Großfüßige Verschwendung

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Das Modell des ökologischen Fußabdrucks rechnet den Lebensstil der Menschen um in jene Fläche, die nötig ist, um diesen Lebensstil zu ermöglichen. Derzeit wäre dazu 1,2-mal die Größe der Erde notwendig.

Der ökologische Fußabdruck, den Wolfgang Pekny wegen seines Urlaubs hat, ist denkbar gering: Er macht gerade Ferien irgendwo in Österreich. Und er fährt Rad. Kein Langstreckenflug in die Karibik, kein Jetski und kein Schnellboot-Ausflug. Denn der Greenpeace-Zukunftsstratege achtet auf seinen ökologischen Fußabdruck. Und er hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses 1996 von dem Kanadier William Rees und dem Schweizer Mathias Wackernagel entwickelte Konzept auch in die Köpfe der restlichen Österreich zu bekommen. Ein Ansinnen, für das sich Greenpeace, Global 2000 und der WWF zur Plattform Footprint zusammengeschlossen haben.

Verbrauch = Hektar

Der ökologische Fußabdruck gibt an, wie viel biologisch produktive Fläche, also etwa Ackerboden, Wald und Wasser nötig wäre, um den aktuellen Verbrauch an Energie und materiellen Ressourcen für Kleidung, Ernährung, Transport und Wohnen abzudecken. Er lässt sich berechnen für das Konsumverhalten Einzelner, ganzer Städte, Staaten und natürlich auch der ganzen Menschheit. Er macht also messbar, wie nachhaltig die jeweilige Person oder Gruppe lebt: Dividiert man die weltweit zur Verfügung stehende Fläche durch die Anzahl der Menschen, hat jeder Mensch derzeit 1,8 Hektar Fläche zur Verfügung, um seine Bedürfnisse abzudecken. Wer mehr braucht, braucht zu viel.

Berechnungsgrundlage sind allerdings nicht normale Hektar Land, sondern so genannte globale Hektar: Ein globaler Hektar ist zwar ebenfalls zehntausend Quadratmeter groß, allerdings bemisst sich sein Ertrag nach dem weltweiten Durchschnitt. Und da der Boden in Österreich fruchtbarer ist als in weiten Teilen der restlichen Welt, hat Österreich entsprechend mehr globale Hektar zur Verfügung als tatsächliche Bodenfläche.

Bei gerecht verteilter Nutzung der vorhandenen Fläche stünden also jedem Menschen 1,8 globale Hektar zur Verfügung. Ein Österreicher verbraucht derzeit 4,6 Hektar. "Diese 1,8 Hektar sind für uns eine Bedrohung, aber für zwei Drittel der Menschen weltweit sind sie ein Versprechen, weil sie derzeit viel weniger zur Verfügung haben, als ihnen gerechterweise zustünde", meint Pekny. Ein Inder etwa verbraucht derzeit 0,8 Hektar. Dennoch liegt der weltweite Durchschnitt dank der Konsumgewohnheiten vor allem in westlichen Industrieländern bei 2,2 Hektar pro Person. Es wäre also 1,2 mal die Fläche der Erde nötig, um die Weltbevölkerung weiterhin so zu ernähren wie bisher - mit all dem Übermaß im einen und all dem Mangel im anderen Teil der Welt. Allerdings steigt die Zahl der Menschen, und auch ausreichend Platz für Tiere und unberührte Natur ist in der Rechnung nicht berücksichtigt. Würde man beides einrechnen, wäre pro Person noch rund ein Hektar übrig.

Berechnet wird der Hektar-Verbrauch auf unterschiedliche Weise: Der Verbrauch für tierische und pflanzliche Nahrung richtet sich danach, wie viel Platz für den Anbau der Pflanzen bzw. die Aufzucht und Haltung der Tiere nötig ist. Geht es etwa um die Umrechnung von Reisegewohnheiten in Hektar, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, man berechnet, wie viel Fläche für den Anbau beispielsweise von Raps nötig wäre, um den verbrauchten fossilen Treibstoff aus alternativen Mitteln herzustellen. Oder man nimmt den co2-Ausstoß, der durch das Verkehrsmittel verursacht wird und berechnet, wie viel Fläche Wald und andere Pflanzen nötig sind, um diese Menge co2 aufzunehmen. Mit beiden Methoden komme man in etwa zum gleichen Ergebnis, versichert Pekny.

