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Hygiene hat Nachrang

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Mit schöner Regelmäßigkeit wechseln einander in der Politik die Themen ab: Neuerdings sind in Österreich gesundheitspolitische Fragen sehr stark in Mode gekommen.

So hielt die SPÖ Ende November in Perchtoldsdorf eine sogenannnte „gesundheitspolitische Konferenz” ab, deren Leitmotiv unter dem Motto „Im Mittelpunkt der Mensch” stand.

Indessen hat die SPÖ keineswegs die „Gesundheit” als pflegebedürftiges Terrain für innenpolitische Aktivitäten entdeckt. Denn im Rahmen der vor über drei Jahren so heftig propagierten Zusammenarbeit von Politik und Wissenschaft hatte zuvor bereits die ÖVP in ihrer „Aktion 20” einen Arbeitskreis für Gesundheitspolitik geschaffen, dem Professor Dr. Fellinger vorstand. Mit Feuereifer ging man damals in der Kärntnerstraße daran, Konzepte für die vielfältigen Aufgabengebiete zu entwickeln und Papiere auszuarbeiten.

Freilich dürften diese Unterlagen später in irgendwelchen Schubladen verschwunden sein, denn um diesen Zweig der Aktion 20 ist es in jüngster Zeit beängstigend still geworden …

Nicht allein durch den Arzt

Nun scheint die SPÖ, die ihre Bemühungen gern auch unter der Bezeichnung „Humanprogramm” propagiert, am Zuge zu sein. Allerdings werden aus Fachkreisen schon jetzt Zweifel laut, ob diese mit viel Aufwand aus der Taufe gehobenen Initiativen überhaupt zielführend sein können. Man wirft den Sozialisten nämlich vor, daß sie auf einem viel zu schmalen Geleise fahren. Die auf der gesundheitspolitischen Konferenz in Perchtoldsdorf gegründeten Arbeitskreise hätten lediglich medizinische Themen zum Gegenstand, während man unter moderner Gesundheitspolitik ein viel weiter gezogenes Aufgabengebiet zu verstehen habe. Derart tastende Versuche würden tatsächlich in den führenden Industriestaaten der Welt nur ein müdes Lächeln hervorrufen. Längst ist man dort dazu übergegangen, diesen Problemkreis in systematischer Ordnung zu erfassen und auf wissenschaftlicher Basis Lösungen zu suchen.

Während man sich in Österreich mit der Gründung von Arbeitskreisen für Krankheitsverhütung, Krankheitsfrüherkennung und ähnlichem herumschlägt, versteht man jenseits unserer Grenzen unter Gesundheitspolitik weit mehr als humanmedizinische Aktivitäten. Der Kem des Problems besteht nämlich gerade darin, daß der Arzt in der Industriegesellschaft einfach nicht mehr in der Lage ist, jenen existenzbedrohenden Folgen für den menschlichen Organismus entgegenzuwirken, die von den zivilisatorischen Errungenschaften der Gegenwart ausgelöst werden. Der Lärm, die wachsende Verunreinigung von Luft und Gewässern sind die eigentlichen Kampfziele einer modernen Gesundheitspolitik. Um diese Aufgaben zu bewältigen, bedarf es umfassender organisatorischer Maßnahmen und Investitionen in Größenordnungen, wie sie nur der Staat aufzubringen vermag.

Eher düster sind die Zukunftsperspektiven für Österreichs Gesundheitspolitik, wenn politisch so bedeutsame Kräfte wie die Sozialisten nicht einmal noch erkannt haben, welche Aufgabe sich hier eigentlich stellt. Wie sollen, wie können unter solchen Gegebenheiten jene willensbildenden Entscheidungen getroffen werden, die längst hätten gefällt werden müssen?

„Leeres Stroh”

Die Ursache für diese Rückständigkeit ist einfach zu erklären: Es fehlt in Österreich — ähnlich wie in der Forschung — an Grundlagen. Keine öffentliche Einrichtung befaßt sich mit der Sammlung entsprechenden Materials, mit der Auswertung ausländischer Erkenntnisse, niemand koordiniert jene zweifelsfrei vorhandenen Ansätze, die im Kompetenzdschungel der verschiedenen Ministerien ein reichlich verborgenes Dasein fristen.

So gibt es zwar in Österreich einen Wasserwirtschaftsfonds, dessen Experten errechnet haben, daß für die Bekämpfung der Gewässerverschmutzung in den nächsten zwanzig Jahren 40 Milliarden Schilling aufgebracht werden müssen, doch fehlt es etwa in Ämtern und Schulen an den einfachsten Dingen der Hygiene.

Bezeichnend für die Situation ist auch die Tatsache, daß erst vor kurzer Zeit über Privatinitiative ein gesundheitspolitisches Institut ins Leben gerufen worden ist.

Was Wunder, wenn Skeptiker den Rummel um die Gesundheitspolitik für leeres Stroh halten…

angebot. Diese Bestimmungen dienen nicht immer regionalpolitischen, sondern mehr und mehr protektionistischen Zielvorstellungen.

Keine „Waffengleichheit”

Prof. DDr. Kurt Wessely weist in diesem Zusammenhang in „Berichte und Informationen” darauf hin, daß sich „der Staat eine Fülle von rechtlichen neben faktischen Garantien vorbehalten hat — beispielsweise durch die immer wieder bemerkte lässige Zahlungsmoral des öffentlichen Schuldners. Es gibt auf der anderen Seite daher für den privaten Auftragnehmer kaum Rechtsinstitute, welche ihm (abgesehen von privatrechtlichen Instrumenten und Zivilklagen) eine gleichrangige Stellung mit dem Staat verleihen und den verschiedenartigen Verschachtelungen, Vertragstypen und Sonderabmachungen gerecht werden könnten. Der gesamte Rechtschutz des Verwaltungsverfahrens ist in seinem Aufbau auf die Hoheitsverwaltung abgestimmt, so daß Beschwerden an den Gerichtshof in solchen Fällen in der Regel ausgeschlossen sind. Denn wir haben es mit einem privatrechtlichen Vertrag zu tun, obgleich auf der einen Seite, nämlich auf seiten de Staates, die Vergebensentscheidung als staatlicher Willensakt zugleich öffentlich-rechtlich ist. Es ist daher eine juristische Fortbildung der Rechtsnormen über öffentliche Auftragsvergebung und die Schaffung eines entsprechenden öffentlich- rechtlichen Rechtschutzes für den einzelnen Auftragsnehmer zu fordern.”

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