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Hochseekähne auf der Donau?

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Die österreichische Bundesregierung hat nach den Sommergesprächen in Moskau erklärt, daß eine wesentliche Voraussetzung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Oesterreich und der Sowjetunion die Ausnützung der Donau als Verkehrsweg sei. Als einer der bedeutenderen Donaustaaten müsse Oesterreich an der Donau als international gleichberechtigter Partner teilhaben, zumal sie Oesterreichs einziger Wasserweg zum Schwarzen Meere sei. Aus diesem Grunde beabsichtigt die Bundesregierung, bei voller Wahrung ihrer Neutralität, der Belgrader Donaukonvention beizutreten.

Mit dem Beitritt zur Donaukonvention muß natürlich die rechtliche Grundlage für die Zusammenarbeit der Donauanrainerstaaten geschaffen werden. Alle Konventionen aber müssen

Theorie bleiben, wenn man die Donau als Großschiffahrtsweg . nicht benützen kann, das heißt, wenn nicht auch die technischen und nautischen Voraussetzungen für die durchgehende Befahrung des Stromes bis ins Schwarze Meer gegeben sind. Derzeit ist das leider nicht der FalL Dieses Manko ist um so bedauerlicher„ alf, uns: die in Aussicht gestellten sowjetischen Oellieferungen auf der Donau zugeführt werden sollen und der Strom alljährlich — besonders im unteren Teil — während 90 Tagen zufriert. Es hat strenge Winter gegeben, wie jenen von 1928/29, in dem die Schiffahrt auf der Donau während vier Monaten eingestellt war und der Eisstoß sogar bis Ober- ösierreich aufbaute.

Aber nicht allein die eisführenden Wintermonate, sondern auch schwerwiegendere Hin dernisse technischer und nautischer Art schließen die Donau derzeit vom Range einer Großschiffahrtsstraße aus, so daß wir uns augenblicklich mit dem Binnenverkehr zwischen den einzelnen Donaustaaten begnügen müssen.

Während des zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit wurde das Donauproblem in Presse, Rundfunk und in Enqueten im Zusammenhang mit der Schaffung von Freihafenzonen in den Donaustaaten, vor allem in Oesterreich, häufig erörtert. Dabei wurde immer wieder auf die mächtigen wirtschaftlichen Impulse hingewiesen, die der Donauschiffahrt aus dem Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals und des Oder- Donau-Kanals sowie der verschiedenen neuen Freihafenzonen erwachsen könnten. Es wurdenauch die Bausummen genannt, die beträchtlich sind und mit Rücksicht auf die allgemeine Verschuldung der Donaustaaten nur zu verantworten wären, wenn sie sich in absehbarer Zeit amortisieren könnten.

Die eigentliche Fragestellung aber lautet: Will man sich bei Schaffung der erwähnten Kanalbauten, der Freihafenzonen und Landeplätze sowie des umfangreichen Schiffparks nur mit dem Binnenverkehr zwischen den einzelnen Donauländern begnügen oder soll auch das Ueberseegeschäft auf der Donau gepflegt werden? Nur der Ueberseeverkehr würde nämlich Investitionen, wie sie solche Großregulierungen erfordern, rechtfertigen — der Binnenverkehr allein niemals I Ohne diese Großregulierung aber ist der Strom nicht imstande, eine konkurrenzlose, billige Verbindung mit Uebersee herzustellen.

Einmal erlauben die ungünstigen Wasserführungsverhältnisse auf der Stromstrecke Wien— Szap—Gönyü (etwa hundert Kilometer oberhalb Budapests) nicht die für Seefahrzeuge erforder-

lieben Tiefen- und Breitenausmaße. Der Strom weist ferner bei Niedrigwasser in der Strecke von Passau bis zur Mündung eine große Anzahl (33) Stellen mit geringeren Tiefen auf, als sie für die Verwendung von Seefahrzeugen erforderlich sind (Aschach, Struden usw.). Diese Mängel der Bodengestaltung machen es notwendig, den Tiefgang der Fahrzeuge einzuschränken, das heißt die Boote nicht voll zu beladen oder aber in Gönyü kostspielige Umladungen vom Binnenfahrzeug auf das Hochseeboot oder umgekehrt vorzunehmen. Schließlich weist die Donau, besonders im österreichischen Teil, Stromschnellen mit zu enger eingleisiger Fahrbahn oder scharfe Krümmungen und in der Kataraktenstrecke Moldova—Turn—Severin scharfe Strömungen und schwierige nautische Verhältnisse auf, die bei der Begegnung von Fahrzeugen Schwierigkeiten machen und zur Zerlegung langer Schleppzüge in Teilstücke zwingen, was wieder die Fracht verteuert.

Für die Großschiffahrt Rhein—Main—Donau wurde für das Normalboot von 1500 Tonnen Tragfähigkeit eine Fahrtiefe von 2,5 Meter zugrunde gelegt, wie sie schon seit Jahren in der 15 Kilometer langen, bereits regulierten Stromstrecke bei Wien vorhanden ist. Die von Ungarn erstmalig 1931 verwendeten Hochseeboote hatten aber einen Höchsttiefgang von 3,1 Meter und konnten daher nur bei günstigem Wasserstand voll beladen werden. Die betreffende Schiffahrtsgesellschaft hatte damals mit großem Optimismus den durchgehenden Verkehr nach der Levante angekündigt, war mit ihren Booten — bei günstigem Wasserstand und unbeladen — bis Wien gekommen, um sich den Interessenten zu zeigen (auch der Unterzeichnete hat sie damals am Handelskai gesehen) und war dann munter stromabwärts gefahren. Aber schon die ersten österreichischen Güter mußten mit kleinen Schiffen nach Komom gebracht und dort auf die Seefahrzeuge umgeladen werden. Dann allerdings ging die Fahrt in die Levante ziemlich glatt vor sich. Auf der ersten Rückfahrt aber geschah es dann: die Fahrzeuge kamen infolge Niedrigwassers nur bis Belgrad, und nach einer zweiten Levantefahrt blieben die Boote in Galatz stecken, weil die Donau inzwischen zugefroren war...

