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Hohe Strafe & strenge Überwachung

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Wichtig ist es, das Bewußtsein zu schärfen, daß alkoholisiert Autofahren kein Kavaliersdelikt ist und mit massiven Strafen bedroht ist.

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Wichtig ist es, das Bewußtsein zu schärfen, daß alkoholisiert Autofahren kein Kavaliersdelikt ist und mit massiven Strafen bedroht ist.

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Die Diskussion um die Verkehrssicherheit ist stark von Emotionen geprägt. Verständlich, denn niemanden kann es kalt las sen, wenn es um schwere Unfälle und um Verkehrstote geht. Und wie bei kaum einem anderen Thema ist fast jeder als Verkehrsteilnehmer betroffen. Gerade deshalb ist es notwendig, jenseits ideologischer oder parteipolitischer Scheuklappen das Thema Verkehrssicherheit und Alkohol am Steuer als Sachproblem anzusehen. Glaubenskriege werden auch in dieser Frage zu keinen Ergebnissen führen, sondern nur die sachliche Auseinandersetzung mit diesem Thema.

Jeder Tote, jeder Verletzte ist zuviel. Aber wir sollten doch nicht die positive Entwicklung verschweigen, die es im letzten Jahrzehnt gegeben hat. Trotz Vervielfachung des Verkehrsaufkommens hat die Zahl der Verkehrstoten auf Österreichs Straßen im Jahr 1996 ihren bisherigen Tiefstand seit 44 Jahren erreicht und ist in den 'beiden letzten Jahren um zirka 25 Prozent zurückgegangen, und zwar ohne eine Absenkung der Promilleobergrenze auf 0,5 Promille und Einführung eines Punkteführerscheines. Es ist primär die von der ÖVP vertretene konsequente Verkehrsüberwachungspolitik (zum Beispiel die systematische Alkomatüber-prüfung, automatischer Führerscheinentzug bei stark überhöhtem Tempo, die durch die 20prozentige Zweckbindung der Strafgelder vermehrte Verkehrsüberwachung), die dabei mitgeholfen hat. Und man soll te auch nicht vergessen, daß Hauptursache der Verkehrsunfälle nach der offiziellen Verkehrsstatistik nicht die Alkoholunfälle sind, sondern nicht angepaßte Fahrgeschwindigkeit (44,1 Prozent). Danach folgten Vorrangverletzungen mit 13,5 Prozent und vorschriftswidriges Überholen mit 10,1 Prozent. Erst an sechster Stelle rangierte Alkoholisierung mit 7,3 Prozent der Unfallursachen.

Eine umfassende Studie zum Thema „Alkohol am Steuer” liegt derzeit von Professor Hans-Peter Krüger, Universität Würzburg, über 21.000 Autofahrer in Deutschland vor, die einer Alkoholprobe unterzogen wurden. Sie kam zu dem Ergebnis, daß 94,5 Prozent aller Fahrten nüchtern durchgeführt werden, 3,5 Prozent mit einem Blutalkoholwert bis zu 0,3 Promille und nur 0,56 Prozent aller Fahrten mit 0,8 Promille oder mehr. Diese 0,56 Prozent mit hoher Blutkonzentration sind aber für rund neun Prozent aller Unfälle mit Personenschaden verantwortlich. Die Alkoholisierung der „Unfallenker” betrug im Durchschnitt 1,6 Promille. Die Werte für Österreich sind sicherlich vergleichbar.

Krügers Konsequenz aus seinen Untersuchungen: Wenn es gelänge, die bestehende 0,8-Promillegrenze wirklich durchzusetzen, sodaß niemand mehr fährt, der 0,8 Promille oder mehr hat, blieben nur noch vier Prozent aller Alkoholunfälle übrig. Für die ÖVP ist es deshalb verkehrspolitisch logisch, zuerst bei jenen 96 Prozent der Alkoholunfälle anzusetzen, die bei über 0,8 Promille geschehen.

Der damalige Verkehrsminister Streicher hat bereits 1989 in einer parlamentarischen Enquete festgestellt: „Ich habe gezeigt, daß es uns nicht einmal gelingt, die 0,8-Promillegrenze wirklich einigermaßen seriös zu überwachen und für deren Nicht-

überschreitung zu sorgen. Der Übergang von 0,8 auf 0,5 Promille kann gar nicht so viel bringen wie eine bessere Überwachung.”

Anläßlich einer Enquete zu diesem Thema im Jahr 1993 wurde die Forderung nach einer verstärkten Promilleüberwachung wiederholt, „weil dies den höchsten Sicherheitsnutzen bringt”. Mehrere Studien haben nachgewiesen, daß bei der Hälfte der Lenker, die alkoholisiert erwischt wurden, der Promillegrad zwischen 1,5 und 2,5 Promille lag und der Mittelwert der erwischten Alkoholsünder bei etwa 1,5 Promille. Nur jeder tausendste alkoholisierte Ienker wird, nach Aussage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit, von der Exekutive bei Kontrollen entdeckt.

Diese Beispiele zeigen, daß es zielführender ist, auf eine stärkere Verkehrsüberwachung mit strengen Alkoholkontrollen, erhöhte Strafsanktionen für „Promilletrinker”, sowie auf eine verbesserte Aufklärungsarbeit für die jugendlichen Verkehrsteilnehmer zu setzen. Insbesondere sind geeignete polizeiliche Überwachungskonzepte zu entwickeln, die an das Trink-Fahr-Verhalten dieser Gruppen angepaßt sind.

In der Frage der Einführung eines Punkteführerscheines vertritt die ÖVP die Ansicht, daß zuerst seine technisch-organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden müssen und Verkehrsund Innenministerium dafür die Hausarbeiten zu machen haben.

Verkehrsminister Einem hat noch als Innenminister gemeint, er „habe mit dem Punkteführerschein keine rechte Freude, weil der organisatorische Aufwand schwer zu bewältigen ist”. Diese Aussage ist verständlich, wenn man weiß, daß alle 3,1 Millionen Führerscheine, die von den Bundespolizeidirektionen (ohne Bezirkshauptmannschaften) ausgestellt wurden, händisch mittels Karteikasten verwaltet werden.

Außerdem ist das Problem der Kostenzuteilung für den Punkteführerschein (rund 200 Millionen Schilling Kosten für Bund und Länder) ungelöst, denn es wurden seitens des Verkehrsminsteriums mit den Ländern bisher keine Verhandlungen darüber geführt, obwohl diese in der Begel in der Begutachtung den Punkteführerschein abgelehnt haben.

Darüberhinaus sprechen noch weitere sachliche Gründe gegen eine Einführung: So haben die Autofahrerklubs eingewendet, daß der geplante Punkteführerschein schablonenhaft wirkt. Eine individuelle Beurteilung des Verschuldens im Einzelfall kann nicht berücksichtigt werden, sondern es tritt bei einer bestimmten Übertretung eine Automatik in Kraft.

Nun ist das Parlament am Zug. Die ÖVP hat jedenfalls für sich festgelegt, daß es bei der 0,5-Prozent-Frage keinen Klubzwang geben wird und die Abgeordneten in freier Abstimmung nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden sollen. Was immer das Ergebnis sein wird, allein die Diskussion um dieses Thema wird das Bewußtsein der Bevölkerung schärfen, daß Autofahren unter Alkoholeinwirkung kein Kavaliersdelikt ist, sondern mit massiven Strafen bedroht ist und einer charakterlichen Disqualifizie-rung gleichkommt.

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