Intervallfasten: Gesund und natürlich
In seinem neuen Buch "Mit Ernährung heilen" erklärt Andreas Michalsen, wie der Körper durch Fasten entschlackt und verjüngt - unter anderem durch den Prozess der Autophagie.
In seinem neuen Buch "Mit Ernährung heilen" erklärt Andreas Michalsen, wie der Körper durch Fasten entschlackt und verjüngt - unter anderem durch den Prozess der Autophagie.
In unseren Zellen gib es so etwas wie eine Müllabfuhr und ein Recycling-System. Bei gesunden Menschen funktionieren diese wie in einer gut verwalteten Stadt: Immer wieder wird sauber gemacht. Welche molekularen Mechanismen dafür verantwortlich sind, hat der Japaner Yoshinori Ohsumi entschlüsselt. Das hat ihm 2016 den Nobelpreis für Medizin eingebracht. Der Zellbiologe am "Tokyo Institute of Technology" beschrieb, wie dabei geschädigte Proteine gefiltert, abgebaut und wiederverwertet werden. Diese zelluläre Verdauung wird mit dem Begriff der Autophagie (gr. "Selbstfressen") bezeichnet. Gäbe es die fortlaufende innere Reinigung nicht, würden die Zellen vor lauter Müll überquellen. Aber auch körperfremde Eindringlinge wie Viren, Bakterien oder andere Mikroorganismen werden so in den Zellen bekämpft.
"Mikroschrott" in den Zellen
In gewisser Weise könnte man Nobelpreisträger Yoshinori Ohsumi zum modernen Schutzpatron der Fastenzeit erheben. Denn der von ihm enthüllte Mechanismus spielt beim Fasten eine wichtige Rolle. Jüngere Forschung hat gezeigt, dass Fasten tatsächlich "entschlackt" und verjüngt - unter anderem, indem der Körper den Prozess der Autophagie ankurbelt. Der "Mikroschrott", der sich über die Zeit in den Zellen ansammelt, wird vor allem durch unsere Art der Ernährung beeinflusst, erklärt Andreas Michalsen in seinem neuen Buch "Mit Ernährung heilen" (Insel, 2019).
Gäbe es die fortlaufende innere Reinigung nicht, würden die Zellen vor lauter Müll überquellen.
Ohne Nahrungsnachschub versucht die Zelle, altes Material wiederzuverwenden: Die Eiweißteile werden klein gehackt und können danach zum Aufbau neuer Proteine verwendet werden, so der Professor für Klinische Naturheilkunde der Charité Berlin. Durch ständiges Essen wird die Autophagie gebremst, durch Fasten und sportliche Betätigung hingegen gefördert. Mittlerweile weiß man, dass eine gebremste Autophagie mit der Zellalterung und mit Nervenerkrankungen wie Demenz in Verbindung steht.
Umgekehrt scheint der Prozess der Zellreinigung elementar für das Aufhalten von Alterungsprozessen zu sein – und somit ein Schlüssel für das "Anti-Aging". Dies hat kürzlich auch eine japanische Studie bestätigt, in der beim Fasten unter anderem ein deutlicher Anstieg von Antioxidantien zu beobachten war (Scientific Reports, Jan. 2019). Diese Substanzen sind bekannt dafür, dass sie vor Krankheiten schützen und den Alterungsprozess verlangsamen können.
Mit Ernährung heilen
Besser essen – einfach fasten – länger leben. Neuestes Wissen aus Forschung und Praxis
Von Andreas Michalsen
Insel 2019
368 S., geb., € 24,95
Fastenzeiten sind für den Körper generell Phasen, in denen er sich verstärkt der Reparatur von Genen, Proteinen und Zellbestandteilen widmen kann. Buchautor Andreas Michalsen beschreibt aber auch weitere günstige Wirkungen des Fastens: zum Beispiel Fettabbau und Entzündungshemmung, Stärkung der Immunabwehr, Regeneration der Darmbakterien und Aktivierung der Selbstheilung. Im Gehirn werden dabei Botenstoffe wie Serotonin oder Endorphine ausgeschüttet. Das erklärt die beim Fasten häufig zu beobachtende gute Stimmung bis hin zur Euphorie.
Fasteneuphorie und geschärfte Sinne
Viele Menschen berichten in dieser Zeit auch von geschärften Sinnen und einem wachen, klaren Geist. Im Hinblick auf unsere evolutionäre Vergangenheit ist das plausibel, denn bei Nahrungsknappheit investiert der Körper seine Energie ins Wesentliche - und tut alles, um das Überleben zu sichern. Für unsere Vorfahren bedeutete dies, beim Jagen und Sammeln erfolgreich zu sein. Eine geschärfte Wahrnehmung erlaubte es ihnen, die unter dem Gras verborgenen Pilze ebenso aufzuspüren wie den Geruch des Wildes wahrzunehmen, das sich hinter den Büschen versteckt hielt. Dass dem Nahrungsverzicht eine geistig-seelische Dimension der Reinigung und Erneuerung innewohnt, ist in den verschiedensten Kulturen seit Jahrhunderten verankert.
Intervallfasten ist nichts, was wir unserem Körper zumuten müssen, es ist die natürlichste Ernährungsform. Quasi eine Rückbesinnung auf unser urmenschliches Erbe.
In allen Weltreligionen gibt es Fastenzeiten. Im Christentum ist es die Zeit von Aschermittwoch bis Ostern; zudem spricht das Lukas-Evangelium von zwei Fastentagen pro Woche. Im Judentum wird u. a. vor den Feiertagen Purim und Pessach sowie an Jom Kippur gefastet. Muslime wiederum verzichten im Fastenmonat Ramadan von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Das Intervallfasten, wie es heute in Mode gekommen ist, wird somit schon in religiösen Schriften beschrieben. Und es verweist zugleich auf die frühesten Phasen der Menschheitsgeschichte, wie Andreas Michalsen erklärt: "Intervallfasten ist nichts, was wir unserem Körper zumuten müssen, es ist die natürlichste Ernährungsform. Quasi eine Rückbesinnung auf unser urmenschliches Erbe: Einst wurde gegessen, wenn Nahrung vorhanden war; gab es nichts, musste der Körper mit dem Hunger zurechtkommen (...)."
Ohne Frühstück oder Abendessen
Wie beim Heilfasten gibt es auch beim Intervallfasten mehrere Optionen: Man kann etwa ein bis zwei Fastentage pro Woche definieren oder eine Nahrungsabstinenz von 12 bis 16 Stunden einlegen. Experten empfehlen hierfür, eine Mahlzeit am Rande der Nacht wegzulassen: Ohne Frühstück oder Abendessen fastet man in der Regel bereits 16 Stunden. Dann sollte man einen fixen Rhythmus einhalten, damit sich der Körper einstellen kann. Am Anfang freilich gilt es, vor gelegentlichem Magenknurren nicht in die Knie zu gehen. "Das Hungergefühl wird nicht größer, sondern geht wieder vorüber", weiß Michalsen aus langjähriger Erfahrung. In der nahrungsfreien Zeit versorgt sich der Körper durch Auflösung von Fettreserven und bildet Ketonkörper, denen eine günstige Wirkung auf die Nervenzellen nachgesagt wird.
Ab und zu gar nichts essen – das lässt sich leichter bewerkstelligen als lange Fastenzeiten. Diäten scheitern oft, weil es gegen unsere Natur ist, wochenlang nur wenig zu essen, meint der deutsche Experte. Das Intervallfasten hingegen sei in unseren Genen festgeschrieben – "keine neue Erfindung, sondern eher der Normalfall in der Geschichte der Menschheit".