die Hälfte der weiblichen wie der männlichen Kandidaten wiesen überdurchschnittliche, der Rest durchschnittliche Ergebnisse auf. Bei den männlichen Studenten schien die Leistungsfähigkeit mit dem Grad der Aktivierung des Gehirns zusammenzuhängen, nicht so bei den Studentinnen. Hier gab es keine Unterschiede in der Gehirntätigkeit zwischen Begabten und durchschnittlich Leistungsfähigen.

Auch die Fähigkeit, Gesichtsausdrücke zu deuten, weist geschlechtstypische Aspekte auf. Frauen sind da insgesamt überlegen. Gleich gut erkannten beide Geschlechter, ob jemand glücklich dreinschaut. Männliche Unterlegenheit ergab sich aber bei der Deutung von traurigen Gesichtsausdruck auf weiblichen Gesichtern. Auch hier gab es unterschiedliche Gehirnaktivierung bei Mann und Frau.

Deutliche Unterschiede auch beim Erinnern an traurige Ereignisse: Hier werden zwar diesselben Gehirnteile aktiviert, bei den Frauen aber achtmal intensiver.

Solche Ergebnisse stützen klarerweise nicht unbedingt die Position der „Gender"-Feministinnen (Seite 14). Wie „Newsweek" berichtet, verlangte dementsprechend eine Gruppe von ihnen im Anschluß an den Vortrag einer Forscherin vor Doktoratsstudenten über die neuen Ergebnisse, die Wissenschaftlerin solle aufhören, ihre Arbeit zu publizieren.

Es sei zu befürchten, so die Argumentation, daß Frauen die in den letzten Jahrzehnten errungenen gesellschaftlichen Erfolge wieder einbüßen, sobald sich herumspricht, daß die Geschlechter nicht gleich sind.

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