Der Ausbau der Donau zur Seewasserstraße erfordert eine Niedrigwasserregulierung von 3,5 Meter Mindesttiefe. Bei der günstigen Wasserführung und dem geringen Gefälle der mittleren und unteren Donau erscheint dieses Ziel ohne Einengung der zweigleisigen Schiffahrtsstrecke erreichbar. Wo aber die Donau strek- kenweise, wie zum Beispiel am Gefällsbruch bei Gönyüer Furten, Bergstromcharakter annimmt, müßte entweder eine Einengung det Schiffahrtsstrecke oder aber ein Seitenkanal parallel zum Strom bis Wien in der Länge von 120 bis 125 Kilometer gebaut werden, so wie ihn der bekannte Wasserbaufachmann Ing. Brandi projektierte.

Die Schiffahrtshindernisse in der Kataraktenstrecke und im Kanal des Eisernen Tores könnten durch zwei Staustufen mit einer Mindesttiefe von 3,3 Meter beseitigt werden. Das Problem der Versandung der Donaumündung, praktisch: des mittleren (Sulina-) Armes, ist 1953 durch den Abschluß der rumänischen Arbeiten am Dobrudschadurchstich zwischen Cernawoda und Konstanza gelöst worden; gleichzeitig ergab sich damit eine Verkürzung der Fahrtroute um 250 Kilometer.

Oesterreich wurde im Jahre 1931 von der Türkei ein sehr günstiges Kohleangebot gemacht. Es scheiterte lediglich an den oben aufgezeigten Strommängeln. Abhilfe tut also not.

Da aber in den einzelnen Donaustaaten verschiedene Bauvorhaben an der Donau verfolgt werden, wäre es zwecks Koordinierung dieser Bestrebungen sehr wünschenswert, in einer Enquete der Donaustaaten alle diese Pläne zu erörtern und unter Zuziehung hervorragender Wasserbaufachleute ein gemeins a:m e s Bauprogramm aufzustellen, wobei die Pläne der Kanalbauten mit einbezogen werden müßten. Das wären die ersten Aufgaben, die die Donaukonvention zu bewältigen hätte.

Polen und die Tschechoslowakei" sollen bereits mit dem Bau des Oder-Donau-Kanals begonnen haben, ohne daß Oesterreich hierüber informiert worden wäre. So geht es nicht. Oesterreich kann mit Recht erwarten, daß seine Wünsche, wie etwa einen Stichkanal vom Hafen Lobau zur March bei Angern zu schaffen, oder den Oder- Donau-Kanal im Flußbett der March Und nicht auf tschechoslowakischem Boden zu führen, berücksichtigt werden. Oesterreich wieder müßte dabei die tschechoslowakischen Interessen an kleinen Grenzregulierungen, wie beispielsweise gegenüber Theben zur Anlage eines Donauhafens, verstehen und ihnen großzügig, ohne Prestigescheuklappen, entgegenkommen.

Seit der ersten österreichisch-tschechischen Fühlungnahme im Jahre 1947 hat ein Gedankenaustausch leider "nicht mehr stattgefunden; es wäre aber wichtig, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, damit wir nicht vor vollzogene Tatsachen gestellt würden, die uns nicht wieder gutzumachenden Schaden bringen könnten.

Die beträchtlichen Bausummen einer Großregulierung sollten uns und die Anrainerstaaten nicht schrecken, denn das Ergebnis würde eine billige Verkehrsader sein, mit der weder der Bahn- noch der Autotransport konkurrieren können.

Der Bahntransport zu unseren Seehäfen — die sogenannte Vorfracht — und die Umladung im Hafen — der sogenannte Umschlag — sind es ja, mit denen die Exportware des Hinterlandes so empfindlich belastet ist. Diese Belastungen haben schon manches Exportgeschäft unmöglich gemacht. Die ungünstige kontinentale Lage Oesterreichs zu den Seehäfen des Mittelmeeres und der Nordsee können nur durch die billige Wasserfracht eines leistungsfähigen Großschifffahrtsweges wettgemacht werden. Oesterreich würde durch die großregulierte Donau außerordentlich profitieren.

Der Beitritt Oesterreichs zur Belgrader Donaukonvention und seine initiativen Bemühungen um den Ausbau der Donau könnten dem Strom jene Bedeutung zuweisen, auf die er als mitteleuropäische Wasserstraße erster Ordnung Anspruch hat. Die Gesamtwirtschaft aller Donauländer könnte damit einen ungeahnten Auftrieb erhalten: Das Levantegeschäft würde belebt und der ganze derzeit brachliegende Osthandel würde eine neue Konjunktur erfahren, wie er sie seit der Zerschlagung der Donaumonarchie nicht mehr griebt hat.

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