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Herr Doktor auf der Schule

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Während man im Bundesministerium für Unterricht seit Jahren an einem Hochschulstudiengesetz arbeitet, ist ein neuer Gesichtspunkt in den Diskussionen um die zukünftige Gestaltung des österreichischen Hochschulwesens zutage getreten. Angeregt durch das Beispiel der „postgraduate“ Kurse des anglo-amerikanischen Hochschulwesens wurden in den letzten Jahren zum Teil an den Hochschulen und zum anderen Teil außerhalb der Hochschulen Kurse für Hochschulabsolventen eingerichtet.

Natürlich ist der Akademiker auch bisher nach der Universität und Hochschule im Beruf fachlich weitergebildet worden. Die Ärzte müssen ihre Spitalspraxis absolvieren, die Richter haben die Richteramtsprüfung abzulegen und besuchen für diese Prüfung Vorbereitungskurse, die Verwaltungsbeamten haben eine Verwaltungsprüfung zu absolvieren und so weiter. Während diese berufliche Fortbildung eine mehr praktische Ausbildung vermittelt, handelt es sich bei den meisten Fortbildungskursen um eine Fortsetzung der theoretisch-wissen-vschaftlichen Bildung, wie sie auch die Universität beziehungsweise die Hochschule vermittelt. Natürlich kann der Vorlesungsbetrieb in derartigen Kursen, an denen nur fertige Akademiker teilnehmen, ganz anders gestaltet werden als an den Hochschulen. Es ist doch anzunehmen, daß die fertigen Akademiker den Studienbetrieb und das „Studieren“ beherrschen, so daß die Stoffgebiete in den Fortbildungskursen eher bewältigt werden können. Damit verbunden ergibt sich eine intensive fachliche Ausbildung, die den Teilnehmern an solchen Kursen im gegenwärtigen harten Konkurrenzkampf Vorteile verschaffen kann.

Von der Öffentlichkeit vielfach unbeachtet bestehen auch in Österreich schon jetzt Kurse für fertige Akademiker. An der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien wird seit Jahren ein „Lehrgang für internationale Studien“ abgehalten. Dieser Kurs vermittelt den Teilnehmern in vier Semestern eine ergänzende fachliche Ausbildung auf dem Gebiete des Völkerrechtes, der Soziologie der internationalen Beziehungen und der internationalen Wirtschaft. Die Wiener medizinische Akademie für ärztliche Fortbildung hält seit einigen Jahrzehnten für ausländische absolvierte Ärzte Fortbildungskurse in englischer Sprache ab, die ein hohes Ansehen im Ausland, besonders in Indien, genießen. Erst vor kurzer Zeit wurde in Zusammenarbeit mit der UNESCO ein Kurs für Geologen aus den Entwicklungsländern an der Geologischen Bundesanstalt in Wien eingerichtet.

Man wird sich noch der Diskussionen in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der Errichtung eines „Ford-Institutes“ in Wien erinnern. Nach langwierigen Verhandlungen hat man sich geeinigt, Fortbildungskurse und wissenschaftliche Studien auf dem Gebiete der Sozialwissenschaften abzuhalten. Die neue Institution heißt nunmehr „Institut für höhere Studien und wissenschaftliche Forschung“. Namhafte Gelehrte aus dem In- und Ausland werden am Institut Vorlesungen halten. Der wissenschaftliche Nachwuchs auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften wird damit Gelegenheit haben, in Österreich eine Ausbildung von internationalem Niveau zu erhalten.

Besser bekannt als die bisher aufgezählten bestehenden Fortbildungskurse ist der Plan des Außenministers Dr. Kreisky, als Nachkommen der ehemaligen Konsularakademie eine Diplomatenakademie im Theresianum in Wien ins Leben zu rufen. Die Vorarbeiten für diesen Kurs sind schon sehr weit gediehen, so daß der Kursbetrieb vermutlich im Herbst 1964 aufgenommen werden kann. Man hat nämlich im Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten erkannt, daß die sorgfältige Ausbildung des Diplomaten mit dem Abschluß des Hochschulstudiums allein nicht gesichert ist. Von der fachlichen Weiterbildung nach dem Eintritt in das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten abgesehen, erschien daher die Abhaltung eines Kurses für fertige Akademiker, die die Diplomatenlaufbahn einschlagen wollen, notwendig.

