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Heraus aus dem Budget!

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Die am 23. Oktober d. J. vom Nationalrat beschlossene Erhöhung der Kinder- beziehungsweise Familienbeihilfen um fünf Schilling wurde von den Familienerhaltem als absolut unzureichend angesehen, ja als Beleidigung empfunden. Tatsächlich haben sich die Lebenshaltungskosten der Familie durch die erhebliche Verteuerung sehr vieler Güter und Dienstleistungen in einem Ausmaß erhöht, zu dem die Einkommenserhöhung von fünf Schilling pro Kind in keinem Verhältnis steht. Es ist jedoch festzuhalten, daß der Gesetzgeber mit dieser Beihilfenerhöhung lediglich die Preiserhöhungen bei Schwarzbrot und Mahlprodukten abgelten wollte. Und diese hat er auch tatsächlich abgegolten.

Warum aber konnte den Familien nicht die allgemeine Teuerung ab-

gegolten werden? Warum konnte nicht verhindert werden, daß die ohnehin 3 "uRžiireichend4n Bė'i Hilten weiter ap; Kaufkraft verlieren, also noch unzureichender wetden?

Das hat folgenden Grund: Aus den veranschlagten laufenden Einnahmen der beiden Familienfonds war der für eine Beihilfenerhöhung erforderliche Mehraufwand nicht zu bedecken. Daher hätte man die Fondsüberschüsse früherer Jahre heranziehen müssen. Diese Überschüsse betragen beim Kinderbeihilfenfonds (aus den Jahren 1952 bis 1954) rund 409 Millionen Schilling, beim Familienbeihilfenfonds (dem seit 1955 auch die Überschüsse des Kinderbeihilfenfonds

zufließen) nach dem Stande vom 31. Dezember 1961 rund 2022 Millionen Schilling; zusammen also rund 2,4 Milliarden Schilling. Ein Bruchteil dieser Summe hätte genügt, den Familien die Teuerung voll abzugelten. Aber diese Mittel waren nicht vorhanden, weil sie für allgemeine Budgetzwecke verwendet worden sind.

Rechtspersönlichkeit für die Familienfonds!

' Immer lauter ertönt daher der Ruf rÄch Umwandlung der beiden Familienfonds in selbständige Rechtsträger, um sicherzustellen, daß die für den Familienlastenausgleich eingehobenen Mittel tatsächlich diesem Zweck zugeführt werden, wie es dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Es gibt freilich auch noch andere Gründe, die für eine solche Lösung sprechen. Auf sie wird abschließend einzugehen sein.

In der Tat erfordert die Sicherung eines wirksamen Familienlastenausgleichs und eine folgerichtige Weiterentwicklung der familienpolitischen Gesetzgebung gebieterisch die Ausstattung der Familienfonds mit Rechtspersönlichkeit. Eine Durchsicht der stenographischen Protokolle über die Sitzungen des Nationalrates und des Bundesrates der vergangenen Jahre bis heute bestätigt, daß sich die fachkundigen Familienpolitiker in allen Parteien darüber einig sind. Schon in dem vom Abgeordneten Josef Reich am 10. März 1954 eingebrachten Antrag betreffend die Schaffung eines Familienlastenausgleichsgesetzes war ein Fonds mit Rechtspersönlichkeit vorgesehen.

Schwierigkeiten erwachsen nur

aus einer Mentalität, die vor dem zweiten Weltkrieg familienpolitische Maßnahmen in Österreich überhaupt verhindert hat. Einwendungen werden heute, soweit es sich nicht um Interessenblindheit und mangelnde Sachkenntnis handelt, nur mehr von bürokratischer Seite erhoben, soweit ihr Denken in fiskalischer Routine befangen ist; die Verständnislosigkeit gegenüber dem Gedanken des Familienlastenausgleichs führt sogar zu Versuchen — allerdings vergeblichen Versuchen — die Öffentlichkeit und die Volksvertretung falsch zu informieren.

