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Große Sprünge auf dem Mond

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Der für den 15. März angesetzte und mit Spannung erwartete Start der Gemini 8 fiel vorerst einer technischen Panne zum Opfer: Bei der Atlas-Trägerrakete sickerte flüssiger Sauerstoff in einen Heliumtank ein, bei der Raumkapsel wiederum ist ein Wasserkühlsystem leck, das die Raumanzüge der beiden Astronauten auf einigermaßen erträglichen Temperaturen halten soll. Einer der beiden Piloten, Neil Armstrong, zugleich Chefpilot des Gemini-Projektes, schildert das harte Training, das die US-Raum- fahrer mitmachen müssen, um notfalls selbst mit solchen Zwischenfällen fertig zu werden.

Es gibt auf der Erde noch keine Methode, eine Mondexpedition als Ganzes zu proben. Trotz aller sorgfältigen Berechnungen und Planungen wird es eine Reise ins Unbekannte, und die erste Generalprobe wird der Flug selbst sein. Alles was wir tun können, uns auf diesen Tag vorzubereiten, ist, die Expedition in ihre Einzelteile zu zerlegen — Start, Weltraumrendezvous, Mondlandung, Abflug vom Mond und Rückkehr in die Erdatmosphäre — und nach besten Kräften jeden dieser einzelnen Schritte mit Hilfe einer Reihe seltsamer und raffinierter Maschinen zu meistern, die man Simulatoren nennt.

In den ersten Tagen des Mercury- Projekts wußte man über die Anforderungen des Weltraums so gut wie nichts. Die Astronauten, die sich für die ersten Satellitenflüge vorbereiteten, wurden daher allen Arten von anstrengendem Training in Roll- und Schleudergeräten unterzogen — wie sich später herausstellte, war vieles davon unnötig gewesen. Um die Technik des Raum- fluges selbst zu erproben, hatten die Astronauten damals nur ein Gerät — den alten Mercury-Flugtrainings- apparat.

Die Simulatoren, die wir heute besitzen, können die kühnsten Astronautenträume befriedigen. Diese Maschinen und Geräte erzeugen auf elektronischem und mechanischem Weg eine grandiose Vielfalt von „Tricks”, die eine sehr ernst zu nehmende Traumwelt schaffen. Beim Training in dieser Welt sind wir umgeben von den Geräuschen und selbst den Gerüchen, die uns auf einer Mondfahrt begleiten werden, und wir erleben die Ausblicke, die wir dabei genießen werden. So haben beispielsweise nahe unserem Hauptquartier in Houston, Texas, Geologen eine künstliche Mondlandschaft angelegt, von der wir hoffen, daß sie der Wirklichkeit so nahe kommt, daß wir uns beim erstmaligen Betreten der Mondoberfläche so „daheim” fühlen werden wie in unseren Hausgärten.

Nur ein Sechstel der Schwerkraft

Wieder etwas anderes war es, uns daran zu gewöhnen, daß der Mond nur etwa ein Sechstel der Schwerkraftanziehung der Erde ausüben wird. Sechs Meter hohe Sprünge auszuführen, wird für den Astronauten auf dem Mond ein Kinderspiel sein. Aber er dürfte nie vergessen, daß sein Körper dieselbe Masse besitzt und daß es daher genauso weh tun wird, mit großer Geschwindigkeit an einen Mondfelsen zu prallen wie bei gleicher Geschwindigkeit auf der Erde. Unser Training mußte daher auch darin bestehen, auf dem Mond gehen zu lernen, und es war daher das Problem, die verringerte Anziehungskraft genau nachzuahmen.

Ein Flugzeug kann seinen Insassen für kurze Zeit das Gefühl vermitteln, wenn es eine Parabolkurve hinauf- und hinabsauist, wie ein Auto, das über eine Bergkuppe rast. Was wir jedoch brauchten, war ein

Gerät, das uns ermöglichte, das Gehen auf dem Mond stundenlang zu üben.

Die Ingenieure lösten diese Aufgabe mit einigen ausgezeichneten Geräten. Eines davon ist mit Tauen und Gurten ausgestattet, in die wir uns einhängen und mit nur einem Sechstel unseres irdischen Gewichtes auf einem schräg geneigten Brett dahinmarschieren. Ein anderes haben wir die „Peter-Pan-Maschine” getauft (nach dem Elfen in dem bekannten englischen Märchen); sie trägt uns an Schnüren auf dieselbe Weise dahin, wie Schauspieler über die Bühne fliegen.

Einige unserer Trainingsgeräte sind sehr kostspielig — ihr Bau hat Millionen Dollar verschlungen. Aber wenn sie uns helfen, später auch nur eine Katastrophe zu verhüten, dann haben sie ihren Wert hereingebracht. Einer dieser Simulatoren verwendet einen elektronischen Computer, mit dessen Hilfe wir alle Raumfahrtmanöver proben, die wir beim Flug zum Mond durchführen werden. Instrumente vermitteln dem Piloten die erforderlichen Daten, und er blickt dabei auch durch ein Fenster auf eine riesige cineramaähnliche Projektion der immer näher rückenden Mondoberfläche. Wenn wir einen Fehler machen, drücken wir einfach einen „Wiederholknopf” und der „Anflug” beginnt von vorn. Wir amüsieren uns oft mit der Vorstellung, wie wir, wenn wir auf dem tatsächlichen Mondflug in Schwierigkeiten geraten sollten, wohl automatisch nach dem Wiederholknopf tasten werden.

Ein künstliches Feuer

Ungeachtet all unseres Raum- fahrtstrainings wird sich ein wirklicher Mondflug zum Teil auf sehr traditionelle Weise abspielen. Zwei Raumschiffe im Weltraum zum Rendezvous zu bringen, ist ungefähr wie mitten in dar Nacht mit einem halben Liter Benzin im Tank ein Motorboot in ein Schwimmdock zu manövrieren. Nur wird dank der Simulatoren das blinde Hin- und Herfuhrwerken minimal sein.

Einige der Simulatoren sind so echt, daß sie sogar riechen wie das wirkliche „Ding”. Eines Tages probten Gordon Cooper und Tom Stafford im Cockpit einer neuen Maschine, die einen Gemini-Flug nachahmt. Plötzlich füllte sich die Pilotenkabine mit Rauch und dem stechenden Geruch eines Kabelbrandes. Sofort signalisierten die beiden Astronauten „Feuer” — und kamen dann darauf, daß es nur ein Test war. Der Mann an der Schaltwarte, der den simulierten Flug überwacht, hatte ein Kunstfeuer erzeugt mit dem ganz echten Geruch.

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