Auch für die Verwaltungsbeamten gibt es in anderen Ländern sogenannte Verwaltungsakademien zur Ausbildung der Verwaltungsbeamten. Wenn man die Vorschläge zur Reform der Verwaltung im Bereich des Innenministeriums gelesen hat, wird man feststellen, daß auch hierbei die Einrichtung einer Verwaltungsakademie erwähnt wurde.

Die Tendenz, die notwendige ergänzende Ausbildung, die im Rahmen des nicht mehr ausdehnbaren Hochschulstudiums nicht gewährt werden kann, in Fortbildungskursen für Akademiker zu vermitteln, wird also auch vor Österreich nicht haltmachen. Diese Methode ist aber auch der Schlüssel für das Problem, vor dem sich die Hochschulen bei der notwendigen Kürzung der Studiendauer beziehungsweise Beibehaltung der derzeitigen Studiendauer gestellt sehen.

Leider scheint man auf den Hochschulen noch nicht allgemein die Wichtigkeit derartiger Fortbildungskurse für Akademiker erkannt zu haben. Wie könnte es sonst kommen, daß ein Großteil der angeführten Kurse nicht durch die Hochschulen selbst, sondern durch private, außerhalb der Hochschule stehende Institutionen, geleitet werden.

Selbstverständlich gibt es für die Abhaltung von Fortbildungskursen für Akademiker noch keine Kompetenzbestimmungen im Bundesverfassungsgesetz. Wie so viele Lebensbereiche hatte dieses Problem noch keine Aktualität zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bundesverfassung geschaffen wurde. Es ist daher auch verständlich, daß die einzelnen Ministerien die Zuständigkeit von Kursen, die irgendwie in ihr Kompetenzgebiet gehören, sofort in Anspruch nehmen. Man hat hier eine Entwicklung vor sich, wie sie auch bei der Hochschule vor ungefähr 40 Jahren bestand. Damals gehörte nämlich die Hochschule für Bodenkultur oder die Hochschule für Welthandel keineswegs zum Kompetenzbereich des Bundesministsri-ums für Unterricht, sondern die eine Hochschule zum Kompetenzbereich des Bundesministeriums für Land-und Forstwirtschaft beziehungsweise die andere Hochschule in die Kompetenz des Handelsministeriums.

Aber nicht nur die Hochschulen und die Üi^terrichtsverwaltung sollten den Fortbildungskursen für Akademiker größere Beachtung schenken. Es wird notwendig sein, daß die staatlichen Behörden, die mit Personalfragen beschäftigt sind, Gelegenheit erhalten, die Teilnahme an Fortbildungskursen bei der Anrechnung von Vordienstzeiten zu berücksichtigen. Eine derartige Maßnahme ist um so berechtigter, als die Absolventen der Fortbildungskurse ein größeres Wissen mitbringen, das im Staatsdienst der Behörde zugute kommt.

Im Entwurf des neuen Hochschulstudiengesetzes werden die Fortbildungskurse als „Lehrgänge“ bezeichnet, und es wird verlangt, daß die Teilnehmer an solchen Lehrgängen eine neue Immatrikulation beziehungsweise Inskription vornehmen. Diese Regelung ist nicht sinnvoll. Das Weiterstudium von Absolventen sollte nicht bürokratisch erschwert werden. Die Fortbildungskurse sollten vielmehr ein Bestandteil im Lehrplan der Hochschulen werden. Es wird aber letztlich auf die Initiative der österreichischen Hochschulen ankommen, ob es ihnen gelingt, diesen neuen Bereich in der Ausbildung der Spitzenkräfte unseres Staates für sich in Anspruch zu nehmen.

Am Beispiel des Instituts für höhere Studien und wissenschaftliche Forschung ist zu ersehen, daß Institutionen, die mit der Durchführung solcher Kurse betraut werden, keineswegs die Abhaltung solcher Kurse allein durchführen. Vielmehr kommt auch die Forschung automatisch als Aufgabengebiet hinzu. Wir können das als Beweis für die Richtigkeit des Grundprinzips der österreichischen Hochschulen, der Verbindung von Lehre und Forschung betrachten. Wir können aber auch sorgenvoll auf die weitere Entwicklung der österreichischen Hochschulen blicken, wenn es ihnen nicht gelingt, zeitgemäße Initiativen zu entwickeln und damit vielleicht der Spitzenrang in der geistigen Pyramide des Tandes auf Institutionen außerhalb der Hochschulen übeigeht.

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