Pflicht zum Verzicht

Um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verringern, ist also weniger Flächenverbauch nötig. Und somit Verzicht. Und dieses Konzept soll Chancen haben? "Verzicht klingt so negativ", bestätigt Pekny. "Aber so mancher Verzicht bringt ja auch Entschleunigung mit sich. Der Kurztrip nach Mallorca zum Beispiel - wenn man den durch ein Wochenende irgendwo in Österreich ersetzt, hat man sich wahrscheinlich besser erholt und hat auch seinen ökologischen Fußabdruck verkleinert." Zudem gebe es hunderte verschiedene Möglichkeiten, den eigenen Fußabdruck zu reduzieren. "Der eine verzichtet vielleicht auf Fleisch (siehe Kasten) und gönnt sich dafür einen Urlaub mit dem Flugzeug, ein anderer steigt auf die Bahn um und isst dafür weiter sein geliebtes Schnitzel." Zudem sei eine Reduktion ja teilweise auch recht einfach zu bewerkstelligen: "Wer sein Auto mit jemand anderem teilt, halbiert schon einmal seinen diesbezüglichen Fußabdruck. Und wer zu viert in einer hundert Quadratmeter großen Wohnung wohnt, hat denselben Fußabdruck, wie wenn er allein auf 25 Quadratmeter wohnt, aber er hat sicher mehr Lebensqualität." Fakt ist jedoch: "Ohne Umstellung unseres Lebensstils wird es nicht gehen."

Dass ein glückliches Leben aber nicht unbedingt mit einem sehr hohen Ressourcenverbrauch einhergehen muss, zeigt die Verbindung des ökologischen Fußabdrucks mit dem Happy Planet Index (hpi), der die Zufriedenheit und Lebenserwartung der Bevölkerung eines Landes mit dem ökologischen Fußabdruck in Verbindung bringt. Die usa und Deutschland etwa weisen bei Zufriedenheit und Lebenserwartung ähnliche Werte auf, aber ein Amerikaner braucht doppelt so viel Fläche wie ein Deutscher. Japan und Russland haben den gleichen ökologischen Fußabdruck, aber die Lebenserwartung in Japan ist um 17 Jahre höher und die Zufriedenheit um 50 Prozent.

Minus 80 Prozent Fläche

Einige Politiker sind inzwischen offenbar von dem Konzept überzeugt: In Italien etwa ist es offiziell vorgesehen, den Menschen mit der Argumentation des ökologischen Fußabdrucks klar zu machen, dass sie Ressourcen schonen sollen. In Finnland wurde das Statistische Zentralamt damit beauftragt, den Footprint zu einem Teil seiner Erhebungsmethoden zu machen. Und London hatte eine umfassende Studie über den Verbrauch von Produkten und Energie im Jahr 2000 erstellen und in globale Hektar umrechnen lassen. Der Footprint der gesamten Stadt betrug 49 Millionen globale Hektar - eine Fläche, die 293-mal größer ist als die Stadt selbst. Jeder einzelne Londoner verbrauchte 6,63 Hektar Fläche. Beispielsweise kamen 81 Prozent der 6,9 Millionen Tonnen Nahrungsmittel, die konsumiert wurden, nicht aus Großbritannien. 28 Prozent der verbrauchten 866 Milliarden Liter Wasser gingen durch kaputte Leitungen verloren. Londoner reisten im Jahr 2000 rund 64 Milliarden Kilometer, 69 Prozent davon im Auto. Deklariertes Ziel der Stadt ist es, bis 2050 zur nachhaltigen Stadt zu werden. Dazu müsste allerdings jeder seinen Verbrauch um 80 Prozent reduzieren.

Auch für die Stadt Wien wurde der ökologische Fußabdruck bereits errechnet: 3,7 Hektar pro Wiener. Damit liegt die österreichische Bundeshauptstadt aber im Vergleich mit anderen gar nicht so schlecht: Oslo und Toronto brauchen 7,7, Hamburg 5,5 und Berlin 4,4 Hektar. Wolfgang Pekny ist dennoch nicht zufrieden: "In Österreich passiert viel zu wenig, um den Fußabdruck zu verkleiern." Er selbst tut weiterhin seinen Teil dazu und macht Urlaub in Österreich. Mit dem Rad.

Weitere Informationen:

www.einefueralle.at und

www.footprint.ch )

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