Buchstabe und Praxis

Obgleich weitesten Kreisen bekannt ist, daß die früher genannten Überschüsse nicht den Familien zugeflossen sind, wird zum Beispiel

kühn behauptet, die Ausstattung der Fonds mit Rechtspersönlichkeit sei gär nicht ' notwendig, da die “ irn § 31 des Familienlastenausgleichs gesetzes getroffene Regelung eine Zweckentfremdung der Mittel ohnehin ausschließe.

Dieser Paragraph bestimmt, daß die Überschüsse des Familienbeihilfenfonds für Maßnahmen im Rahmen des Familienlastenausgleichs zweckgebunden sind, daß diese Überschüsse zur Deckung allfälliger Abgänge so lange anzusammeln sind, bis sie die Hälfte des im Vorjahr erwachsenen Beihilfenaufwandes erreichen, und daß nach allfälliger Aufzehrung dieser Reserve

noch verbleibende Abgänge vorschußweise aus allgemeinen Bundesmitteln zu decken sind.

In der Praxis sind aber diese sehr erheblichen Überschüsse keineswegs abgesondert vom übrigen Bundesvermögen verwaltet, sondern für allgemeine Budgetzwecke verwendet worden, so daß nicht einmal die Mittel vorhanden waren, aus dem Fonds die geringfügige Abgeltung der Preiserhöhungen für Schwarzbrot und Mahlprodukte zu decken.

Nimmt man nämlich, wie es von fiskalischer Seite gelegentlich geschieht, dem Begriff „Fonds“ seinen eigentlichen Sinn und verwendet man das Wort nur mehr, um damit einzelne Budgetposten zu bezeichnen, dann fließen die Fondseinnahmen dem allgemeinen Budget zu, und die Fondsausgaben werden aus

dem allgemeinen Budget bestritten. Es kommt daher gar nicht zu der vom Gesetz angeordneten Ansammlung von Überschüssen. Diese werden vielmehr lediglich rein rechnungsmäßig registriert, tatsächlich aber im Rahmen des allgemeinen

Budgets ausgegeben. Bei der letzten Beihilfenerhöhung hat sich ja gezeigt, daß diese Erhöhung nicht nach dem Umfang der (erheblichen) Rücklagen, sondern nach Maßgabe der bei der angespannten Finanzlage des Bundes hierfür gerade noch zu erübrigenden Budgetmittel erfolgte.

Der klare Wille des Gesetzgebers

Das ist das genaue Gegenteil dessen, was der Gesetzgeber mit der Errichtung der Fonds bezweckt hat. Als 1949 die aus Bundesmitteln gewährte „Ernährungsbeihilfe“ durch die Kinderbeihilfe ersetzt, der Kinderbeihilfenfonds errichtet und der sogenannte Dienstgeberbeitrag eingeführt wurden, geschah dies nämlich ausdrücklich zu dem Zweck, um „den Staatshaushalt von der

Last der Ernährungsbeihilfe zu befreien“.

Nicht der Staat, sondern die Dienstgeber der Wirtschaft''sollten von nun an dėti Aufwand tragen; der Fonds aber wurde deshalb eingeführt, „weil der Wirtschaft, die ihre Dienstnehmer nach Leistung entlohnt, eine unmittelbare Zahlung der Familienzulagen (wegen der nach Kinderzahl ihrer Dienstnehmer unterschiedlichen Belastung der einzelnen Unternehmer) nicht zugemutet werden kann“, und „weil eine solche Zumutung zur Benachteiligung kinderreicher Dienstnehmer auf dem Arbeitsmarkt führen würde“.

Es war eine kluge Maßnahme, daß die technische Durchführung dieses Ausgleiches weiterhin durch die staatliche Finanzverwaltung im Zusammenwirken mit den Dienstgebern erfolgt. Es geschah deshalb, weil „die Kinderbeihilfe als Lohnbestandteil zu betrachten ist, und schon deshalb die Auszahlung durch die Dienstgeber aus der Natur der Sache gegeben ist“, und weil „dies auch der einzige Weg ist, die Aufgabe der Auszahlung der Kinderbeihilfe ohne Aufstellung eines kostspieligen Behördenapparates zu bewältigen“.

