FIRST
Hightech-Satelliten: "Big Brother" aus dem Weltall
Früher hatten nur Geheimdienste eine scharfe Sicht auf den Planeten. Heute schicken auch private Unternehmen Satelliten ins All. Mittels spezieller Radartechnik und Bildgebung entstehen hochauflösende Aufnahmen, vor denen sich niemand mehr verstecken kann.
Früher hatten nur Geheimdienste eine scharfe Sicht auf den Planeten. Heute schicken auch private Unternehmen Satelliten ins All. Mittels spezieller Radartechnik und Bildgebung entstehen hochauflösende Aufnahmen, vor denen sich niemand mehr verstecken kann.
Die Bewohner an der kalifornischen Küste schliefen noch, als am 22. Mai 2024 um vier Uhr morgens Ortszeit an der „Vandenberg Space Force Base“ in dichtem Nebel eine geheime Mission startete: Die Schwerlastrakete Falcon-9 des Weltraumunternehmens SpaceX beförderte einen Satelliten des US-Geheimdienstes ins All. Der US-Luftwaffenstützpunkt, gut vier Autostunden vom Silicon Valley entfernt, ist militärisches Sperrgebiet, doch Schaulustige konnten den Start im Livestream im Internet verfolgen: „Three, two, one, zero“. Der Booster zündet, es knallt und zischt, Rauch steigt auf, dann schießt die Rakete in den Nachthimmel über dem Pazifik, wo sie als glimmender Feuerschweif zu erkennen war. Nachdem sich die obere Raketenstufe vom unteren Teil, dem Booster, trennte, landete der Rumpf sicher auf einem Schiff im Pazifik. Doch nach der Landung endete der Livestream – auf Anordnung des Nationalen Aufklärungsamts (NRO) zeigte SpaceX keine weiteren Bilder. Denn die Fracht war „top geheim“.
Der US-Militärgeheimdienst will im Rahmen der Mission „NROL-146“ in den nächsten Jahren hunderte Spionagesatelliten ins All schießen. Die Himmelskörper, die in der niedrigen Umlaufbahn in einer Höhe von 200 bis 2000 Kilometer um die Erde kreisen, sollen hochauflösende Bilder an die Erde funken. Die Behörde hat dazu einen milliardenschweren Auftrag an SpaceX und den US-Rüstungskonzern Northrop Grumman vergeben. Die Satelliten, die mit speziellen Sensoren und Radartechnologie ausgestattet sind, sollen in der nachrichtendienstlichen Arbeit Drohnen und Aufklärungsflugzeuge ersetzen, deren Einsatz in Kriegsgebieten aufgrund von Flugabwehrgeräten als riskant gilt.
Überwachung seit dem Kalten Krieg
Der Weltraum ist nicht erst heute ein Ort der Überwachung. Schon im Kalten Krieg schossen Amerikaner und Sowjets Satelliten ins Weltall, um feindliche Truppenbewegungen wie etwa die Verlegung von Nuklearsprengköpfen zu verfolgen. Die Technik war damals beschränkt. Die US-Spionagesatelliten der Reihe Keyhole-9, auch „Big Bird“ genannt, die zwischen 1971 und 1986 in der Erdumlaufbahn kreisten, hatten zwar für damalige Verhältnisse eine recht hohe Auflösung von 60 Zentimetern pro Pixel – doch die nachrichtendienstliche Auswertung war extrem aufwendig: Die Bilder mussten auf knapp 96 Kilometer Filmrollen gepresst werden, die mit Raumschiffen zur Erde zu transportieren waren. Im Zeitalter der Digitalisierung werden die Bilder jetzt in Echtzeit an die Bodenstation gefunkt.
Satelliten sind so etwas wie das Röntgengerät der Welt: Man kann sehen, wo Regenwälder abgeholzt werden, wo Ernten ausfallen, wo sich Container an Häfen stapeln und folglich die Konjunktur anzieht, wo Truppen zusammengezogen oder neue Raketenbasen errichtet werden, auch wo neue Flüchtlingsbewegungen entstehen. Die Welt erfuhr vom Super-GAU in Tschernobyl 1986 erst, als Satellitenbilder der NASA das Ausmaß der Katastrophe zeigten, weil Moskau eine Nachrichtensperre verhängt hatte. Mithilfe von Satellitenaufnahmen war es sogar möglich, 2021 den kolumbianischen Drogenboss Dairo Antonio Úsuga alias „Otoniel“ aufzuspüren, der sich im dichten Regenwald der kolumbianischen Provinz Antioquia versteckt hielt.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!