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Geschwüre gezielt abtöten

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Statt einer Operation wird ein Medikament gespritzt, das sich nur an Krebszellen ablagert. Bei Bestrahlung wird es aktiv und tötet den Tumor.

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Statt einer Operation wird ein Medikament gespritzt, das sich nur an Krebszellen ablagert. Bei Bestrahlung wird es aktiv und tötet den Tumor.

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Melvin A. Francis erkrankte, wie 12.000 andere Amerikaner jährlich, plötzlich an Speiseröhrenkrebs. Seine Karten standen schlecht: Normalerweise sterben 95 Prozent der Betroffenen an dem heimtückischen Krebs. Der behandelnde Arzt, Bergein Overholt, beschrieb seinem Patienten die herkömmliche, brutale Operation und klärte ihn über die mögliche Folge auf: nie wieder normal essen können.-Doch Overholt sprach auch von der „Photodynamischen Therapie" (PDT) - in den USA das neue Zauberwort zur Bekämpfung von Krebs im Anfangsstadium.

Bei dieser neuen Therapie wird dem Patienten Photofrin injiziert. Dieses Mittel verteilt sich nicht gleichmäßig im Gewebe, sondern wandert ausschließlich zu den von Krebs befallenen Zellen. Drei Tage nach der Injektion, wenn sich das gesamte injizierte Photofrin bei den Krebszellen gesammelt hat, wird die von Krebs befallene Begion für 30 Minuten mit Rotlaser bestrahlt. Das löst eine frappierende Reaktion aus: Nur die Krebszellen werden getötet, alles andere, auch das nächstgelegene Gewebe, bleibt verschont.

Der 67jährige Francis wurde mit dieser Methode im Thompson Cancer Survival Center in Knoxville ambulant behandelt. Am Morgen in der Praxis erschienen, kpnnte er am frühen Nachmittag bereits nach Hause gehen. Sein Krebs wurde vollständig beseitigt. „Selbst das saure Aufstoßen, das ewige Sodbrennen, habe ich nicht mehr", sagt er glücklich, „ich kann jetzt sogar Chili essen und Champagner trinken."

Noch handelt es sich bei der Anwendung von PDT um erste Versuche, um klinische Tests. Die bisherigen Erfolge jedoch sind sensationell: In 90 Prozent aller Fälle von Lungenkrebs, der mit der neuen Methode behandelt wurde, kam es zur völligen Beseitigung der Geschwülste - das gleiche trifft mit 80 Prozent bei Magen-, Kehlkopf- und Darmkrebs zu.

Die PDT, in Amerika derzeit nur bei todkranken Kehlkopfkrebs-Patienten erlaubt und seit April in Japan

in größerem Ausmaß zugelassen, ist, verglichen mit Operationen, die schonendere Behandlungsmethode. Bei Lungenkrebs etwa wird normalerweise die gesamte Lunge entfernt, zumindest aber alle erkennbar befallenen Teile. Eine derartige Operation erfordert auch einen mindestens zehntägigen Aufenthalt im Krankenhaus.

Nach einer PDT dagegen können die allermeisten Patienten noch am selben Tag nach Hause gehen. Auch fordert die Behandlung den Körper weniger und ist daher vor allem für äl -

tere Patienten empfehlenswert.

Photofrin, von der kanadischen Firma PhotoTherapeutics entwickelt, ist nicht die einzige Substanz, die sich für die PDT eignet, bisher aber wohl die bekannteste. Fuhrende Hersteller sind dabei, eigene PDT-Medikamen-te zu entwickeln, darunter Ciba-Gei-gy und Upjohn. „Dieser Markt wird geradezu explodieren", sagt der Krebsforscher Harvey Pass vom National Cancer Institute Bethesda im US-Bundesstaat Maryland voraus.

Die PDT hat natürlich auch Grenzen. Im Gegensatz zur Chemothera-

pie kann es keine Krebszellen aufspüren und angreifen, die aus dem Ursprungsgeschwür in andere Körperregionen oder Organe abgewandert sind (Metastasen).

Die größten Hoffnungen hinsichtlich PDT, so die damit arbeitenden US-Ärzte übereinstimmend, können sich Patienten machen, bei denen sich der Krebs noch im Frühstadium befindet. Doch derzeit ist die Anwendung der PDT in den USA noch stark eingeschränkt.

Der Autor ist

freier Journalist in den USA.

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