Gerald Gartlehner: „Halbwahrheiten sind am gefährlichsten“
Der Epidemiologe Gerald Gartlehner über Evidenz in Österreichs Pandemiestrategie, ein Überdenken der Impfpflicht, die „Gecko“, Pharma-Skepsis und dreierlei Mythen.
Der Epidemiologe Gerald Gartlehner über Evidenz in Österreichs Pandemiestrategie, ein Überdenken der Impfpflicht, die „Gecko“, Pharma-Skepsis und dreierlei Mythen.
Er ist einer der bekanntesten Pandemie-Erklärer Österreichs, leitet das Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems – und ist gerade für knapp drei Wochen an der University of North Carolina. Trotzdem hat sich Gerald Gartlehner Zeit genommen, um mit der FURCHE über Evidenz zu sprechen – und Österreichs Pandemiepolitik.
DIE FURCHE: Herr Professor Gartlehner, die Regierung hat angesichts der neuen Virus-Mutante Omikron vergangene Woche einen Strategiewechsel vorgenommen, der als mehr oder minder kontrollierte „Durchseuchung“ interpretiert wird. Wie evidenzbasiert ist das aus Ihrer Sicht?
Gerald Gartlehner: Die Realität zwingt uns einfach zu diesem Vorgehen, weil Omikron so infektiös ist, dass wir die Welle nicht vermeiden können – außer wir begeben uns für die nächsten Monate in einen Dauerlockdown. Die Konsequenz wird sein, dass der Großteil der Bevölkerung danach Immunität erlangt hat – auf die eine oder andere Art. Deswegen auch mein Vorschlag, dass man die allgemeine Impfpflicht zumindest überdenken sollte.
DIE FURCHE: Bundeskanzler Karl Nehammer hält aber am Start der Impfpflicht am 1. Februar fest. Nur „Feinschliff“ soll es nach den 100.000 (wenngleich oft wortidenten) Begutachtungs-Stellungnahmen geben.
Gartlehner: Das ist letztlich eine politische Entscheidung, die aber auch ein großes Risiko birgt. Im November, als die allgemeine Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung angekündigt wurde, habe ich sie auch für sinnvoll gehalten. Aber Omikron wird die Karten neu mischen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!