Der Gesetzgeber hätte auch eine andere Lösung treffen, nämlich es bei der Regelung der Ernährungsbeihilfe belassen und die damit seinem Haushalt aufgebürdete Last in Form einer Steuer auf die Dienstgeber abwälzen können (wobei diese Steuer nicht lohnbezogen hätte sein müssen wie der Dienstgeberbeitrag). Der Gesetzgeber hat aber eine richtigere und bessere Lösung getroffen: nämlich eine Lösung im Sinne des gesellschaftlichen Familienlastenausgleichs. Was jedoch von der Finanzverwaltung praktiziert wird, drängt in die Richtung der Staatsalimentation zurück.

Nur echte Beiträge

Es ist daher an der Zeit, klare Verhältnisse zu schaffen. Das kann

Den Fehlentwicklungen vorbeugen

Selbstverständlich bestünde die ideale Lösung darin, die beiden Fonds in einen einzigen zusammen- zülegen. Dies setzt aber eine Neukodifizierung der gesamten Beihilfengesetzgebung voraus, die an Stelle der bisherigen Gesetze und Gesetzesnovellen ein einziges, einheitliches und übersichtliches Gesetz stellt. Dies ist ein Ziel, das nicht aus den Augen verloren werden darf, dessen Erreichung aber eine geraumę Zeit erfordert. Heute geht es vor allem darum, Fehlentwicklungen rechtzeitig vorzubeugen. Dafür ist die Ausstattung der Fonds mit Rechtspersönlichkeit die entscheidende und aus den eingangs dargelegten praktischen Gründen auch dringende Maßnahme. Dadurch wird die Zeit gewonnen, die Neukodifizierung gründlich vorzubereiten.

In einer freien Gesellschaft muß gerade die Familie ihr Leben aus eigener Kraft und in selbstverantworteter Freiheit gestalten können. Das System der Staatsalimentation

nur dadurch geschehen, daß der Familienlastenausgleich aus der Finanzgebarung des Bundes herausgelöst wird. Dazu müssen die beiden Fonds mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet und die Fondsbeiträge (derzeit Bundesabgaben) in echte Beiträge umgewandelt werden, die genauso wie heute von der Finanzverwaltung einzuheben sind.

Damit wird auch dem Grundsatz der Budgeteinheit Rechnung getragen, da die unselbständigen Verwaltungsfonds, als welche die beiden Familienfonds bisher im Rahmen des Bundesvermögens bestanden haben, beseitigt werden. Es versteht sich von selbst, daß die in den Bundesrechnungsabschlüssen ausgewiesenen Überschüsse, die nicht den Familien zugeflossen sind, den Fonds gutzubringen sein werden, wobei in einem Tilgungsplan dafür vorzusorgen ist, daß den Fonds schon bei Beginn ihrer rechtlichen Selbständigkeit die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stehen.

ist lebensfremd, weil es die Funktion der Familie im Rahmen der Gesellschaft nicht zur Kenntnis nimmt und übersieht, daß nur die Familie geeignet ist, Pflegestätte für die Entwicklung von Menschen zu sein, die zu einem Leben in personaler Verantwortlichkeit und Freiheit fähig sind.

Es ist eines der hoffnungsvollsten Zeichen, daß sich auch die Familienbewegung in Österreich nicht von jenen Sirenenklängen betören läßt, die den Fämflienerhaltem -einflüstern, sich in die wachsende Schar jener einzureihen, die da wähnen, der Staat könne und müsse alle ihre Wünsche erfüllen, die ewig vom Staat heischen und die dem Staate alles abfordern wollen, sich selbst aber nichts abzufordern bereit sind. Die einschlägigen Maßnahmen des Gesetzgebers bedeuten glücklicherweise nicht einen weiteren Schritt auf dem Weg der Subventionspolitik: Es ging ihm nicht um Subventionierung der Familien, sondern um Gerechtigkeit für die Familie!

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